i.schs
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Klack-Klack-Klack. Der Raum war so dunkel, sodass er die Gestalt vor ihm nur an ihren Konturen ausmachen konnte. Es war eine Frau. Sie ließ kleine Steinchen von ihrer einen in die andere Hand fallen. Das war das einzige Geräusch was den Raum füllte. Sonst war es still. Er zweifelte nicht daran, dass sie vielleicht außergewöhnliche Fähigkeiten besaß, doch das Wissen, das sie etwas finden könnte, was sie nicht sehen sollte, beunruhigte ihn und trieb ihm den Schweiß auf die Stirn. Nervös trommelte er mit seinen Fingerspitzen auf der Krämpe seines Hutes herum. Er hatte ihn aus Höflichkeit abgesetzt und auf seinen Schoß gelegt. Doch jetzt, wie er dort saß, ärgerte er sich über sich selbst, dass er gedacht hatte, er würde hier Antworten auf seine Fragen finden, die ihn Nachts quälten.
„Irvin .So heißen sie doch oder? Waren Ihre Eltern Seeleute?“
Ihre Stimme war ruhig und bestimmt.
„Ja, sie waren einfache Fischer. So haben sie ihren Lebensunterhalt verdient. Warum wollen sie das wissen?“
„Ihr Name.“
„Sie kennen die Bedeutung meines Namens?“
„Was ist mit Ihnen? Denken Sie, Sie sind ein Seefreund?“
Die Frau hatte sich in der Dämmerung vor gelehnt. Nun sah er ihre markanten Gesichtszüge. Er hatte das Gefühl in ein Gesicht zu schauen, das schon tausende Jahre alt war, doch es war so nichtssagend, wie der Horizont an einem wolkenbehangenem Tag.
„Ich weiß nicht. Vielleicht.“
„Lassen Sie mich raten und Sie sind hier, weil Sie an einen Punkt gelangt sind, an dem sie nicht mehr weiter kommen. So als wären Sie fest gefahren, nicht wahr?“
Ein leises unangenehmes Gefühl nistete sich in seinem Bauch ein. Dieses Gefühl, wenn man nicht mehr still sitzen kann, weil man nur darauf wartet ertappt zu werden. Doch warum hatte er Angst davor, niemand hatte ihn gezwungen her zu kommen.
„Wissen sie, vielleicht war das doch keine so gute Idee. Es tut mir Leid, dass ich Ihre Zeit beansprucht habe, doch ich glaube, ich sollte gehen.“
„Ich werde Sie wohl nicht aufhalten können.“, erwiderte sie. Er meinte in ihrem Gesicht eine Andeutung eines Lächeln zu erkennen, aber er war sich nicht sicher.
Damit setzte er sich seinen Hut auf und wollte gerade aufstehen, doch etwas hielt ihn zurück. Ja ehrlich, er wäre gerne einfach gegangen, doch irgendwie ließ ihn der Gedanke nicht los, dass da etwas war, was er nirgendwo anders erfahren würde.
Er runzelte die Stirn dann wandte er sich wieder der Frau zu.
„Da ist etwas und es lässt mich nicht los. Tag und Nacht denke ich darüber nach, aber ich bekomme keine Antwort.“
„Ja, ich weiß. Sie glauben, dass die Antwort Ihnen sagen wird, was sie als nächstes tun sollen.“
Klack-Klack-Klack. Wieder die Steine in ihrer Hand.
„Sehen sie”, fing die Frau an und strich mit ihren müden Augen über sein Gesicht, “es ist die ständige Suche nach dem Ziel oder nach einem Plan. So ist es bei den meisten. Erst sucht man nach dem Sinn des Lebens, dann hat man einen Plan, aber kein Ziel, doch wenn man das Ziel findet, hat man keinen Plan mehr und so bildet sich ein ewiger Kreislauf ständiger Ratlosigkeit. Aber die Frage ist: glauben sie wirklich daran? Glauben sie an das was sie tun und tun sie das was sich richtig anfühlt? Jeder will ein einfaches Leben haben“, sie seufzte, „aber statt den simpelsten Weg zu nehmen, fällt die Wahl immer auf hohe Gebirgspässe.“
Klack-Klack-Klack. Er fragte sich wofür die Steine gut sein sollten.
