Der stürmische Bläser

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Sidgrani

Mitglied
„Nun haltet eure Äste fest,
verkrallt euch in die Wurzeln.
Ich blase jetzt aus Nord-Nord-West,
und lass die Blätter purzeln.“
So rief‘s der Wind den Bäumen zu,
in Wäldern, an den Straßen.
„Erst wenn ihr nackt seid, geb ich Ruh,
mit mir ist nicht zu spaßen.“

Er stürmt und heult: „Jetzt wird gekämmt“
um Buche und um Weide,
fährt husch den Bäumen unters Hemd
und zerrt am Blätterkleide.
So wie der Schuft es angedroht,
fällt Blatt auf Blatt herunter,
die Buche stöhnt und wird ganz rot,
„Ich hab doch gar nichts drunter!“

Die Linde biegt sich, dass es knackt
und lässt die Äste wippen.
„Ich zeige mich euch gerne nackt,
ich liebe es, zu strippen.“
Die Esche stöhnt, „Das geht zu weit“,
sie ist ein wenig eigen,
„so ganz entblößt, du liebe Zeit,
darf man sich doch nicht zeigen.“

Der Ahorn neigt sich ganz devot,
hinüber zu den Tannen.
„Ich glaub, ich werd schon wieder rot,
doch lieb ich es, zu spannen!“
„Die Linde lässt mich völlig kalt“,
bemerkt die grüne Eibe,
„die ist für sowas doch zu alt,
die halt ich mir vom Leibe.“

Die edle Zeder lacht und höhnt,
„Das stört mich nicht die Bohne,
von der bin ich es ja gewöhnt,
ich steh nie oben ohne.“
„Warum denn nicht, das wär doch schön,
ertönt es von den Föhren,
dein nackter Stamm, von nah besehn,
der könnte uns betören.“

„Kaum bläst der Wind, spielt ihr verrückt,
es ist doch stets das Gleiche.
Vor dem hab ich mich nie gebückt“,
knarrt süffisant die Eiche.
„Ich mag es, wenn er an mir zerrt“,
haucht wohlig eine Schlehe.
„Da hab ich mich noch nie gesperrt,
weil ich auf Blasen stehe.“

Dem Wind, dem ist das einerlei,
er zupft und rupft und rüttelt,
hat auch dem Nussbaum, welch Geschrei,
die Nüsse abgeschüttelt.
Befriedigt schwindet ihm die Kraft,
„Euch Bäume hab ich nun geschafft.
Es war wie immer wunderbar,
ich freu mich schon aufs nächste Jahr!“
 
T

Trainee

Gast
Bombastisch! Und sehr, sehr witzig.
Ein Naturbild das über sich selbst hinauswächst und eine stark menschelnde Szene vor die Augen des Lesers bringt in der eigentlich alles enthalten ist, was Ansammlungen so ausmacht - ihre brüchige Hackordnung bis hin zu leicht anrüchigen Spielarten abblätternder Konsistenz.
Und es lässt über die Psychologie einer Gruppe nachdenken, die dem einen oder anderen bekannt vorkommen mag.
Toll!
Von meiner Seite gibt es nur eine winzige Mäkelei: Und zwar die Dopplung des "rot."

Der Ahorn neigt sich ganz devot,
hinüber zu den Tannen.
„Ich glaub, ich werd schon wieder rot,
doch lieb ich es, zu spannen!“
Das ließe sich evtl. ersetzen:
- Ich fühle mich schon ganz marod,
doch ...
oder was mit "überleben ist Gebot " usw.
Kannst ja mal nachsinnen. ;)

So oder so: Ein echter Knaller. Ein Gedicht, das Amüsement auf hohem handwerklichem Niveau in die adventlichen Feierlichkeiten schleudert. :D:)

Alle Daumen hoch
Trainee
 

wüstenrose

Mitglied
Hallo Sidgrani,
mein Start in den Tag war gut, d.h. eigentlich deshalb, weil gut war, womit ich gestartet bin, also dein Gedicht gefällt mir wirklich gut, sehr amüsant und erfrischend!

Ich reiche noch zwei Zeichen nach

„Warum denn nicht, das wär doch schön[red]"[/red],
ertönt es von den Föhren,
[red]"[/red]dein nackter Stamm, von nah besehn,
der könnte uns betören.“
lg wüstenrose
 

Sidgrani

Mitglied
„Nun haltet eure Äste fest,
verkrallt euch in die Wurzeln.
Ich blase jetzt aus Nord-Nord-West,
und lass die Blätter purzeln.“
So rief‘s der Wind den Bäumen zu,
in Wäldern, an den Straßen.
„Erst wenn ihr nackt seid, geb ich Ruh,
mit mir ist nicht zu spaßen.“

Er stürmt und heult: „Jetzt wird gekämmt“
um Buche und um Weide,
fährt husch den Bäumen unters Hemd
und zerrt am Blätterkleide.
So wie der Schuft es angedroht,
fällt Blatt auf Blatt herunter,
die Buche stöhnt und wird ganz rot,
„Ich hab doch gar nichts drunter!“

