Der Muschelwettbewerb

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VeraL

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„Aua. Autsch.“ Mia quietschte, weil ihr der Wind feine Sandkörner ins Gesicht blies. Sie rannte los, wollte schnell von der Düne an den Strand kommen. Ihre Eltern blieben bei ihrem kleinen Bruder Mats, der in seinen neuen Gummistiefeln durch den Sand tapste. Im Windschatten des Restaurants hielt Mia an und zog einen zerknitterten Zettel aus der Tasche „Großer Muschelwettbewerb am Dienstag um sieben“ stand in bunten Buchstaben darauf. „Prämiert werden die größte und die schönste Muschel. Der Gewinn ist eine Überraschungsschatzkiste.“ Man durfte nur mit Muscheln teilnehmen, die man hier am Strand in diesen Ferien gefunden hatte. Mia träumte davon, den Wettbewerb zu gewinnen.

Mia liebte Muscheln. Wenn sie eine aufhob pustete sie vorsichtig den Sand ab und strich mit dem Finger über die glatte oder raue Schale. In ihrem Eimer lag schon ein kleiner Haufen.
„Hast du schon etwas Gutes gefunden, Schatz?“ Ihre Mutter holte sie ein.
„Ja, ein paar schöne Herzmuscheln und hier diese Miesmuscheln. Leider sind sie etwas kaputt.“
Mama bewunderte ihre Funde. „Meinst du es reicht für den ersten Platz?“
„Ich weiß nicht genau. Ida aus dem Ferienhaus neben uns hat gestern eine riesige Auster gefunden. Und wunderschöne rosa Plattmuscheln. Da können meine nicht mithalten.“
„Du findest bestimmt noch etwas. Jetzt komm zurück zu uns und iss ein Brot.“

Mia lief zu der Sandburg, die Papa mit Mats baute. Dabei zeichnete sie mit der Spitze ihres Stiefels kleine Bögen in den Matsch, die sofort wieder von den Wellen weggespült wurden. Neben ihrem Schuh blinkte etwas auf. Mia hob den kleinen Gegenstand auf. Es war eine Münze. Wo kam die denn her? Ein Euro- oder Centstück war es nicht. Vielleicht kam sie aus einem anderen Land, ganz weit weg. Sie könnte von einem Schiff gefallen sein.
„Papa, schau mal. Ich hab eine Münze gefunden. Vielleicht ist sie wertvoll?“ Mia drückte ihrem Papa das Geldstück in die Hand.
Ihr Vater betrachtete die Münze vorsichtig von allen Seiten. „So eine hab ich noch nie gesehen. Aber ich glaube nicht, dass sie wertvoll ist. Behalt sie einfach als Andenken.“
Mia steckte sie in ihre Hosentasche und nahm sich ein Brot. In dem Momet spürte sie Regentropfen im Gesicht.
Mama zückte ihr Smartphone. „Die App sagt, es soll weiterregnen. Lasst uns heute Nachmittag lieber etwas anderes machen.“
„Wie wäre es mit dem Inselmuseum?“, schlug Papa vor.
„Au ja, da gibt es riesige Walknochen.“ Mats war gleich begeistert.
„Aber ich wollte Muscheln sammeln. Morgen ist doch der Wettbewerb.“
Es half nichts. Der Familienrat hatte Mia überstimmt. Ihre gute Laune war dahin. Jetzt würde Ida bestimmt gewinnen.

Das Museum befand sich in einem alten Haus mit einem Reetdach. Normalerweise fand Mia diese Häuser toll. Sie wollte ihre Dächer streicheln, weil sie aussahen wie große Katzen. Doch heute war ihr das Haus und der ganze alte Kram egal. Sie konnte nur an die vielen Muscheln denken, die sich jetzt nicht sammeln konnte.
Papa rief vom Eingang her. „Kommt her. Herr Sörensen will uns das Museum zeigen.“ Neben Papa stand ein älterer Mann, der wie ein typischer Seebär mit langem Bart und Ringelshirt aussah.
Mia, Mama und Mats folgten den beiden Männern in einen Raum, der voll mit Vitrinen war. Darin lagen Schüsseln und Metallstücke.
„Die Sachen sind alle kaputt. Und ich seh keinen Wal.“ Mats sprang um die Vitrinen herum.
Herr Sörensen lachte. „Die Sachen sind kaputt, weil sie schon so alt sind. Wir sind froh, dass es sie überhaupt noch gibt. Viele von diesen Dingen stammen aus Städten, die bei großen Fluten im Meer versunken sind.“
Ganze Städte? Unter dem Wasser. Mia staunte. Sie stellte sich vor, dass im Wasser unter der Fähre, mit der sie auf die Insel gekommen waren, Häuser standen. Ein bisschen gruselig war das schon.
Während die Eltern mit Mats den Wal suchten, blieb Mia in dem Raum mit den Vitrinen. Sie schaute alles ganz genau an und plötzlich hatte sie eine Idee.


