Der sterbende Künstler

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Mistralgitter

Mitglied
Reichlich getrunken hat er von den Farben der Welt, sogar von Betrug und Hinterhalt, erzählt er mir. Und ich denke: Seinen Bildern hat er sein Leben eingehaucht, alle Welt blickt hinein und schaut heraus. Seine Leidenschaft hat er veräußert. Er wurde reich und ist dennoch arm.

Ich frage mich: Was bleibt von seinen Ausflügen in die Welt der nackten Körper und verführerischen Formen? Was bleibt von seinen Erkundungsreisen in Menschengesichter? Was hat er erkannt in seinen Selbstbildnissen?

Seine Erinnerungen seien nun gefüllt mit zerbrochenen Beziehungen, erzählt er, die unter der Last seines Drängens gelitten haben. Sein Leben geriet ins Schlingern wie bei einem Boot, dem der Mast gebrochen ist und das Schwert unterm Bootsboden weggerissen wurde, das es auf Kurs halten sollte. Oder es ist, wie wenn ein Leuchtturm warnt, aber der rettende Hafen ist nicht in die Seekarte eingezeichnet worden und der Kompass nicht eingenordet. Ist es so? frage ich mich.

Wer trägt meine Schuld? fragt er.

Wir Betrachter tragen sie nicht. Wir waschen uns die Hände nach jedem Bild, das die Blöße und Schönheit der anderen zeigt, denke ich.
Er habe reichlich verdient damit, man bezahlte ihn gut, wiederholt er. Er möchte seine Bilder überhöht sehen, sie hätten eine Botschaft, sagt er. Sie sollten kein billiges Spiel mit Farben und Formen sein.

Wer mag da entscheiden? frage ich mich.

Die Leinwand bricht nun, die Farben bröseln, die Tuben vertrocknen. Seine einstige Liebe wurde in einem sterilen Krankenzimmer untergebracht. Sie kennt ihn nicht mehr.

Niemand wurde geboren, um die Stimme rechtzeitig zu erheben im Sturm, die Gefühle zu straffen und sie wie ein Segel in den Wind zu setzen, das Boot zu retten. Niemand entriss dem Tod das Ruder aus der Hand, denke ich traurig.
 

Wipfel

Mitglied
Hi Mistralgitter,
ein Text, der nach dem Sinn des Lebens fragt, voller Melancholie und Selbstbetrachtung.
Sprachlich würde ich einige Sachen anders machen - Füllungen streichen und mehr auf den Rhythmus achten. Lohnt sich bei den kurzen Dingern:
Sein Leben geriet ins Schlingern wie bei einem Boot, dem der Mast gebrochen ist und das Schwert unterm [strike]Boots[/strike][blue]B[/blue]oden weggerissen wurde[strike], das es auf Kurs halten sollte[/strike].
Kann man traurig oder lustig denken?
Niemand wurde geboren, [blue]um rechtzeitig im Sturm die Stimme zu erheben, die Gefühle zu straffen und sie (dann?) wie ein Segel in den Wind zu setzen[strike], das Boot zu retten[/strike]. Niemand [strike]ent[/strike]riss (bisher?) dem Tod das Ruder aus der Hand[strike], denke ich traurig[/strike].
[/blue]
usw.

Grüße von wipfel
 

Mistralgitter

Mitglied
Hallo Wipfel,
Danke für deine kritischen Anmerkungen. Aus dem zeitlichen Abstand heraus würde ich nun auch einige Veränderungen vornehmen - erst einmal den Text kürzen, entrümpeln.
Vielleicht gewinnt er ja dadurch.
Gruß
Mistralgitter
 

Mistralgitter

Mitglied
Reichlich getrunken hat er von den Farben der Welt, sogar von Betrug und Hinterhalt erzählt er mir. Und ich denke: Seinen Gemälden hat er sein langes bewegtes Leben eingehaucht. Alle Welt kann hineinblicken und sie schaut auch wieder heraus. Seine Leidenschaft hat er veräußert. Er wurde reich und ist dennoch arm.

