Claus Thor
Mitglied
Der schwarze Schwan
Von
Claus Thor
Ich dachte an meine schöne Frau. Dachte daran, dass es nun einen anderen Mann gab, irgendwo da draußen, der mein Leben in den Abgrund reißen würde. Die Sicherheit, mit der ich bisher durch das Leben geschritten war, wich. Versuch und Irrtum. Würde ich aus dem Kreis des Zweifelns treten können?
Er hielt ihre zarte weiße Hand, als sie sagte: „Fred, er hat es bemerkt.“
„Und wenn“, erwiderte Fred und der Druck seiner starken Hand hätte die ihre mühelos zerbrechen können, wie den filigranen Flügel eines kleinen Vogels.
Was hatte sie an ihrem Mann gemocht? Fragte Sibylle sich. Sie erinnerte sich, dass er zuhören konnte: charmant und intelligent.
Fred war anders. Animalisch. Er hatte die Leidenschaft in ihr geweckt. Joe hätte all das nicht gekonnt. Sie wollte es verrucht und verwegen. Fred würde sie beschützen, darin war sie sich sicher.
Die kleinen Schritte, die ich unternahm, die Versuche, die ich anstellte, führten stets zu dem Ergebnis: Irrtum! Ich konnte den Zweifel nicht zerstreuen.
„Fred“, hauchte sie in einer Liebesnacht, während die Reklamebeleuchtung das Hotelzimmer in ein grelles Rot tauchte. „Ich kann Joe nicht mehr ertragen. Sein Wesen: weiß gekachelt wie die Wände seines Labors. Seine Hände, die nach Desinfektionsmittel riechen.
Ich hörte mir die Ausführungen des Detektivs geduldig an. Es schmerzte, als ich der Stimme der Frau lauschte, die ich liebte, wie sie mit diesem Fred telefonierte. Die Bilder, heimlich geschossen: Sibylle und Fred im Café. Sie hauchte ihm einen Kuss zu. Er und sie. Eng umschlungen in einer Straße ganz in der Nähe. Mann und Frau. Ein Picknick auf der Wiese im Park. Der weiße und der schwarze Schwan. Irgendwo im Hotelzimmer dieser Stadt, wo er ihr seinen Liebestanz darbot. Sie mit seinen kräftigen Schwingen umhüllte. Ihr langer weißer Hals sich streckte vor Lust.
„Danke“, sagte ich. Belohnte die Bemühung des Detektivs und verließ das Büro. Ich kannte meinen nächsten Schritt, bevor ich ins Sonnenlicht hinaus trat.
Fred erforschte ihre erogenen Zonen mit seiner schlangengleichen Zunge. Sie stöhnte vor Fleischeslust. Dazwischen sagte sie: „Töte ihn!“
Die Huren sahen mich an, als gehöre ich nicht hier her. Die Tür einer Bar flog auf und ein Betrunkener rempelte mich an. Ich kämpfte um mein Gleichgewicht, die rechte Hand in der Manteltasche, hielt ich den Revolver fest umklammert. Zweihundert für die Lösung des Problems. Ich lachte.
„Hast du es getan“, sagte sie in den dunkeln Raum hinein. Eine Zigarette leuchtete wie ein einsames Glühwürmchen auf. Dann die Stimme, die antwortete: „Ja.“
Ich stand vor dem Jaguar, aber ich entschloss mich, zu gehen. Die Luft war kühl und ich ging die Straße abwärts. In Gedanken verloren. Nach einer Zeit bemerkte ich, dass ich vor dem Hotel stand. Ich schaute die schmutzige Fassade hoch und sah, dass das Fenster in der dritten Etage dunkel war.
Sibylle saß halbnackt auf dem Bett. Fred, den linken Arm hinter dem Kopf, rauchte. Die Tür wurde geöffnet und ein Mann mittleren Alters, in einem Kamelhaarmantel, trat ins Zimmer.
In der Dunkelheit schimmerte Sibylle wie weißer Marmor. Ich hörte sie leise fragen: „Joe?“ Ich antwortete nicht, sondern schloss die Tür. Fred meinte: „Das gibt’s doch nicht.“ Ich hielt den Revolver auf ihn gerichtet und sagte: „Bremsflüssigkeit hat einen starken Geruch. Als Chemiker wäre ich eine Niete, bemerkte ich nichts. Ich ließ den Wagen stehen.“
„Joe“, flehte sie mich an, „tu es nicht, bitte! Joe ...“
Ich lachte trocken und sagte: „Wie schön du bist, mein sterbender Schwan.“
Man hörte um 3.30 Uhr zwei Schüsse. Als die Polizei den Flur betrat, zerriss ein dritter Schuss die Stille des Hotels.