„Herr Sörensen, kann ich sie was fragen?“
Sie zeigte ihm die Münze. Herr Sörensen war begeistert. „Die sieht wirklich alt aus. Ich muss nachschlagen, dann kann ich dir sagen, woher sie stammt.“
In seinem Büro hatte er ein dickes Buch mit vielen Münzen. Gemeinsam schauten sie nach, welche es sein könnte.
„Da, ich glaube, die ist es.“
„Ja, du hast Recht. Über 200 Jahre ist sie alt. Es könnte gut sein, dass sie bei einer der Fluten ins Meer gespült wurde.“
Herr Sörensen sah sie an. „Du scheinst dich über deinen tollen Fund nicht sehr zu freuen.“
Mia schüttelte traurig den Kopf. „Eigentlich wollte ich super Muscheln finden. Für den Wettbewerb morgen.“
Der alte Mann betrachtete sie nachdenklich. „Weil du so eine aufmerksame Sucherin bist, gebe ich dir einen Tipp. Die besten Muscheln findest du am Strand hinter dem alten Leuchtturm. Heute Abend ist Sturm vorhergesagt. Dann werden sie an den Strand gespült. Aber du musst früh aufstehen und vor der nächsten Flut suchen.“

Die nächste Flut war schon um fünf Uhr morgens. So früh würden Mama und Papa nie mit ihr an den Strand gehen. Aber Mia hatte ihren eigenen Wecker. Als er klingelte, war es noch stockdunkel. Leise zog Mia sich an und schlich aus dem Haus. Das Licht des Leuchtturms streifte sie. Mia bekam eine Gänsehaut. Vielleicht war das doch keine gute Idee. Aber sie dachte an das Überraschungsschatzkästchen und lief weiter. Am Strand war es etwas heller, aber Muscheln konnte sie nicht erkennen. Zum Glück hatte sie ihre Taschenlampe dabei. Im Lichtkegel sah sie die Wellen, die über ihre Gummistiefel spülten. Immer noch keine Muscheln. Hatte Herr Sörensen ihr Quatsch erzählt?
Mia hatte keine Zeit mehr. Es wurde langsam hell und wenn Mama und Papa merkten, dass sie heimlich weggelaufen war, würde es einen riesigen Krach geben. Traurig drehte sie um. Da knirschte es unter ihren Füßen. Sie war in einen großen Muschelhaufen getreten. Selbst mit Taschenlampe war es zu dunkel, um zu erkennen, ob die Muscheln hübsch genug waren. Trotzdem legte Mia sie in ihren Eimer und rannte zurück.

Am nächsten Tag breitete Mia ihre Muscheln auf einem kleinen Tisch aus und zappelte nervös hin und her. Es dauerte ewig, bis die Jury endlich zur ihr kam. Die Frau vom Tourismusbüro machte sich Notizen auf einem Klemmbrett. Dann war es endlich so weit. Die Frau trat ans Mirko und verkündete: „Der Preis für die größte Muschel geht an Ida Welbers für ihre Auster.“
Ida ging stolz nach vorne und nahm das erste Schatzkästchen in Empfang. Mia hielt die Luft an. Die Frau griff wieder zum Mirko: „Der Preis für die schönste Muschel geht an Mia Westfahl für ihre Plattmuschel.“
Alle klatschten und Mia ging stolz nach vorne.
„Siehst du, du musstest gar nicht länger suchen. Gut, dass wir gestern noch im Museum waren.“, sagte Papa.
Wenn der wüsste.
 
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molly

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Hallo Veral,

Muscheln suchen, welches Kind mag das nicht. Wenn es dabei sogar ein Schatzkästchen zu gewinnen gibt, wird daraus ein richtiges Abenteuer. Spannend geschrieben mit einem Ende, über das ich sehr schmunzelte. Was ist wohl aus der wertvollen Münze geworden?
Noch eine Kleinigkeit:
" ein typischer Seebär" Wie sieht der aus? Erklärung für Kinder wäre schön,
"In seinem Büro hatte er Sörensen ein dickes Buch". "Im Lichtkegel sah sie, die Wellen, die über ihre Gummistiefel"

Liebe Grüße
molly
 
G

Gelöschtes Mitglied 23708

Gast
Hallo VeraL, mir hat deine Geschichte ausgeprochen gut gefallen. ich habe als Kind auch immer Muscheln gesucht. Ein sehr schönes Ende!
 
Hallo VeraL,

hat mir gut gefallen. Eine schöne Geschichte für Kinder.
Ein paar RS-Fehler u.ä. habe ich gesehen, finde sie jetzt aber nicht wieder.

Schöne Atmosphäre, gute Figuren.

Schönen Sonntag und liebe Grüße,
Franklyn
 



 
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