Der Mensch

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NeKu

Mitglied
Ein Mensch, schon grau und alt an Jahren
Ist in die Zeche eingefahren
Und das schon seit er achtzehn war
Genauso wie der Opapa

Hat nie bei seiner Schicht gefehlt
Sich auch bei Krankheit abgequält
Der Mensch war stolz die ganze Zeit
Auf seine Zuverlässigkeit.

Sein Häuschen ist sein ganzer Stolz
Der Garten fein, Balkon aus Holz
In Urlaub fuhr er ein, zwei Mal
Zum Schwarzwald hin ins Höllental

Zwei Kinder hat er gut erzogen
Familienglück ist ihm gewogen
Den Luxus, nein den kennt er nicht
Doch immer Essen auf dem Tisch

Er sparte für die Hypothek
Und hat noch was zurückgelegt
Und wenn er erst in Rente ist
Wird alles anders, ganz gewiss

Die ist ja sicher, ungefragt
Minister Blüm hat es gesagt
So freut er sich aufs Altenteil
Und bangt nicht um sein Seelenheil

Schon Mitte fünfzig ist er nun
Hat immer noch genug zu tun
Doch plötzlich kommt der blaue Brief
Und plötzlich geht sein Leben schief

Nach ein Paar Jahren ohne Job
Fehlt ihm schon auch soziales Lob
Nun muss er zum “sozialen Amt”
Das hat er vorher nie gekannt

Dort sagt ein Kind von zwanzig Jahren
Sie sind jetzt arm, sie müssen sparen
Jetzt geben sie das Sparbuch aus
Und dann verkaufen sie das Haus

Die Kinder werden nichts mehr erben
Sie warn zu dumm sich zu bewerben
Solang Vermögen er besitzt
Gibts vom Sozialamt erst mal nix

Dann schaun wir was die Kids verdienen
Und holen dann was geht von ihnen
Der Mensch, er kann es gar nicht glauben
Dass sie ihm jetzt die Früchte rauben

Er zahlte doch seitdem er jung
In die Sozialversicherung
Er hat ein Leben lang “geklebt”
Gespart, geackert, nie gelebt

Und könnt er heute nochmal leben
Dann würd er nichts der Kasse geben
Doch meistens lernt man viel zu spät
Brutal ist die Realität
 
F

Fettauge

Gast
Hallo NeKu,

du beschreibst das Schicksal eines Bergmanns, der, als er älter wurde, "freigestellt" wurde. Eine Aussicht auf eine andere Arbeitsstelle hat er nicht mehr. Nun sitzt ihm ein junges Ding auf dem Arbeitsamt gegenüber und zählt die Schikanen auf: Sparbuch verbrauchen, Haus verkaufen - erst dann springt der Staat mit seinen Almosen ein. Der Mann ist verletzt, er hat treu und brav gespart, er hat der Obrigkeit vertraut und jetzt fühlt er sich verraten. Ein millionenfaches Hartz-IV-Schicksal in diesen Zeiten. Ein Text, der die aufrütteln will, die in seinen Fußtapfen wandeln und sich entgegen allen Erfahrungen noch sicher fühlen. Ein notwendiger Text.

Gruß, Fettauge
 
In dem Gedicht werden Behauptungen aufgestellt, die nicht zutreffend sind.

Wird das Sparbuch geplündert?

Gehen wir davon aus, dass der Mensch mit Mitte 50 (also mit 55) Jahren arbeitslos geworden ist, so bekommt er, wenn er zuvor längere Zeit dauerhaft beschäftigt war, zwei Jahre Arbeitslosengeld I, erst danach Arbeitslosengeld II, das berüchtigte Hartz 4. Er ist also zu diesem Zeitpunkt 57 Jahre alt. Nach diesem Alter bemisst sich sein mobiles Schonvermögen (Bargeld, Sparbuch), das bei der Feststellung seiner Anspruchsberechtigung unangetastet bleibt. Pro Lebensjahr sind das 150 €, also in seinem Fall 8.550 €. Ist er verheiratet, erhöht sich der Betrag je nach Lebensalter der Ehefrau entsprechend. Bei Gleichaltrigkeit der Ehepartner also noch mal soviel, in jedem Fall aber deutlich über 10.000 €.