Von
Claus Thor
Ich dachte an meine schöne Frau. Dachte daran, dass es nun einen anderen Mann gab, irgendwo da draußen, der mein Leben in den Abgrund reißen würde. Die Sicherheit, mit der ich bisher durch das Leben geschritten war, wich. Versuch und Irrtum. Würde ich aus dem Kreis des Zweifelns treten können?
Er hielt ihre zarte weiße Hand, als sie sagte: „Fred, er hat es bemerkt.“
„Und wenn“, erwiderte Fred und der Druck seiner starken Hand hätte die ihre mühelos zerbrechen können, wie den filigranen Flügel eines kleinen Vogels.
Was hatte sie an ihrem Mann gemocht? Fragte Sibylle sich. Sie erinnerte sich, dass er zuhören konnte: charmant und intelligent.
Fred war anders. Animalisch. Er hatte die Leidenschaft in ihr geweckt. Joe hätte all das nicht gekonnt. Sie wollte es verrucht und verwegen. Fred würde sie beschützen, darin war sie sich sicher.
Die kleinen Schritte, die ich unternahm, die Versuche, die ich anstellte, führten stets zu dem Ergebnis: Irrtum! Ich konnte den Zweifel nicht zerstreuen.
„Fred“, hauchte sie in einer Liebesnacht, während die Reklamebeleuchtung das Hotelzimmer in ein grelles Rot tauchte. „Ich kann Joe nicht mehr ertragen. Sein Wesen: weiß gekachelt wie die Wände seines Labors. Seine Hände, die nach Desinfektionsmittel riechen.
Ich hörte mir die Ausführungen des Detektivs geduldig an. Es schmerzte, als ich der Stimme der Frau lauschte, die ich liebte, wie sie mit diesem Fred telefonierte. Die Bilder, heimlich geschossen: Sibylle und Fred im Café. Sie hauchte ihm einen Kuss zu. Er und sie. Eng umschlungen in einer Straße ganz in der Nähe. Mann und Frau. Ein Picknick auf der Wiese im Park. Der weiße und der schwarze Schwan. Irgendwo im Hotelzimmer dieser Stadt, wo er ihr seinen Liebestanz darbot. Sie mit seinen kräftigen Schwingen umhüllte. Ihr langer weißer Hals sich streckte vor Lust.
„Danke“, sagte ich. Belohnte die Bemühung des Detektivs und verließ das Büro. Ich kannte meinen nächsten Schritt, bevor ich ins Sonnenlicht hinaus trat.
Fred erforschte ihre erogenen Zonen mit seiner schlangengleichen Zunge. Sie stöhnte vor Fleischeslust. Dazwischen sagte sie: „Töte ihn!“
Die Huren sahen mich an, als gehöre ich nicht hier her. Die Tür einer Bar flog auf und ein Betrunkener rempelte mich an. Ich kämpfte um mein Gleichgewicht, die rechte Hand in der Manteltasche, hielt ich den Revolver fest umklammert. Zweihundert für die Lösung des Problems. Ich lachte.
„Hast du es getan“, sagte sie in den dunkeln Raum hinein. Eine Zigarette leuchtete wie ein einsames Glühwürmchen auf. Dann die Stimme, die antwortete: „Ja.“
Ich stand vor dem Jaguar, aber ich entschloss mich, zu gehen. Die Luft war kühl und ich ging die Straße abwärts. In Gedanken verloren. Nach einer Zeit bemerkte ich, dass ich vor dem Hotel stand. Ich schaute die schmutzige Fassade hoch und sah, dass das Fenster in der dritten Etage dunkel war.
Sibylle saß halbnackt auf dem Bett. Fred, den linken Arm hinter dem Kopf, rauchte. Die Tür wurde geöffnet und ein Mann mittleren Alters, in einem Kamelhaarmantel, trat ins Zimmer.
In der Dunkelheit schimmerte Sibylle wie weißer Marmor. Ich hörte sie leise fragen: „Joe?“ Ich antwortete nicht, sondern schloss die Tür. Fred meinte: „Das gibt’s doch nicht.“ Ich hielt den Revolver auf ihn gerichtet und sagte: „Bremsflüssigkeit hat einen starken Geruch. Als Chemiker wäre ich eine Niete, bemerkte ich nichts. Ich ließ den Wagen stehen.“
„Joe“, flehte sie mich an, „tu es nicht, bitte! Joe ...“
Ich lachte trocken und sagte: „Wie schön du bist, mein sterbender Schwan.“
Man hörte um 3.30 Uhr zwei Schüsse. Als die Polizei den Flur betrat, zerriss ein dritter Schuss die Stille des Hotels.