“Was wäre denn der richtige Weg?”
“Das fragen sie noch. Natürlich den Weg zu gehen, der sich auch innen drin richtig anfühlt. Sie werden die Antwort ihrer Frage nicht finden, wenn sie nicht bereit dazu sind“, fuhr sie fort. Ihre Stimme beruhigte ihn. Sie hatte etwas an sich, was er nicht beschreiben konnte.
„Ich glaube nicht, dass ich verstehe, was sie damit meinen. Wie soll das die ganze Sache vereinfachen?“
„Sie haben Angst.“
„Haben sie denn keine Angst?“, erwiderte er verblüfft und etwas verärgert.
„Hier geht es nicht um mich, sondern um sie.“
Langsam wusste er nicht mehr, was er eigentlich genau wissen wollte. Es schien so, als wäre jemand mit einem nassen Tuch über die Nächte gefahren, in denen er wachgelegen und sich hin und her gewälzt hatte.
„Ich habe Kinder und Enkelkinder und eigentlich müsste ich glücklich sein. Doch das bin ich irgendwie nicht.“, er machte eine kurze Pause bevor er weiter sprach, „Wissen sie, nach vierundsiebzig Jahren hat man viel erlebt, doch ich frage mich die ganze Zeit, ob es das alles Wert war.“
Warum fühlte er sich nur so leer? Nachdenklich kratzte er sich am Bart. Er hatte ihn lang wachsen lassen, weil er irgendwann zu faul gewesen war, sich ständig zu rasieren. Mittlerweile glich er eher dem wilden Seemann, der er früher immer werden wollte, aber nicht dem lieben Opa aus der Nachbarschaft. Nicht dem, der Samstagsmorgens der Erste war, der den Rasen mähte. Das Leben war langweilig geworden und er hatte sich der Masse angepasst.
„Nun ja, diese Frage kann ich Ihnen nicht beantworten. Dinge die passieren, haben erst dann einen Wert, wenn man ihnen einen gibt. Also sollten Sie sich vielleicht eher die Frage stellen, was Sie aus diesen Dingen gelernt haben, die Ihnen vielleicht im ersten Moment wertlos erscheinen. Sie sind nach langer Zeit wieder hier in der Stadt, also wissen Sie genau, wo sie suchen müssen, um das zu finden, was Sie nicht schlafen lässt.“ Noch während sie sprach zog sie einen runden Gegenstand aus ihrer Kutte.
„Nun mit Bedauern muss ich feststellen, dass die Zeit um ist. Da Sie eh gehen wollten, ist das denke ich kein allzu großes Problem für Sie.“
Er nickte, aber wusste nicht so recht was er erwidern sollte. Stattdessen fasste er an seinen Hut und verbeugte sich etwas- eine Geste die er bei seinem Vater oft gesehen hatte. Nachdem er einige Münzen auf einen Messingteller legte, schritt er zum Ausgang, ohne einen Blick zurück zu werfen und verließ den dämmrigen Raum, dessen Wände die Zeit zum Stillstand bringen vermochte. Er blickte weder auf die Frau in der Kutte zurück, die Sachen zu wissen schien, von denen er nicht einmal ahnte. Ebenfalls würdigte er dem Schild keine weitere Aufmerksamkeit, das neben dem Eingang hing und das er, bevor er eingetreten war, immer und immer wieder gelesen hatte.
Als er das Zelt verließ, schien ihm die Sonne grell ins Gesicht. Der Platz war gefüllt mit Zelten und Schaulustige schlenderten zwischen ihnen herum. Von überall her kam der Geruch nach Zuckerwatte und ein Leierkastenmann spielte sein Lied vor sich hin. Der alte Mann ließ den Rummel hinter sich. Der Wind schmeckte salzig und als er an das Geländer auf der anderen Straßenseite trat, lag das Meer vor ihm, wie eine Erinnerung, nach der er nur hätte greifen brauchen, die aber unerreichbar schien. Er nahm seinen Hut ab und musterte ihn. Es war der Elbsegler seines Vaters gewesen- pechschwarz, mit Knöpfen an jedem Ende der Krempe. Er war gefüttert mit rotem Stoff. Seine Finger glitten sachte darüber, als hätte er Angst davor, er könne etwas kaputt machen.
