der schrecklichste tag in meinem leben

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
Der schlimmste Tag meines Lebens

Heute ging in der Schule alles schief. Mein Computer stürzte mehrmals ab und fast jede Frage beantwortete ich falsch. Mein Kugelschreiber hatte plötzlich keine Tinte mehr und mein Butterbrot hinterließ einen dicken Fettfleck auf meinem Ordner. Am Schulschluß über-gab mir eine gute Bekannte meine Enkeltochter, ich soll auf sie aufpassen. Vor Schreck fiel mir meine Tasche aus der Hand (ich hatte nicht gewußt, daß ausgerechnet heute diese Ehre an mich fiel) und der Inhalt verstreute sich über die Treppe. Meine Enkelin lachte schadenfroh und half nicht beim Einsammeln. Geduldig hob ich alles auf und fuhr mit Anne zur Kaufhalle. Ich wollte mich bevorraten und hatte bald den Wagen recht voll. An der Kasse ergab es sich, daß meine Scheinchen nicht reichten, aber ich konnte die fehlende Summe in Hartgeld auf-bringen. Möchte nicht wissen, wie lange ich Groschen, Sechser und Pfennige zählte, bis die Verkäuferin zufrieden war. Hastig begann ich, die Waren einzupacken. Natürlich fiel ausge-rechnet die Weißkäseschachtel runter und zerplatzte. Den Quark konnte ich vergessen. Als nächstes verschob sich der Deckel von der Fleischsalatschachtel und die dreckigen Radies-chen stippten hinein. Die Waren des nachfolgenden Kunden drückten meinen Schrippenbeutel vom Band – jetzt durfte ich Brötchen essen, die auf dem Fußboden gelegen hatten! Zuletzt stellte sich auch noch heraus, daß meine Beutel nicht reichten, um alles einzupacken. Eine junge Frau hatte mein Dilemma beobachtet und schenkte mir eine Einkaufstüte. Erleichtert hoffte ich, daß der Tag von nun an besser wird. Mühselig keuchte ich die drei Treppen zu meiner Wohnung hinauf. Kaum hatte ich die Tür aufgeschlossen, empfing mich ein beißender Geruch. Ich stürmte in die Küche – das Fenster war geöffnet und nicht ein Möbelstück war zu sehen, nicht einmal der Kochherd stand noch an seinem Fleck. Stattdessen war ein fast meter-breiter Streifen bräunlicher Flüssigkeit an der Wand entlang auf dem Fußboden. „Aha“, dachte ich, „das ist endlich das versprochene Desinfektionsmittel, welches das Ungeziefer dauerhaft forthalten soll.“ Na schön, aber wo waren meine Möbel? Eigentlich ging es mir gar nicht so sehr um die Möbel als vielmehr um deren Inhalt: Bücher, Fotoalben, die Locke meines Sohnes und meine Kleider.
In der Stube meiner Tochter bot sich das gleiche Bild wie in der Küche, im Wohnzim-mer ebenso. Also hin zur großen Stube. Die war von innen abgeschlossen. Ich sah, daß der Metallstift nicht in der Bodenleiste eingerastet war, so konnte ich die Flügeltür mit einem kräftigen Ruck aufstoßen. Hier standen ein paar Möbel, aber es waren nicht meine. Noch mehr erstaunte mich der Anblick einer griechischen Großfamilie, die mitten in meinem Bal-konzimmer einen Grill aufgestellt hatte und gut gewürztes Schaschlyk aß. Lange Zwiebel- und Knoblauchzöpfe hingen an der Wand neben etlichen getrockneten Würzkräutern. Die niedlichen Kinder hatten sich samt ihrer anmutigen Mutter bei meinem Erscheinen auf den Balkon geflüchtet, die beiden ehrwürdigen Greise sogen an ihren Tabakspfeifen, der junge Mann sah mich mit seinen wunderschönen großen braunen Augen flehend an – das alles machte mir klar, daß ich illegale Einwanderer vor mir hatte. Ich fragte: „Wie heißt ihr?“ und bekam keine Antwort. Ich wiederholte die Frage und endlich sagte eine der beiden älteren Frauen: „Das möchten wir nicht sagen. Wir haben Angst vor Polizei.“ Ich versicherte, daß ich nicht zur Polizei gehe und auch nicht von der Polizei bin und bat, sie sollten sich einen Namen ausdenken, damit ich weiß, wie ich sie anreden kann. Natürlich nannte ich auch meinen Namen. Nun klappte es. Ich erfuhr, daß sie ihr letztes Geld hingegeben hatten für den Schlüssel zu dieser Wohnung. Mir war klar, daß einer der Handwerker diese Gemeinheit begangen haben mußte. Ich wollte wissen, wo meine Möbel sind, aber das wußten die Griechen nicht. Ich erklärte ihnen, daß sie nichts von der Polizei zu befürchten haben und gern in dieser Stube bleiben können, bis sie etwas Besseres gefunden haben. Aber den Schuft wollte ich nicht ungestraft davonkommen lassen. Ich fand die Firma heraus, die das Gift in meiner Wohnung verstrichen hatte. Leider war der Täter nicht mehr dort beschäftigt. Von meinen Möbeln fehlte auch jede Spur.
Meine Tochter und meine Enkelin freundeten sich rasch mit den Griechen an und bald kannten wir ihre richtigen Namen. Wir begannen, ihr Essen zu lieben und lebten sehr lange in Frieden miteinander.
 
