Der Menschenhändler

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Blarks

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Broker742 setzte sich an die Theke. Schon lange handelte er mit Ersatzteilen, egal welcher Art. Maschinenteile, lebende Organe, ab und zu auch mal mit Menschen. Aber die waren ihm suspekt, weil er ihre Software nicht verstand. Aber wenn er gute Ware günstig bekam, dann zögerte er nicht. So wie dieses Mal.

„Was willst du?“, fragte der Barkeeper und ging ein Stück zurück, damit der Steambot Platz hatte. Ein unzufriedener Kunde hatte seinen Dealer dauerhaft deaktiviert. Dass er ein Roboter war, nutzte ihm nun auch nichts mehr. Der ganze Raum stank entsetzlich nach Getriebeöl. Der Steambot reinigte den Fußboden so gut er konnte, machte aber einen fürchterlichen Krach dabei.

„Ach, was soll's. Gib mir erstmal ein großes Quecksilber. Macht die Gelenke geschmeidig … und die Gedanken rutschig.“ Brokers Hand landete mit einem harten metallischen klacken auf dem Tresen.

Broker742 brauchte ein paar Taktzyklen, um neue Pläne zu schmieden. Und bei der Gelegenheit konnte er auch gleich mal nachtanken.
Er nahm die Flasche, drehte sie in seiner mechanischen Hand.

„Hätte ich mir ja denken können, dass da was nicht stimmt …“, murmelte er und goss sich das schwere Metall in seinen Vorratstank.
„Dieser blöde Mensch ist kaputt. Den ganzen Zyklus haben wir ihn mit diversen Kugeln ausprobiert. Manchmal ist ja die Kugel defekt. Aber dieses Mal nicht. Die 150.000 Credits, die ich für ihn bezahlt habe, kann ich wohl abschreiben.“

Er sprach nicht wirklich mit dem Barkeeper, sondern mehr mit sich selbst – eine Eigenheit, die er sich bei den Menschen abgeschaut hatte.
Es war kaum jemand in der Bar. Noch zu früh. Die meisten Fleischsäcke waren schon gegangen. Nur ein paar Synthetische wie er waren noch da und füllten ihre Verbrauchsspeicher auf.

„742, alter Gauner“, tönte es aus der Ecke.

„Was ist denn mit dir passiert? Ist deine Energieversorgung schadhaft? So habe ich dich ja noch nie gesehen.“

Ynnser trat aus dem Dunkel – der kleine Händler mit seinen riesengroßen Ohren und seiner noch größeren Gier.
Wenn er einen anderen Gauner „Gauner“ nannte, war das ein Kompliment.

„Ach, ich sollte wirklich bei meinen Ersatzteilen bleiben. Da kenne ich mich aus. Diese Menschen sind zwar unheimlich profitabel, aber so unlogisch …“

Broker legte seine Stirnkuppel in beide Handflächen. Durch die Kontaktstellen summte ein leises Brummen in seiner Zentraleinheit, wie eine kaputte Brummschleife.
Seine Systeme registrierten eine Verarbeitungsanomalie, die Menschen als ‚Niedergeschlagenheit‘ bezeichnen würden.

Ynnser witterte ein Geschäft, aber er musste mit Bedacht vorgehen, der alte Roboter war schlau, auch wenn er bei weitem nicht so wirkte.

„Du hast mir bei der Sache mit meinem Schwager damals wirklich sehr geholfen – das hier ist meine Gelegenheit, mich zu bedanken. Und noch dazu gratis!
Okay, hör jetzt gut zu und speichere das dauerhaft ab: Ich werde dir jetzt etwas über die Menschen und ihre besonderen Fähigkeiten erzählen.
Wenn du danach immer noch nicht klarer siehst, kannst du deinen Menschen immer noch an den Organhändler verkaufen. Solange er noch lebt, kann ich
dafür sorgen das Jorgul dir einen guten Preis für ihn macht!“

Er gab dem Barkeeper ein Handzeichen, und dieser brachte sofort noch ein Bier für ihn.