Wahrscheinlich ist, dass er gar nicht so viel auf der Hohen Kante haben wird, also wird sein Sparbuch nicht geplündert.

Muss er sein Häuschen verkaufen?

Das hängt davon ab, ob es angemessen ist (Größe) und ob er darin wohnt. Nach der geschilderten Vita dürfte es sich nicht um eine Villa, sondern um ein Eigenheim normaler Größe (Wohnfläche ca. 120 qm) handeln, das als angemessen anzusehen ist und eben nicht veräußert werden muss.

Einkommen der Kinder

Einkommen der Kinder wird in Anspruch genommen, wenn die Kinder mit dem Hartz-4-Empfänger in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Bei den Kindern im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass es sich um erwachsene Kinder mit einem eigenen Hausstand handelt. Nach § 43 Abs. 2 SGB XII darf das Sozialamt in der Regel keine Nachweise über die Höhe des Einkommens der volljährigen Kinder oder der Eltern von Antragstellenden auf Leistungen der Grundsicherung für Ältere und Erwerbsunfähige verlangen. Nur, wenn sich bei der Antragstellung aus deren Angaben Hinweise auf ein jährliches Gesamteinkommen solcher „nicht gesteigert unterhaltspflichtigen“ Verwandten von 100.000 Euro oder mehr ergeben, darf das Sozialamt Nachweise verlangen und gegebenenfalls Antragsteller auf entsprechend vorrangige Unterhaltsansprüche dieser Verwandten verweisen.

(Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil AZ: L 8 SO 10/09)


Da die Kids wohl kaum über ein so hohes Einkommen verfügen, müssen auch sie nicht blechen.

LG Friedhelm
 

NeKu

Mitglied
Wow Lupenleser,
hoffentlich habe ich jetzt nicht jemandem auf die Zehen getreten.
Nur mal so als Frage:
Wenn er nun doch 30000 auf dem Konto hätte, müsste er es dann einbringen?
und:
Wenn es nun doch ein grösseres Haus wäre...
und:
Wenn die Kids nun doch im gleichen Haus leben würden...

Ich glaube Deine absolute Aussage, dass hier "Behauptungen aufgestellt werden die nicht zutreffend sind" sollte überdacht werden. Genauso wie Du mit

"Gehen wir davon aus...
Wahrscheinlich ist...
Das hängt davon ab...
Da die Kids wohl kaum..."

genauso theoretisch kann es nämlich auch zutreffen.
Ist aber auch nicht böse gemeint.
Gruss
Kurt
 

Ironbiber

Foren-Redakteur
Hallo NeKu,

Ich bin kein Lyriker, halte dieses Gedicht aber in Vers und Metrik für sehr gelungen.

Was mich jedoch mehr aufwühlt ist der Inhalt, da ich ähnliche Schicksale kenne. Auf Details will ich dabei gar nicht eingehen, weil dann sofort ein Oberschlauer weiß, was sie falsch machen und wie es richtig geht, ohne die schicksalsgebenden Momente zu kennen.

Ich bewerte hier nur dein Gespür für Ungerechtigkeit und für die Höchststrafen, die das Altern mit sich bringen kann. Und das hast du vortrefflich in Zeilen geschmiedet.

Es grüßt der Ironbiber
 
Hallo Neku,
ich finde dein Gedicht auch gut, doch ganz stimmt der Inhalt nicht.

Ein Mensch, schon grau und alt an Jahren
Ist in die Zeche eingefahren
Es ist ja, wie du schreibst, ein alter Bergmann.
Von je her haben die Bergleute eine gute Rente erhalten, um die sie oft von anderen beneidet wurden.