Die Linde biegt sich, dass es knackt
und lässt die Äste wippen.
„Ich zeige mich euch gerne nackt,
ich liebe es, zu strippen.“
Die Esche stöhnt, „Das geht zu weit“,
sie ist ein wenig eigen,
„so ganz entblößt, du liebe Zeit,
darf man sich doch nicht zeigen.“

Der Ahorn keucht, „Das wird ein Fest“,
und neigt sich zu den Tannen.
„Mir schießt schon Saft in das Geäst,
ich liebe es, zu spannen!“
„Die Linde lässt mich völlig kalt“,
bemerkt die grüne Eibe,
„die ist für sowas doch zu alt,
die halt ich mir vom Leibe.“

„Die Linde lässt mich völlig kalt“,
bemerkt die grüne Eibe,
„die ist für sowas doch zu alt,
die halt ich mir vom Leibe.“

Die edle Zeder lacht und höhnt,
„Das stört mich nicht die Bohne,
von der bin ich es ja gewöhnt,
ich steh nie oben ohne.“
„Warum denn nicht, das wär doch schön",
ertönt es von den Föhren,
"dein nackter Stamm, von nah besehn,
der könnt uns schon betören.“

„Kaum bläst der Wind, spielt ihr verrückt,
es ist doch stets das Gleiche.
Vor dem hab ich mich nie gebückt“,
knarrt süffisant die Eiche.
„Ich mag es, wenn er an mir zerrt“,
haucht wohlig eine Schlehe.
„Da hab ich mich noch nie gesperrt,
weil ich auf Blasen stehe.“

Dem Wind, dem ist das einerlei,
er zupft und rupft und rüttelt,
hat auch dem Nussbaum, welch Geschrei,
die Nüsse abgeschüttelt.
Befriedigt schwindet ihm die Kraft,
„Euch Bäume hab ich nun geschafft.
Es war wie immer wunderbar,
ich freu mich schon aufs nächste Jahr!“
 

Sidgrani

Mitglied
Ich danke dir Trainee, deine Analyse und dein Kommentar sind mir wichtig, weil sie mir sagen, dass ich alles richtig gemacht habe.
Deine Anregung (zweimal rot) hat mich noch einmal hobeln lassen, das Ergebnis ist nachzulesen. :)


Ich danke auch euch, @wüstenrose (Anführungszeichen) und @Marie-Luise. Schön, dass ich euch eine Freude machen konnte.

Liebe Grüße und einen besinnlichen ersten Advent.
Sidgrani
 

Sidgrani

Mitglied
„Nun haltet eure Äste fest,
verkrallt euch in die Wurzeln.
Ich blase jetzt aus Nord-Nord-West,
und lass die Blätter purzeln.“
So rief‘s der Wind den Bäumen zu,
in Wäldern, an den Straßen.
„Erst wenn ihr nackt seid, geb ich Ruh,
mit mir ist nicht zu spaßen.“

Er stürmt und heult: „Jetzt wird gekämmt“
um Buche und um Weide,
fährt husch den Bäumen unters Hemd
und zerrt am Blätterkleide.
So wie der Schuft es angedroht,
fällt Blatt auf Blatt herunter,
die Buche stöhnt und wird ganz rot,
„Ich hab doch gar nichts drunter!“

Die Linde biegt sich, dass es knackt
und lässt die Äste wippen.
„Ich zeige mich euch gerne nackt,
ich liebe es, zu strippen.“
Die Esche stöhnt, „Das geht zu weit“,
sie ist ein wenig eigen,
„so ganz entblößt, du liebe Zeit,
darf man sich doch nicht zeigen.“

Der Ahorn keucht, „Das wird ein Fest“,
und neigt sich zu den Tannen.
„Mir schießt schon Saft in das Geäst,
ich liebe es, zu spannen!“
„Die Linde lässt mich völlig kalt“,
bemerkt die grüne Eibe,
„die ist für sowas doch zu alt,
die halt ich mir vom Leibe.“

Die edle Zeder lacht und höhnt,
„Das stört mich nicht die Bohne,
von der bin ich es ja gewöhnt,
ich steh nie oben ohne.“
„Warum denn nicht, das wär doch schön",
ertönt es von den Föhren,
"dein nackter Stamm, von nah besehn,
der könnt uns schon betören.“

„Kaum bläst der Wind, spielt ihr verrückt,
es ist doch stets das Gleiche.
Vor dem hab ich mich nie gebückt“,
knarrt süffisant die Eiche.
„Ich mag es, wenn er an mir zerrt“,
haucht wohlig eine Schlehe.
„Da hab ich mich noch nie gesperrt,
weil ich auf Blasen stehe.“

Dem Wind, dem ist das einerlei,
er zupft und rupft und rüttelt,
hat auch dem Nussbaum, welch Geschrei,
die Nüsse abgeschüttelt.
Befriedigt schwindet ihm die Kraft,
„Euch Bäume hab ich nun geschafft.
Es war wie immer wunderbar,
ich freu mich schon aufs nächste Jahr!“
 



 
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