„Die meisten Menschen wissen überhaupt nichts von ihren Fähigkeiten. Wenn sie gepflückt werden, sind sie erstmal vollkommen taub und stumm – was ihre telepathischen Fähigkeiten angeht. Warum auch? Die Menschen brauchen untereinander diese Fähigkeit überhaupt nicht. Oder vielleicht haben sie sie einfach verlernt. Hast du je von den 'verlorenen Neun Welten' gehört? Die mit den Grauen handeln, schwören, dort hausen Millionen! MILLIONEN, 742! Nicht mal gezählt, bloß geschätzt! Und alle fleischig, jung, unverbunden... einfach perfekte Rohware! Kannst du dir vorstellen, wie viel Profit sich damit machen ließe?“

Broker742 kalkulierte die Zahlen. Nanokristalline Zahnräder drehten sich in seiner Kuppel.
Mit einem satten <Kring-Kring!> ging ein Ruck durch seinen Körper, seine Augen ploppten erschrocken auf – und er lächelte zum ersten Mal an diesem Tag.
Aber dann klärte sich sein Blick.

„Ach, komm.. Die verlorenen Neun Welten sind ein Mythos. Du weißt genau, dass das romantisch aufbereiteter Kommerzquatsch ist.“

Ein neuer Gast stand im Eingang, er suchte nach etwas, aber die Erwähnung der neun Welten hatte auf jeden Fall sein Interesse geweckt. Scheinbar unauffällig drehte er sich zur Seite, als ob er mit etwas gänzlich anderem beschäftigt wäre. Ynnser bemerkte das sofort aus den Augenwinkeln, mit leicht gesenkter Stimme fuhr er fort, Brokers Einwand ignorierend:

„Ja, da staunst du. Aber jetzt kommt der Kniff:
Wenn sie geerntet wurden, muss man sie eine Weile alleine lassen, damit sich ihre Fähigkeiten entwickeln können. Und sogar danach müssen sie ein wenig trainiert werden.
Das machen normalerweise die Pflücker, weil man die Menschen sonst viel schlechter verkaufen kann. Es gibt manchmal auch welche, die können das sofort nutzen. Aber das
sind nur sehr wenige. Vielleicht ist dein Mensch ja so eine nicht initialisierte Einheit, untrainiert… wer weiß?“

Die Frage, woher dieser Mensch überhaupt stammte, ging ihm kurz durch den Kopf. Aber er wischte den Gedanken schnell wieder beiseite.

Broker742 schöpfte langsam wieder Hoffnung.

„Aber wenn er gar nicht zu aktiveren ist, kannst Du es immer noch mit einer Paarung versuchen. Ein gutes Weibchen bekommst Du schon ab 300.000 Credits.
Ab dann wird’s knifflig: Das menschliche Paarungsverhalten ist primitiv, aber ihre Bindungsprotokolle sind eine hochgradig anspruchsvolle Software, die selbst unter den Menschen bis heute nicht vollständig verstanden wurde. Also, habe ich jedenfalls gehört. Denn dein Paar muss sich wenigstens halbwegs wohl führen. Nicht zu sicher – aber schon wohl genug. Wenn sie eine starke und vor allem stabile emotionale Verbindung aufgebaut haben, kannst Du sie als Paar entweder für eine Million verkaufen, oder für 100.000 pro Lunation vermieten. Ein menschliches Paar kann – verbunden durch das Band der Liebe, über Zeit und Raum mit Hilfe der Kugeln kommunizieren.“

„Ja, und was habe ich davon?“ fragte Broker 742 irritiert. Das mit den Credits klang großartig, aber was sollte ihm die menschliche Romantik nützen?