Was bleibt von seinen Ausflügen in die Welt der nackten Körper und verführerischen Formen? Was bleibt von seinen Erkundungsreisen in Menschengesichter? Hat er etwas erkannt in seinen Selbstbildnissen?

Seine Erinnerungen seien nun gefüllt mit zerbrochenen Beziehungen, erzählt er, die unter der Last seines Drängens gelitten haben. Sein Leben geriet ins Schlingern. Wer trägt meine Schuld? fragt er mich, als ob ich die Antwort wäre.

Wir Betrachter tragen sie doch nicht, denke ich erschrocken. Wir waschen uns die Hände nach dem Betrachten der Bilder, die die Blöße und Schönheit der anderen zeigen.

Er habe reichlich verdient damit, man bezahlte ihn gut, wiederholt er. Er möchte seine Bilder überhöht sehen, sie hätten eine Botschaft. Sie sollten kein billiges Spiel mit Farben und Formen sein, meint er.

Wer mag da entscheiden? frage ich mich.

Die Leinwand bricht nun, die Farben bröseln, die Tuben vertrocknen. Einsam lebt er inmitten seiner Kunst. Seine einstige Liebe wurde in einem sterilen Krankenzimmer untergebracht. Sie kennt ihn nicht mehr.

Niemand wurde geboren, um die Stimme rechtzeitig zu erheben im Sturm, die Gefühle zu straffen und sie wie ein Segel in den Wind zu setzen, das Boot zu retten. Niemand entriss dem Tod das Ruder aus der Hand, denke ich traurig.
 

Mistralgitter

Mitglied
Reichlich getrunken habe er von den Farben der Welt, sogar von Betrug und Hinterhalt erzählt er mir. Und ich denke: Seinen Gemälden hat er sein langes bewegtes Leben eingehaucht. Alle Welt kann in ihn hineinblicken und seine Welt schaut heraus. Seine Leidenschaft hat er veräußert. Er wurde reich und ist dennoch arm.

Was bleibt von seinen Ausflügen in die Welt der nackten Körper und verführerischen Formen? Was bleibt von seinen Erkundungsreisen in fremde Menschengesichter? Hat er etwas erkannt in seinen Selbstbildnissen?

Seine Erinnerungen seien nun gefüllt mit zerbrochenen Beziehungen, erzählt er, die unter der Last seines Drängens gelitten haben. Sein Leben geriet ins Schlingern. Wer trägt meine Schuld? fragt er mich, als ob ich die Antwort wäre.

Wir Betrachter tragen sie doch nicht, denke ich erschrocken. Wir waschen uns nach dem Betrachten der Bilder, die die Blöße und Schönheit der anderen zeigen, die Hände.

Er habe reichlich verdient damit, man bezahlte ihn gut, wiederholt er. Und nach einer kleinen Pause ergänzt er, dass er seine Bilder überhöht sehen möchte, sie hätten eine Botschaft. Sie sollten kein billiges Spiel mit Farben und Formen sein.
Wer mag darüber entscheiden? frage ich mich.

Einsam lebt er inmitten seiner Kunst. Seine einstige Liebe wurde in einem sterilen Krankenzimmer untergebracht. Sie kennt ihn nicht mehr. Die Leinwand bricht nun, die Farben bröseln, die Tuben vertrocknen.

Niemand wurde geboren, um die Stimme rechtzeitig zu erheben, als der Sturm tobte, die Gefühle zu straffen und sie wie ein Segel in den Wind zu setzen, das Boot zu retten, bevor der Mast brach und das Schwert vom Bootsboden weggerissen wurde. Niemand entriss dem Tod das Ruder aus der Hand, denke ich traurig. Oder warnte zwar ein einzelner Leuchtturm mit müdem Licht, doch der rettende Hafen war nicht in die Seekarte eingezeichnet?
Was aber hilft es jetzt noch?
 



 
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