Viele Grüße,
Marie-Luise
 

NeKu

Mitglied
Hi Marie-Luise,
da hast Du wohl Recht. Ich denke aber, dass der Beruf austauschbar sein sollte. Hat sich halt so schön gereimt. Einen langjährigen Beamten oder jemanden mit Anspruch auf hohe Betriebsrente würde so ein Schicksal wohl auch nicht so hart treffen. Aber es gibt sie eben, diese Schicksale...
Danke Ironbiber,
Du hast erfasst worum es mir ging...
Grüsse
Kurt
 
Hallo Neku,
nur weil es reimlich so schön passt, etwas Falsches zu schreiben, finde ich nicht gut.
Die Bergleute, wenn sie so lange gearbeitet haben, haben meistens Blessuren davon getragen.
Ich meine Berufskrankheiten wie Meniskusschaden, Bursitis und die schlimmste, die Staublungenerkrankung, an der viele starben.
Dadurch bekommen sie aber nicht nur einen Knappschafts-, sondern auch noch eine Unfallrente.
Also, die Bergleute sind bestens im Alter versorgt. Ich kenne keinen Bergmann – und ich wohne im „Kohlenpott“ – der sein Häuschen verloren hat.

Diese falsche Beschreibung der alten Bergleute stört mich einfach.

Noch einmal Grüße von mir
 

NeKu

Mitglied
Übrigens, Ironbiber,
wenn man mal anfängt Literatur rechtlich zu würdigen, dann müsste man den Weihnachtsmann auf die Anklagebank setzen:

Schwarzarbeit
Nicht Abführen von Sozialabgaben
Verweigerung von Lohnzahlungen
Führen eines Luftfahrzeuges ohne Airline Transport License
Verstoss gegen das Tierschutzgesetz
Überschreiten internationaler Grenzen ohne Pass
Zollvergehen und Hinterziehung von Zollabgaben
Einbruch in Privathäuser
Diebstahl, oder zumindest Mundraub
Misshandlung von Kindern

Und Knecht Ruprecht als Mittäter und wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung.

Mir gefällt aber die Weihnachtsgeschichte so wie sie ist.
Augenzwinkernde Grüsse
Kurt
 

NeKu

Mitglied
Meine Güte, Marie-Luise. Ist es so besser...?

Ein Mensch, schon grau und alt an Jahren
Hat lebenslänglich Bus gefahren
Und das schon seit er achtzehn war
Genauso wie der Opapa

Hat nie bei seiner Schicht gefehlt
Sich auch bei Krankheit abgequält
Der Mensch war stolz die ganze Zeit
Auf seine Zuverlässigkeit.

Die Villa ist sein ganzer Stolz
Der Garten fein, Balkon aus Holz
In Urlaub fuhr er ein, zwei Mal
Zum Schwarzwald hin ins Höllental

Zwei Kinder hat er gut erzogen
Familienglück ist ihm gewogen
Den Luxus, nein den kennt er nicht
Doch immer Essen auf dem Tisch

Er sparte für die Hypothek
Und hat noch was zurückgelegt
Und wenn er erst in Rente ist
Wird alles anders, ganz gewiss

Die ist ja sicher, ungefragt
Minister Blüm hat es gesagt
So freut er sich aufs Altenteil
Und bangt nicht um sein Seelenheil

Schon Mitte fünfzig ist er nun
Hat immer noch genug zu tun
Doch plötzlich kommt der blaue Brief
Und plötzlich geht sein Leben schief

Nach ein Paar Jahren ohne Job
Fehlt ihm schon auch soziales Lob
Nun muss er zum “sozialen Amt”
Das hat er vorher nie gekannt

Dort sagt ein Kind von zwanzig Jahren
Sie sind jetzt arm, sie müssen sparen
Jetzt geben sie das Sparbuch aus
Und dann verkaufen sie das Haus

