der objektive standpunkt und ich

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ein sommer vor ein paar jahren
der kleiner laden für antiquitäten
in einer der gassen von buenos aires
und dort fand ich gut versteckt
den objektiven standpunkt

in einer kiste mit muschelschalen
lag er neben dem glasperlenspiel
ganz unscheinbar
doch unverkennbar

ich betrachtete ihn verzückt
dann schob ich ihn im kistchen
zwischen die regale und verließ
laden stadt und land

den weg zurück würd
ich wohl nicht mehr finden
aber freundlich lächle ich
wenn einer seine wahrheit mir
unumstößlich präsentiert
 
Zuletzt bearbeitet:

petrasmiles

Mitglied
Ein sehr schönes Gedicht, ja, es gibt so viele objektive Standpunkte wie subjektive, und damit wäre jeder objektive gleichfalls ein subjektiver - gut, dass Du ihn versteckt hast :)

Liebe Grüße
Petra
 

trivial

Mitglied
Liebe Charlotte,

ich hatte mal versucht ihn nachzubilden, da ich dachte, das Original wäre verschollen oder zumindestens in irgendeinem Krieg abhanden gekommen. Ich denke es ist mir beinahe gelungen. Zu 99,9% sah er aus, wie ich mir das Original vorgestellt hatte und geschimmert hat er fast genauso. Das Problem war nur, um ihn einzunehmen musste ich eine so unnatürlich Haltung annehmen, eine Art außerkörperliches nach innen verdrehen, ein extensives intensivieren, dass ich mich nicht mehr bewegen konnte, selbst die Zunge verkrampfte dabei. Ich musste Luft und Gedanken anhalten, um nicht aus dem Gleichgewicht zu kommen und nach rechts oder links, nach vorne oder hinten rüber zu fallen, meist sogar alles gleichzeitig. Außerdem hielt er sich nicht besonders lang, um genau zu sein, gar nicht. Weshalb ich ihn außerhalb von Raum und Zeit aufbewahrte. Ich denke, da habe ich ihn dann auch verloren.

Aber schön, dass das Original doch nochmal aufgetaucht ist und dann ausgerechnet in Argentinien. Wer ihn da wohl verloren, vergessen oder zurückgelassen hat?

Liebe Grüße
R
 
lieber R,
vielen dank. ich sammle ja vorstellungen vom objektiven standpunkt und würde deine gern aufnehmen.
es gibt da sehr viele, aber nur wenige sind yogatechnisch so interessant wie deiner.
da ich den objektiven standpunkt gesehen habe, muss ich allerdings sagen, dass keine der vorstellungen,
die ich bisher zur kenntnis bekommen habe, auch nur annähernd richtig sind. ja, selbst meine eigene war
vollkommen falsch.
warum in argentinien, ist auch eine gute frage. es gibt darauf auch einige antworten. sogar einige objektive.
aber die wirklich objektive antwort liegt natürlich in argentinien.
liebe grüße von der imaginären
charlotte
 

HerrKind

Mitglied
Lieber schwarzer lavendel,

dein Gedicht ist sehr kreativ, besonders durch diesen fast prosaischen Hintergrund. Ich meine, schon allein diese paar Worte – die Gassen von Buenos Aires und die Kiste mit Muschelschalen – wirken irgendwie abenteuerlich und gleichzeitig alltäglich. Und dann der 'objektive Standpunkt'... wow! Besonders interessant finde ich die spezielle Mischung aus Selbstironie und einem Hauch von Tiefe...

Liebe Grüße
Kind
 

anbas

Mitglied
Hallo Charlotte,

gern gelesen - wobei ich häufiger mal froh wäre, wenn ich überhaupt einen Standpunkt für mich finden würde ... ;)

Liebe Grüße

Andreas
 

mondnein

Mitglied
"objektive Standpunkte", liebe Charlotte,

sind einerseits ein Widerspruch in sich, denn in dem Moment, wo ich einen Standpunkt einnehme, habe ich eine subjektive Perspektive, und solange keiner meinen Kopf besetzt und durch meine Augen schaut, unterscheiden sich die Standpunkte, während wir uns über dreidimensionale Objekte ganz passend auszutauschen pflegen, wenn die sich nicht in dem Moment ändern, wenn wir herumgehen und die Dinge von verschiedenen Seiten betrachten;

andererseits ist der "objektive Standpunkt" immer der eigene. Wessen denn sonst?

dritterseits gewinnen die Gesprächspartner Objektivität, die sich auf ihr Gegenüber einlassen, was ja in jedem Gespräch geschieht, selbst wenn sich zwei in der gleichen Sprache streiten. Sie wechseln, wenn sie versuchen, einander zu überzeugen, die Standpunkte, und erst dadurch wird die Dreidimensionalität des zweidimensional Gesehenen deutlicher.

grusz, hansz
 
lieber hansz,
descartes hat ja sogar zwei objektive standpunkte gefunden. die kant ihm wieder weggenommen hat, was natürlich traurig, aber notwendig war.

die idee der vielen objektiven standpunkte finde ich überzeugend. würde die welt(en) ganz gut erklären.

und der rest klingt für mich nach platon.
den ich ja verehre.
und wittgenstein. den ich ja fast ein bisschen liebe.
objektiv bist du, wenn du nach den spielregeln spielst.

aber der objektive standpunkt, den ich da in argentinien gefunden hatte, war so objektiv objektiv wie der, auf dem friedrich merz steht, es diesem zu sein scheint. (mir fallen noch ein paar mehr ein, über die ich freundlich lächle.)

es ist immer bereichernd, deine kommentare zu lesen. danke!
liebe grüße
charlotte
 



 
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