E

ElsaLaska

Gast
flammarion, ich liebe solche geschichten,

ich weiss nicht, ob du dich noch an meine elsa-bert-und-die-karawane-der-idioten-geschichte erinnerst, du hattest damals geantwortet. da gings ähnlich zu.
was mich verwirrt hat, ist der anfang. erst sitzt du in der schule, dann musst du auf deine enkelin aufpassen?
ein bisschen verwirrend ist das schon.
auch bin ich zum einem grossen teil mit deinem schreibstil nicht zufrieden, wie ich zugeben muss. es sind wunderbare sätze drin, die mir ausserordentlich gut gefallen, aber dann wieder welche, die ich als "schlecht" empfinde.
für die idee würde ich dir gerne 8 punkte geben, aber an der umsetzung solltest du noch ein bisschen arbeiten.
deshalb gibts nur 5.
gesteht dir freundlich grüssend
die elsa
 

visco

Mitglied
Hallo flammarion!

Ich will dir nicht einfach nur eine "2" verpassen, ohne dir zu begründen, warum.

Es beginnt damit, daß es offensichtlich zwei Titel gibt: "Der schrecklichste Tag in meinem Leben" (den ich aufgerufen habe) und "Der schlimmste Tag meines Lebens" (gemäß Überschrift deiner Geschichte).
Zwischen "schrecklich" und "schlimm" besteht meines Erachtens ein gewaltiger Unterschied. Die gleichzeitige Verwendung beider Umschreibungen für dasselbe Thema erweckt den Eindruck, als wärst du dir bezüglich dessen selber nicht so ganz sicher.
Ich persönlich bin der Auffassung, daß keiner der beiden Titel zu der Geschichte paßt.

Meines Erachtens gelingt es dir weder durch den bis kurz vor Ende eher als banal zu bezeichnenden Inhalt noch durch den wenig ansprechenden Erzählstil, den Leser zum Weiterlesen zu ermuntern.
Wäre dies kein Diskussionsforum, in dem Hobbyautoren ihre Arbeiten nur deshalb einbringen, um von anderen rezensiert zu werden, hätte ich nach "Hastig begann ich, die Waren einzupacken." nicht weitergelesen.

Insgesamt war ich enttäuscht. Es ist für mich nicht nachvollziehbar, inwiefern dies der "schrecklichste" oder "schlimmste" Tag im Leben eines Menschen gewesen sein soll (das muß ansonsten ein sehr glücklicher Mensch sein!), insbesondere deswegen nicht, da die Ereignisse in "Freundschaft", "Liebe" und "Frieden" münden.