„Man! Sieh Dich um! Alleine auf dieser Station wirst Du mit Leichtigkeit Abnehmer finden, die großen Wert auf eine abhörsichere und nicht nachverfolgbare Kommunikation legen. Das muss keine Sprach- oder Sichtverbindung sein. Es reicht, wenn der Kunde dem Menschen an einem Ende eine Botschaft ins Ohr flüstert, und der Mensch am anderen Ende sie ausspricht.“

„Das ist genial! Das mache ich! Erzähl mir mehr darüber!“

„Ganz ruhig mein Freund, na klar, ich helfe Dir. Wir werden zusammen eine schöne Behausung, gutes Futter und was man sonst noch so braucht finden und besorgen.
Und das alles für nur 10% vom Profit.“ Ynnser sabberte ein bisschen wie immer, wenn er ein gutes Geschäft witterte.

„Wenn wir Partner sein wollen, musst du Dich aber auch an 10% der Investitionen beteiligen.“

Jetzt ist Broker wieder in seinem Element. Verhandlungen kennen keine Emotionen, keine Überraschungen, keine Unberechenbarkeit.
Hier fühlte er sich sicher. Doch irgendetwas an diesem Deal roch nach mehr als nur Profit. Vielleicht sogar nach Ärger.
 

ARIIOOL

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Hallo Blarks
gute Story. Du erlaubst eine kritische Rückmeldung?
Broker742 setzte sich an die Theke
Finde ich persönlich für den ersten Satz schwach, obwohl das Bild stark ist, was sich aber erst später ergibt.
Schon lange handelte er mit Ersatzteilen, egal welcher Art. Maschinenteile, lebende Organe, ab und zu auch mal mit Menschen
egal welcher zu jeglicher und das Komma weglassen. Menschen als letztes Wort ist stark.
Ein unzufriedener Kunde hatte seinen Dealer dauerhaft deaktiviert. Dass er ein Roboter war, nutzte ihm nun auch nichts mehr.
erzeugt bei mir Verwirrung. Steambot ist ein Putzroboter?
„Ach, was soll's. Gib mir erstmal ein großes Quecksilber. Macht die Gelenke geschmeidig … und die Gedanken rutschig.“ Brokers Hand landete mit einem harten metallischen klacken auf dem Tresen.
richtig gut! hinter harten ein Komma, besser harten weg und Klacken zu Krachen? (wird Großgeschrieben)
Broker742 brauchte ein paar Taktzyklen, um neue Pläne zu schmieden.
Taktzyklen erinnert mich zu sehr an Musik. Vielleicht, weil ich Musiker bin (war). Vielleicht:
Broker742 aktivierte einen freien Speicherbereich, um darin neue Pläne zu schmieden.
Er nahm die Flasche, drehte sie in seiner mechanischen Hand.
Ohne Komma: Er ergriff die Flasche und ließ sie langsam rotieren.
„Hätte ich mir ja denken können, dass da was nicht stimmt …“, murmelte er und goss sich das schwere Metall in seinen Vorratstank.
Cooles Bild, doch ich würde klarer darstellen, dass es Quecksilber ist. Vielleicht ein böses Adjektiv benutzen ;-)
Den ganzen Zyklus haben wir ihn mit diversen Kugeln ausprobiert. Manchmal ist ja die Kugel defekt.
Verwirrend, dein Kopf-Bild kommt bei mir nicht an.
Es war kaum jemand in der Bar. Noch zu früh. Die meisten Fleischsäcke waren schon gegangen. Nur ein paar Synthetische wie er waren noch da und füllten ihre Verbrauchsspeicher auf.
Das könnte man alles in einem melodischen Satz zusammenfassen und mit einem kurzen, angefügten Satz, vielleicht nur drei Wörter, z.B. Endlich frische Luft auflösen.
„742, alter Gauner“, tönte es aus der Ecke.