Die Kinder werden nichts mehr erben
Sie warn zu dumm sich zu bewerben
Solang Vermögen er besitzt
Gibts vom Sozialamt erst mal nix

Dann schaun wir was die Kids verdienen
Und holen dann was geht von ihnen
Der Mensch, er kann es gar nicht glauben
Dass sie ihm jetzt die Früchte rauben

Er zahlte doch seitdem er jung
In die Sozialversicherung
Er hat ein Leben lang “geklebt”
Gespart, geackert, nie gelebt

Und könnt er heute nochmal leben
Dann würd er nichts der Kasse geben
Doch meistens lernt man viel zu spät
Brutal ist die Realität
 

NeKu

Mitglied
Na nu sei ma nich empfindlich. Ich meine das doch alles mit einem Augenzwinkern.
Du hast ja Recht. Deshalb habe ich es ja auch geändert. Das meine Güte nehme ich zurück.
Grüssle
 
Dann will ich noch etwas dazu sagen.
Es mag ja für den Busfahrer so sein, doch nicht im Rentenalter
(alt und grau). Er bekommt, wenn er so lange gearbeitet hat,auch eine Rente.
Es sind die, die Hartz 4 bekommen, die vor dem Rentenalter vielleicht entlassen werden.

So, jetzt ist Schluss mit meinen Kommentaren.
Dass dein Gedicht metrisch einwandfrei ist, habe ich ja schon erwähnt.
Gruß,
Marie-Luise
 

NeKu

Mitglied
Hab's gelesen Marie-Luise. Die Bergleute sind ja wirklich sehr gut abgesichert. Selbst bei Arbeitslosigkeit gleift die Rente wenn sie 50 Jahre alt sind und/oder mindestens 25 Jahre gearbeitet haben. Obwohl, wie ich unser Job Center kenne, dann die Rente erst mal angerechnet werden würde. Also für einen Bergmann war mein Gedicht nicht richtig. Wenn ein Busfahrer aber mit 55 geschasst wird, dann fehlen ihm aber noch 10 bis 12 Jahre bis zum Rentenanspruch.
Also:
Du hattest Recht, und ich habe mangels Ahnung den falschen Beruf gewählt.
Gruss
Kurt
 

NeKu

Mitglied
Marie-Luise nimmts ganz genau
Ich mag das ja an dieser Frau
Zwar nervt das auch, und zwar nicht schlecht
doch hat sie letztenendes Recht

Mit einem Schmunzeln schreib ich dann
Dass ich nicht alles wissen kann
Drum war er gut der Kommentar
Ich kann nur lernen, das ist klar

Doch nimm es bitte nicht persönlich
Und sei doch bitte auch versöhnlich
Auch wenn ich den Disput verlor
Ist alles besser mit Humor
 
Ich fühl mich, was denn nun? Geehrt?
Ach nein, ich fühl mich sehr beschwert,
dass ein Gedicht für mich gereimt.
Es ist, glaub ich, nicht ernst gemeint.

In dem Beruf bei BBG,
war`n Akten stets in meiner Näh,
die nur die Bergleute betrafen.
Hab bei der Arbeit nicht geschlafen.

Drum hat der Inhalt, das steht fest,
auch sehr gereizt zu dem Protest.

(BBG= Bergbau-Berufsgenossenschaft.)
 

NeKu

Mitglied
Nein, bitte nicht beschwert fühlen. Ich habs wirklich ernst gemeint.

Was soll ich denn noch tun um die Hand der Versöhnung zu reichen. Jetzt werden sogar meine Beiträge schon ausgeblendet.

Denkt man denn wirklich ich habe das in böser Absicht geschrieben?
 
Liebe Neku,
wenn ich unversöhnlich wäre, hätte ich gar nicht mehr geantwortet.
Dein Gedicht war nicht textbezogen, deshalb wurde es ausgeblendet.
Nimm du es jetzt nicht zu ernst.
Herzliche Grüße,
Marie-Luise
 



 
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