Angst, fuhr es ihm durch den Kopf. Das ist der Grund. Angst lähmt und diese lähmende Angst hielt ihn ständig in seinem Würgegriff. Etwas löste sich in seinem Inneren und sein Atem wurde etwas leichter.
Er musste lächeln. Die Wellen schwappten an den Strand, die Möwen kreischten. Auf dem Wasser glitzerte die Sonne und er schmeckte das leichte Aroma von Rum auf der Zunge.
„Irvin .So heißen sie doch oder? Waren Ihre Eltern Seeleute?“
Ihre Stimme war ruhig und bestimmt.
„Ja, sie waren einfache Fischer. So haben sie ihren Lebensunterhalt verdient. Warum wollen sie das wissen?“
„Ihr Name.“
„Sie kennen die Bedeutung meines Namens?“
„Was ist mit Ihnen? Denken Sie, Sie sind ein Seefreund?“
Die Frau hatte sich in der Dämmerung vor gelehnt. Nun sah er ihre markanten Gesichtszüge. Er hatte das Gefühl in ein Gesicht zu schauen, das schon tausende Jahre alt war, doch es war so nichtssagend, wie der Horizont an einem wolkenbehangenem Tag.
„Ich weiß nicht. Vielleicht.“
„Lassen Sie mich raten und Sie sind hier, weil Sie an einen Punkt gelangt sind, an dem sie nicht mehr weiter kommen. So als wären Sie fest gefahren, nicht wahr?“
Ein leises unangenehmes Gefühl nistete sich in seinem Bauch ein. Dieses Gefühl, wenn man nicht mehr still sitzen kann, weil man nur darauf wartet ertappt zu werden. Doch warum hatte er Angst davor, niemand hatte ihn gezwungen her zu kommen.
„Wissen sie, vielleicht war das doch keine so gute Idee. Es tut mir Leid, dass ich Ihre Zeit beansprucht habe, doch ich glaube, ich sollte gehen.“
„Ich werde Sie wohl nicht aufhalten können.“, erwiderte sie. Er meinte in ihrem Gesicht eine Andeutung eines Lächeln zu erkennen, aber er war sich nicht sicher.
Damit setzte er sich seinen Hut auf und wollte gerade aufstehen, doch etwas hielt ihn zurück. Ja ehrlich, er wäre gerne einfach gegangen, doch irgendwie ließ ihn der Gedanke nicht los, dass da etwas war, was er nirgendwo anders erfahren würde.
Er runzelte die Stirn dann wandte er sich wieder der Frau zu.
„Da ist etwas und es lässt mich nicht los. Tag und Nacht denke ich darüber nach, aber ich bekomme keine Antwort.“
„Ja, ich weiß. Sie glauben, dass die Antwort Ihnen sagen wird, was sie als nächstes tun sollen.“
Klack-Klack-Klack. Wieder die Steine in ihrer Hand.
„Sehen sie”, fing die Frau an und strich mit ihren müden Augen über sein Gesicht, “es ist die ständige Suche nach dem Ziel oder nach einem Plan. So ist es bei den meisten. Erst sucht man nach dem Sinn des Lebens, dann hat man einen Plan, aber kein Ziel, doch wenn man das Ziel findet, hat man keinen Plan mehr und so bildet sich ein ewiger Kreislauf ständiger Ratlosigkeit. Aber die Frage ist: glauben sie wirklich daran? Glauben sie an das was sie tun und tun sie das was sich richtig anfühlt? Jeder will ein einfaches Leben haben“, sie seufzte, „aber statt den simpelsten Weg zu nehmen, fällt die Wahl immer auf hohe Gebirgspässe.“
Klack-Klack-Klack. Er fragte sich wofür die Steine gut sein sollten.
“Was wäre denn der richtige Weg?”
“Das fragen sie noch. Natürlich den Weg zu gehen, der sich auch innen drin richtig anfühlt. Sie werden die Antwort ihrer Frage nicht finden, wenn sie nicht bereit dazu sind“, fuhr sie fort. Ihre Stimme beruhigte ihn. Sie hatte etwas an sich, was er nicht beschreiben konnte.