„Was ist denn mit dir passiert? Ist deine Energieversorgung schadhaft? So habe ich dich ja noch nie gesehen.“

Ynnser trat aus dem Dunkel – der kleine Händler mit seinen riesengroßen Ohren und seiner noch größeren Gier.
Wenn er einen anderen Gauner „Gauner“ nannte, war das ein Kompliment.
Die Leerzeilen sind Geschmackssache, doch im zweiten Satz erkenne ich nicht sofort, wer spricht. Falls der Dialog an aus der Ecke. gefügt wird, klärt sich das.

Wie gesagt, das ist alles von meinem persönlichen Geschmack geprägt, Aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass es hilft, sich beim Schreiben von seinem Kopfkino zu befreien und durch Leserkino zu ersetzen.

Liebe Grüße ARIIOOL
 
Zuletzt bearbeitet:

Blarks

Mitglied
Whow!
Erstmal vielen Dank für Deine kritische Rückmeldung. Ich werde sicher einiges, wenn auch nicht alles davon übernehmen.
Kommata und Rechtschreibung sind mir beim schreiben eher zweitrangig. Da nutze ich dann lieber hinterher Word & KI um
das hinterher auszumerzen.

Aber, was mich viel mehr interessieren würde, wie fandest Du die Story? Du gehst ja nur auf die Fehler ein.
Ich mein, ich finds ja toll, das überhaupt mal einer meinen Kram liest und mir 'ne Rückmeldung gibt die über "nicht schlecht",
oder "gut, schreib weiter" hinausgeht.

Oh, ich sehe gerade ich habe vier Sterne von Dir bekommen. Na, das ist doch was :) Vielen Dank.
Schönen Sonntag noch.
Gruß
Jens
 

marcm200

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Gut geschrieben, und es wäre für mich flüssig lesbar, gäbe es nicht "742". Eine Zahl als Namensteil sieht kurz aus, aber wie liest man es? Zumindest in meinemKopf als "siebenhundertzweiundvierzig" - und das ist sehr lang für einen Namen. Oder ich muss es beim Lesen aktiv überspringen. Beides stört meinen Lesefluss. Zum Schluss hast du den Protagonisten ja einfach "Broker" genannt. Das hätte ich gleich zu Beginn schon so gemacht. Einmal den vollen Namen Broker742, danach nur den Teil ohne Zahl.

Als Einzelgeschichte ist es aber sehr passiv. Zwei Leute sitzen in einer Bar und reden über irgendetwas. Als Teil einer größeren Geschichte wäre es ein Hinführungskapitel, so fand ich es aber zu handlungslos. Ist da mehr geplant? Kapitel davor und danach, und dies hier Teil eines Romans?

Das Setting ist mir nicht klar. Eine Bar in einer Station, das ist sehr rudimentär. Aber vielleicht wurde das ja in früheren Kapiteln beschrieben?

Aber es bietet Raum für weitere Exploration, die über eine reine Unterhaltung hinausgeht.


Schreibfehler:
- "Man! Sieh Dich um!" - nicht doch "Mann!" als Anrede? Oder meinst du hier "Verdammt!"?
- "nicht zu aktiv I eren"
- "muss sich wenigstens halbwegs wohl füh L [ r ] en"
 

Blarks

Mitglied
Hey, vielen Dank für Deine konstriktive Kritik!
Das mit dem 742 stimmt schon irgendwie. Ich hab da nur siebenzweiundvierzig im Kopf. hab ich auf jeden Fall mal geändert.

Und ja, es ist auf jeden Fall nur ein kleiner Teil einer viel größeren Geschichte. Eigentlich wollte ich nur erklären, warum Menschen so wertvoll sind,
aber dann war ich so schön im flow, das 'ne ganze Geschichte draus geworden ist. Deswegen wird vieles, wie zB. die Sache mti den Lernkugeln überhaupt nicht erklärt.

Die große Geschichte "Die verlorenen Neun Welten" hat noch zu viele Bugs, als das ich sie hier online stellen würde. Da bin ich noch bei. Aber vielleicht kommt irgendwann mal das erste Kapitel, wenn ich soweit zufrieden damit bin.

Danke für die Tippfehler!

gruß
Jens
 



 
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