Der Prominente

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Er stand auf dem Laufsteg und winkte in die Kameras, die alle auf ihn gerichtet waren. Unter ihm lag ein roter Teppich, um ihn herum liefen vier Securities. Sein Lächeln war wie aus dem Bilderbuch, seine Zähne blitzeweiß, sein Kinn hochgezogen, sein Gang stolz. Manche hatten mehrere Tage am Studiogebäude gezeltet, aus dem er schritt, nur um ihn eine Minute dabei zu erleben, wie er über den Teppich in seine protzige Limousine ging. Er war der prominenteste unter allen Prominenten in Los Angeles. Man konnte zwölf Sterne mit seinem Namen auf dem „Walk of Fame“ finden – mit dem Titel „Bester Prominenter“. Im Studiogebäude, aus dem er über den Teppich gelaufen ist, gab er zuvor ein Interview. Die Interviewerin, die sich mit dem Star auf ein Sofa gefläzt hatte, um ein Gefühl von „Zuhause“ zu geben, hatte ihn gefragt: „Wie erklären sie sich ihren großen Erfolg?“ Er hatte nur sein Kinn gehoben und gelächelt und das ganze Studio hatte applaudiert. Die Frage war damit beantwortet gewesen. Nun stieg er in seine Luxus-Limousine ein. Drei junge Frauen hatten sich schon in diese geschlichen, zwei schmiss er hochkant heraus, die Hübscheste ließ er drin. „Was findest du denn eindrucksvoll an mir? Meinen Ruhm?“, fragte er sie. Sie antwortete: „Nein, dein Talent ruhmreich zu sein.“
 
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Hans Dotterich

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Eine gut gebaute Story, knapp und präzise zur Pointe hochgefahren! Sogar ich, ein Leser, glaube am Ende dem Prominenten seinen Ruhm.

Eine Kleinigkeit ist mir aufgefallen: der letzte Satz. Würde der nicht besser ins Passiv gesetzt? Zum Beipiel: "...für ruhmreich gehalten zu werden." Oder so ähnlich. Bin nicht sicher, ob es eine noch präzisere Formulierung gibt. Das Passiv würde so einem Erzprominenten nach meinem Gefühl noch besser zu Gesicht stehen.

Grüße

Hans
 

aliceg

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"...für ruhmreich gehalten zu werden."
fände ich nicht so gut, denn sie sieht vermutlich nur darin sein 'Talent'.
Wenn man den Satz weiterdenkt, hätte er sich sicherlich eine andere Antwort erwartet, aber eigentlich hatte er sie durch seine Fragestellung (unbeabsichtigt) ausgelöst.

Viel Psychologie in wenigen Zeilen supergut verpackt!

lg aliceg
 

Hans Dotterich

Mitglied
...
fände ich nicht so gut, denn sie sieht vermutlich nur darin sein 'Talent'.
Wenn man den Satz weiterdenkt, hätte er sich sicherlich eine andere Antwort erwartet, aber eigentlich hatte er sie durch seine Fragestellung (unbeabsichtigt) ausgelöst.
...
Ja, ich verstehe Deinen Punkt. Der Promi verrät sich durch seine Frage selbst ein wenig: "...Meinen Ruhm?". Wieso betrachtet er den als seine Leistung? Andererseits, ist es nicht das Wesen des Promis, das zu glauben? Wenn man die Antwort der Frau ins Passiv setzt, dann leuchtet eine vielleicht etwas "undiplomatische" Kritik am Ego des Promis hindurch. Das ist, ja, nicht so einfach zu dosieren.

Solche Texte machen Spaß, keine Frage!

Grüße

Hans
 



 
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