„Ich glaube nicht, dass ich verstehe, was sie damit meinen. Wie soll das die ganze Sache vereinfachen?“
„Sie haben Angst.“
„Haben sie denn keine Angst?“, erwiderte er verblüfft und etwas verärgert.
„Hier geht es nicht um mich, sondern um sie.“
Langsam wusste er nicht mehr, was er eigentlich genau wissen wollte. Es schien so, als wäre jemand mit einem nassen Tuch über die Nächte gefahren, in denen er wachgelegen und sich hin und her gewälzt hatte.
„Ich habe Kinder und Enkelkinder und eigentlich müsste ich glücklich sein. Doch das bin ich irgendwie nicht.“, er machte eine kurze Pause bevor er weiter sprach, „Wissen sie, nach vierundsiebzig Jahren hat man viel erlebt, doch ich frage mich die ganze Zeit, ob es das alles Wert war.“
Warum fühlte er sich nur so leer? Nachdenklich kratzte er sich am Bart. Er hatte ihn lang wachsen lassen, weil er irgendwann zu faul gewesen war, sich ständig zu rasieren. Mittlerweile glich er eher dem wilden Seemann, der er früher immer werden wollte, aber nicht dem lieben Opa aus der Nachbarschaft. Nicht dem, der Samstagsmorgens der Erste war, der den Rasen mähte. Das Leben war langweilig geworden und er hatte sich der Masse angepasst.
„Nun ja, diese Frage kann ich Ihnen nicht beantworten. Dinge die passieren, haben erst dann einen Wert, wenn man ihnen einen gibt. Also sollten Sie sich vielleicht eher die Frage stellen, was Sie aus diesen Dingen gelernt haben, die Ihnen vielleicht im ersten Moment wertlos erscheinen. Sie sind nach langer Zeit wieder hier in der Stadt, also wissen Sie genau, wo sie suchen müssen, um das zu finden, was Sie nicht schlafen lässt.“ Noch während sie sprach zog sie einen runden Gegenstand aus ihrer Kutte.
„Nun mit Bedauern muss ich feststellen, dass die Zeit um ist. Da Sie eh gehen wollten, ist das denke ich kein allzu großes Problem für Sie.“
Er nickte, aber wusste nicht so recht was er erwidern sollte. Stattdessen fasste er an seinen Hut und verbeugte sich etwas- eine Geste die er bei seinem Vater oft gesehen hatte. Nachdem er einige Münzen auf einen Messingteller legte, schritt er zum Ausgang, ohne einen Blick zurück zu werfen und verließ den dämmrigen Raum, dessen Wände die Zeit zum Stillstand bringen vermochte. Er blickte weder auf die Frau in der Kutte zurück, die Sachen zu wissen schien, von denen er nicht einmal ahnte. Ebenfalls würdigte er dem Schild keine weitere Aufmerksamkeit, das neben dem Eingang hing und das er, bevor er eingetreten war, immer und immer wieder gelesen hatte.
Als er das Zelt verließ, schien ihm die Sonne grell ins Gesicht. Der Platz war gefüllt mit Zelten und Schaulustige schlenderten zwischen ihnen herum. Von überall her kam der Geruch nach Zuckerwatte und ein Leierkastenmann spielte sein Lied vor sich hin. Der alte Mann ließ den Rummel hinter sich. Der Wind schmeckte salzig und als er an das Geländer auf der anderen Straßenseite trat, lag das Meer vor ihm, wie eine Erinnerung, nach der er nur hätte greifen brauchen, die aber unerreichbar schien. Er nahm seinen Hut ab und musterte ihn. Es war der Elbsegler seines Vaters gewesen- pechschwarz, mit Knöpfen an jedem Ende der Krempe. Er war gefüttert mit rotem Stoff. Seine Finger glitten sachte darüber, als hätte er Angst davor, er könne etwas kaputt machen.
Angst, fuhr es ihm durch den Kopf. Das ist der Grund. Angst lähmt und diese lähmende Angst hielt ihn ständig in seinem Würgegriff. Etwas löste sich in seinem Inneren und sein Atem wurde etwas leichter.
Er musste lächeln. Die Wellen schwappten an den Strand, die Möwen kreischten. Auf dem Wasser glitzerte die Sonne und er schmeckte das leichte Aroma von Rum auf der Zunge.