Von vorne:
Nach der Überschrift beziehen sich die ersten Sätze auf einen Tag in der Schule. Nahtlos wechselt jedoch die Szenerie zunächst zu einer Kaufhalle und dann zur Privatwohnung. Schon in der Kaufhalle fragt man sich, wozu die nebensächlichen Alltagsgeschehnisse in der Schule überhaupt erwähnt wurden. Man schließt unwillkürlich auf die Enkelin (die übrigens "nach" und nicht "am" Schulschluß übergeben wurde, sofern man hier überhaupt von "übergeben" sprechen sollte), die dann allerdings und zur allgemeinen Enttäuschung für den weiteren Verlauf der Handlung keinerlei Rolle spielt.
Das Vorfinden einer leer geräumten Wohnung, wie es hier beschrieben ist, halte ich für unglaubwürdig. Das gleiche gilt für die Reaktion des Ich-Erzählers. Und wo ist die Enkelin?
Erst jetzt scheint es etwas interessanter zu werden. Auch der Erzählstil gewinnt nun an Qualität. Ohne nähere Angaben zu der Person des Ich-Erzählers ist seine Reaktion auf die Fremden in seiner Wohnung, die sich dort häuslich niedergelassen zu haben scheinen, allerdings für mich nicht nachvollziehbar. Aus welchem Grund empfindet er so große Sympathie für "illegale Einwanderer", daß er sie in seiner Wohnung duldet, obwohl er sich damit strafbar macht? Wieso Griechen? Hat der Ich-Erzähler schon andere Erfahrungen mit der Einwanderungsproblematik gemacht? War er schon einmal davon betroffen? Hat er Schuldgefühle aufgrund eines früheren Verhaltens? Das alles sind Fragen, die mir durch den Kopf gingen. Der Text bietet jedoch keinerlei Anhaltspunkte. Was bleibt, sind Lücken, deren Füllung meiner Meinung nach wesentlich interessanter gewesen wäre als der zum Ende in keinerlei Zusammenhang stehende Anfang der Geschichte.

Bitte schreibe die Geschichte neu. Erzähle uns mehr über den Ich-Erzähler, aber nicht, wie er am Einkaufsband mit seinen Münzen hadert, sondern was er für ein Mensch ist. Er hat doch sicher eine Vergangenheit, Vorlieben und Ängste. Ein besseres Bild von seiner Person würde nicht nur sein Handeln erklären, sondern uns auch die Gelegenheit geben, sich in ihm vielleicht wiederzufinden.

Ich bin sicher, du kannst viel ansprechender schreiben als man nach diesem Beitrag annehmen könnte. Vielleicht nimmst du dir beim nächsten Mal einfach ein bißchen mehr Zeit?
Und bedenke bitte die Symbolik, die man als Leser automatisch in hervorgehobenen Begriffen zu erkennen glaubt (Schule, Geld, zu Hause, Gift, Essen, ... um nur einige zu nennen).

Viele Grüße,
visco
 
L

leonie

Gast
hallo oldicke

ja, ja, alles was schiefgehen kann geht schief. habe deine geschichte mit schmunzeln gelesen, denke aber das dir dort irgendwo, ich glaube bei den Einwanderern, der rote faden abhanden gekommen ist.
ganz liebe grüße eine immer noch schmunzelnde leonie
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
hallo,

ihr lieben, vielen dank für eure lebhafte diskussion. besonders für die sehr ausführliche von visco. ja, es stimmt, ich habe die geschichte in großer eile geschrieben und nicht nachkorrigiert. weil es nämlich wiedermal nur ein traum war. daher auch das kuddelmuddel. ich wurde kürzlich darauf aufmerksam gemacht, daß die pointe, aus dem traum an der schlimmsten stelle aufzuschrecken, schon zu abgelatscht ist. also wählte ich die harmonie. es ging mir nur darum, euch zu unterhalten. ganz lieb grüßt
 
L

leonie

Gast
hallo oldicke

in meinem fall ist dir das sehr gut gelungen.
eine immer noch schmunzelnde leonie
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
hab

dank, liebe leonie.
liebe elsa, hast du in den kapiteln meiner memoiren auch sätze gefunden, die dir nicht gefallen? dann wäre ich dir sehr verbunden, wenn du sie mir nennst. ganz lieb grüßt
 



 
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