Gerd Geiser
Mitglied
Das Märchen vom siebten Sack
Es war einmal ein frommer Müller, der betrieb sein Handwerk so, wie er es von seinem Vater, seinem Großvater und all seinen Vorvätern gelernt hatte. Und weil er die Flügel seiner Windmühle immer nach dem Wind ausrichtete, hatte er ein gutes Auskommen.
War nun sein Tagwerk vollbracht, setzte er sich hinter die Scheibe seiner Mühlenkammer und schaute in die Ferne. Da die Scheibe aber ganz und gar mit Mehlstaub bedeckt war, fragte er sich immer, wie es in der Ferne wohl aussehen würde.
Nun hatte der Müller sieben Mehlsäcke und zwei junge Töchter. Mit der einen verhielt es sich so, dass sie weder Augen noch Ohren besaß. Wegen ihrer goldgelben Zöpfe, die in der Sonne wie Haferähren leuchteten, nannten die Leute sie Blondschopf. Doch fehlten ihr sämtliche wichtigen Lebensorgane und überdies alle weiteren, die ja nicht minder lebenswichtig sind. Da sie auch keine Arme und Beine besaß, ja nicht einmal einen Rücken mit einem Bauch davor und einem Hals darauf, schon garnicht einen Kopf, auf dem hätten Haare wachsen können, hießen die Leute sie zu Unrecht Blondschopf. Und zog man alle Umstände in Betracht und sah ganz genau hin, musste man wohl sagen, dass der Müller eigentlich nur eine Tochter sein eigen nannte. Diese aber hieß Mehlanie und war ganz und gar weiß im Gesicht und auch sonst überall. Deshalb blieb ihr nichts anderes übrig, als sich in einem der Mehlsäcke zu verstecken, wenn ein junger Bauernbursche sein Korn dem Müller zum Mahlen brachte.
Einmal geschah es, dass der Müller einem Burschen aus Versehen den Sack mit seiner Tochter aufs Pferd schnürte und ihm diesen mit gab. Als er seinen Irrtum bemerkte, band der Müller vor lauter Gram einen Mühlstein um den eigenen Hals, setzte sich hinter das blinde Fenster, wurde mehlancholisch und wollte gar nicht mehr leben. Dort saß er nun die ganze Nacht und schlief endlich ein.
Am folgenden Morgen saß er noch immer vor seinem Fenster. Als die Putzfrau seine Kammer betrat und ihn so erblickte, mit dem Mühlstein um seinen Hals und den Blick auf die erblindete Scheibe gerichtet, schämte sie sich und versprach, in Zukunft ordentlicher zu putzen. Doch konnte das den Verlust seiner Tochter nicht in Gold aufwiegen.
Die Tochter aber war in der gleichen Nacht aus ihrem Mehlsack gekrochen und hatte sich zu dem jungen Burschen ins Bett gelegt, was diesem sehr gefiel. Sogleich vermehlten sie sich und nach neun Monaten schenkte Gott ihnen ein Töchterlein, das sie Mehlissa nannten. Als der alte Müller davon erfuhr, konnte er wieder lachen. Der Mühlstein fiel ihm vom Hals und zersprang in tausend Stücke. Doch weil sich jetzt kein Korn mehr mahlen ließ, zog er zu seiner Tochter und seinem Schwiegersohn auf den Bauernhof. Und wenn er nicht gestorben ist, geht er ihnen noch heute auf den Sack.
Es war einmal ein frommer Müller, der betrieb sein Handwerk so, wie er es von seinem Vater, seinem Großvater und all seinen Vorvätern gelernt hatte. Und weil er die Flügel seiner Windmühle immer nach dem Wind ausrichtete, hatte er ein gutes Auskommen.
War nun sein Tagwerk vollbracht, setzte er sich hinter die Scheibe seiner Mühlenkammer und schaute in die Ferne. Da die Scheibe aber ganz und gar mit Mehlstaub bedeckt war, fragte er sich immer, wie es in der Ferne wohl aussehen würde.
Nun hatte der Müller sieben Mehlsäcke und zwei junge Töchter. Mit der einen verhielt es sich so, dass sie weder Augen noch Ohren besaß. Wegen ihrer goldgelben Zöpfe, die in der Sonne wie Haferähren leuchteten, nannten die Leute sie Blondschopf. Doch fehlten ihr sämtliche wichtigen Lebensorgane und überdies alle weiteren, die ja nicht minder lebenswichtig sind. Da sie auch keine Arme und Beine besaß, ja nicht einmal einen Rücken mit einem Bauch davor und einem Hals darauf, schon garnicht einen Kopf, auf dem hätten Haare wachsen können, hießen die Leute sie zu Unrecht Blondschopf. Und zog man alle Umstände in Betracht und sah ganz genau hin, musste man wohl sagen, dass der Müller eigentlich nur eine Tochter sein eigen nannte. Diese aber hieß Mehlanie und war ganz und gar weiß im Gesicht und auch sonst überall. Deshalb blieb ihr nichts anderes übrig, als sich in einem der Mehlsäcke zu verstecken, wenn ein junger Bauernbursche sein Korn dem Müller zum Mahlen brachte.
Einmal geschah es, dass der Müller einem Burschen aus Versehen den Sack mit seiner Tochter aufs Pferd schnürte und ihm diesen mit gab. Als er seinen Irrtum bemerkte, band der Müller vor lauter Gram einen Mühlstein um den eigenen Hals, setzte sich hinter das blinde Fenster, wurde mehlancholisch und wollte gar nicht mehr leben. Dort saß er nun die ganze Nacht und schlief endlich ein.
Am folgenden Morgen saß er noch immer vor seinem Fenster. Als die Putzfrau seine Kammer betrat und ihn so erblickte, mit dem Mühlstein um seinen Hals und den Blick auf die erblindete Scheibe gerichtet, schämte sie sich und versprach, in Zukunft ordentlicher zu putzen. Doch konnte das den Verlust seiner Tochter nicht in Gold aufwiegen.
Die Tochter aber war in der gleichen Nacht aus ihrem Mehlsack gekrochen und hatte sich zu dem jungen Burschen ins Bett gelegt, was diesem sehr gefiel. Sogleich vermehlten sie sich und nach neun Monaten schenkte Gott ihnen ein Töchterlein, das sie Mehlissa nannten. Als der alte Müller davon erfuhr, konnte er wieder lachen. Der Mühlstein fiel ihm vom Hals und zersprang in tausend Stücke. Doch weil sich jetzt kein Korn mehr mahlen ließ, zog er zu seiner Tochter und seinem Schwiegersohn auf den Bauernhof. Und wenn er nicht gestorben ist, geht er ihnen noch heute auf den Sack.