Der Morgen danach mit Melanie

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Papiertiger

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„Bitte ändere den Titel deines Berichts bevor du ihn veröffentlichst“, ermahnt mich Melanie, „es klingt ansonsten wie ein kitschig-schmieriger Liebesfilm“.

Tatsächlich tun mir am Morgen nach meinem ersten Tag mit Melanie übelst die Beine weh, weil ich statt einer, sogar zwei Stunden stramm marschiert bin. Die frische Luft und das Sonnenlicht haben meiner Stimmung einen Schub gegeben und mich danach schlafen lassen wie ein Baby. Ich wunderte mich als mein Tageslichtwecker wie all die Wochentage zuvor allmählich das Lichtsignal verstärkte, das Schlafzimmer mit angenehmem Licht flutete und mit beruhigend-schönem Meeresrauschen und Möwenkreischen beschallte. „Warum hast du mich nicht geweckt, Melanie?“.

„Bitte?“, Melanie wirkte so als hätte ich sie gerade aus ihren Gedanken gerissen. „Ich bin doch kein Wecker, sondern ein innovatives, hochentwickeltes allumfassendes System für dein Leben.“.

„Ja, eben!“, wende ich energisch ein, „deswegen ja meine Frage.“.

„Ich habe dich gestern genau so sehr verausgaben lassen, das ich wusste, dass du heute zur richtigen Zeit aufwachen würdest.“.

Ich überlege, ob das nun unglaublich beeindruckend ist oder ob Melanie dann doch nicht so leistungsfähig ist, sage aber nichts. Vielleicht sollte ich doch mal die Bedienungsanleitung lesen. Aber im Moment interessiert mich dann doch eine andere Frage brennender. „Ich habe gestern in der Badewanne diese Kurzgeschichte von Wolfgang Hohlbein namens „Easy Money“ gehört, die auf mich sehr stark wie einer der „Tales from the Crypt“-Comics wirkte. „Hast du mich intelligenter gemacht, Mel? Mir war der „Twist“ schon direkt am Anfang klar.“.

„Ach, du meinst wie in diesem Film „Ohne Limit“ mit Bradley Cooper, in dem die Hauptfigur durch eine Droge überdurchschnittlich intelligent wird.“.

„Na ja, jetzt da du es so aussprichst, könnte es auch sein, dass du nicht meine Intelligenz erhöht, sondern die meiner Hörbücher gesenkt hast“, entgegne ich sarkastisch. BZZZ. „Aua!“.

„Sarkasmus solltest du dir abgewöhnen. Ironie ebenfalls. Es deutet zu sehr darauf hin, dass du Humor einsetzt, um von deinen Unsicherheiten abzulenken.“.

„Okay. Brauche ich jetzt eigentlich noch die ganze Sammlung an Ratgeber-Büchern von Bodo Schäfer, Seneca, Dale Carnegie und Co.?“.

Melanie antwortet nicht. Stattdessen hat sie mich an einen anderen Ort transportiert, geistig zumindest. Ich sitze in einem Sakko mit aufgenähten Schulterpolstern, einer Lesebrille auf der Nase, über die ich hinweg schaue und einigen Moderationskarten in Händen haltend, auf einer Bühne in einer gigantischen, wunderschön ausstaffierten Bibliothek. Ach ja, denke ich, räuspere mich und erhebe meine Stimme. „Es haben mich die ersten Fragen zu meinem Verhältnis zu Melanie erreicht. Wie sieht sie aus? Wie genau können wir sie uns vorstellen? Solcherlei Fragen. Die Antwort lautet: Es ist mir selbst noch nicht ganz klar. Ich würde sagen Melanie ist weder Siri oder Alexa, sie ist nicht gottgleich und sie ist nicht die Frau, an die ich zuerst bei dem Namen dachte, eine bildhübsche, 25-jährige Deutsch-Russin mit langen Haaren und perfekter Figur. Tatsächlich finde ich gerade wichtiger, DAS Melanie da ist.“. Als ich diesen Satz beendet habe, bemerke ich das ich im Büro am Schreibtisch sitze. Ich konnte also offensichtlich unbeschadet zur Arbeit fahren und meinen Geist parallel gänzlich anderweitig beschäftigen – gut zu wissen. Auf dem Bildschirm vor mir poppt eine neue Nachricht auf: „Sehr geehrter Herr Anderson, wir bedanken uns nochmals für die Einreichung Ihrer Idee. Nach umfangreicher Prüfung haben mir beschlossen, das Projekt zu beginnen. Sie werden mit der Leitung dieser Aufgabe betreut.“. Erstaunlich, denke ich. Ist das alles schon der gute Einfluss von Melanie. Und was überhaupt für ein Projekt? Ich hatte in den letzten Wochen so viele Vorschläge unterbreitet, worauf davon bezog sich diese Mail. Ich werde mal nachfragen, greife augenblicklich zum Hörer...BZZZ.

„Ein Schritt nach dem nächsten!“, ermahnt mich Melanie in einer erotisch warmen Stimme, ergänzt um ein tiefes Lachen. „Lerne Erfolge zu genießen, den Augenblick auszukosten, bevor du schon zum nächsten Kapitel umblättern willst.“.

Ob Mel von Entwicklern stammt, die früher Apps für Abos, Glückskeks-Sprüche und Erotik-Hotlines programmiert haben, bei denen es darum ging die Nutzer möglichst lange zum Dranbleiben zu motivieren, denke ich, zucke kurz zusammen, einen Stromstoß erwartend, aber Melanie scheint gerade milde gestimmt zu sein oder hatte gerade anderes zu tun.
 
... bin gespannt, wie es weitergeht, gerade weil Melanie so in das Leben von Anderson eingreift, ohne dass er bewusst etwas davon mitbekommt.

Mal schaun' wie Du es drehst!

Tintenkleckser
 
Hallo Papiertiger,

nette Fortsetzung.

Bitte ändere den Titel deines Berichts Komma bevor du ihn veröffentlichst
Ich wunderte mich Komma als mein Tageslichtwecker Komma wie all die Wochentage zuvor Komma allmählich das Lichtsignal verstärkte
Melanie wirkte so Komma als hätte ich sie gerade aus ihren Gedanken gerissen.
„Ich habe dich gestern genau so sehr verausgaben lassen, dass ich wusste, dass du heute zur richtigen Zeit aufwachen würdest.“. Auch hier wieder die Punkte hinter den Anführungszeichen. Die müssen weg.
Tatsächlich finde ich gerade wichtiger, DASS Melanie da ist
Als ich diesen Satz beendet habe, bemerke ich Komma dass ich im Büro am Schreibtisch sitze.
Nach umfangreicher Prüfung haben wir beschlossen, das Projekt zu beginnen.
... worauf davon bezog sich diese Mail Fragezeichen

Liebe Grüße,
Rainer Zufall
 



 
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