Der Schreibanfall (ein fieser Typ)

Vasco

Mitglied
Manchmal ist plötzlich der Schreibanfall da. Ich ruf noch: "Hab keine Zeit für Dich!", das schert ihn allerdings wenig. Er spielt mir Filmchen vor, flüstert mir Worte, ja ganze Sätze in die Gehörgänge. Meistens wird er dann von seinem Antagonisten - dem übermächtigen Alltag - aus meinem Leben geworfen. Doch er ist schlau: "Schau mal, was ich hier für Dich hab..." raunt er mir im Halbschlaf zu. "Ein fantastisches Finale! So geht sie am Ende aus, Deine Geschichte. Willst Du dir diesen Schluss etwa entgehen lassen?" Ein fieser Kerl dieser Schreibanfall, und manchmal gewinnt er halt.

Er kann allerdings noch viel gemeiner sein. Mitten in der Geschichte kann es passieren, dass er einfach seinen Hut nimmt. "Sorry, ich werde anderswo gebraucht." Und weg ist er, und die Luft ist raus.

Eine nicht vollendete Geschichte erzeugt Schmerzen. Im Kopf. Im Bauch. In der Herzgegend. Das versteht gewöhnlich keiner. Außer diesem Kerl, der es immer so eilig hat. Eines Tages steht er plötzlich wieder im Raum und flüstert: "Schau mal, was ich hier für Dich habe: Einen sagenhaften ersten Satz...So beginnt Deine nächste Geschichte."
 
Zuletzt bearbeitet:

fee_reloaded

Mitglied
Das wirklich fiese ist, wenn Herr Schreibanfall zwar da ist, aber Fräulein Idee und Mamsell Konzept nicht.
Kollege Murks ist dann selten weit. In solchen Fällen rettet einen Antagonist Alltag nicht selten. :cool:
 
Hallo Vasco,
mir passiert es häufig, dass er mitten in der Erzählung seinen Hut nimmt, und dann sitzt man da. Vorher noch wie im Fieber geschrieben, rangeklotzt und Masse gemacht, in Gedanken hat man die Story schon in Leselupe reingestellt, plötzlich finito. Deshalb schreibe ich immer flott runter, auch wenn mir viele Formulierungen nicht gefallen. "Bloß nicht den Faden verlieren", sind meine Gedanken. Es ist schon ulkig, wie man dann tagelang verzweifelt an einem Satz schreibt, und der wird immer eigenartiger. An manchen Sätzen habe ich länger geschrieben, als an drei Texten zusammen. Schließlich macht man einen Kompromiss, um die Story zu retten. Genau diese Stellen werden einem dann nach der Veröffentlichung unter die Nase gerieben. Bloß sind die Vorschläge, die man bekommt, auch nicht wirklich besser.
Gruß Friedrichshainerin
 

Vasco

Mitglied
Schließlich macht man einen Kompromiss, um die Story zu retten.
Aber @Friedrichshainerin,
immerhin steckt da viel Disziplin in Dir, Respekt. Klar ist, dass so ein Kompromiss selten das Highlight im Stück wird. Aber da hilft dir sicher, dass du schon maximal viel bereits notiert hast. So ist auf jeden Fall ein Gerüst vorhanden.

Wenn ich den Faden verloren hab, dann verschwindet das ganze bei mir zumeist in einem Ordner. Manchmal allerdings, bei Wiederaufflammen der Schreibfreude, kommen solche "Cold Cases" dann wieder zum Vorschein und ich frag mich dann, wieso ich eigentlich an der Stelle abgebrochen hab, wo doch alles total klar ist...
 



 
Oben Unten