Der Tellerrand

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kuehen

Mitglied
Ein Teil des Tellers fand sie Monate später wieder. Die Kälte des Januars war der Wärme des Mais gewichen. Er hatte seinen Job verloren und sie ihre Wohnungsschlüssel (im Februar und im April). Wie im Januar hatte er auch jetzt nicht mit ganzer Wucht zugeschlagen. Wie damals nicht in ihr Gesicht getroffen, sondern ihre Brust. Sie hatte ähnlich gestanden wie im Januar. Leicht zur Tür eingedreht. Die Tür, welche in den Flur führte, welcher zur Tür führte, die hier raus führte. Vielleicht war es das. Damals und dieses Mal. Im Januar hatte sie einen Teller nach ihm geworfen. Hatte ihn erschreckt und verunsichert. Jetzt nicht. Trotzdem hatte er sie nicht voll erwischt, sodass sie zwar wieder stürzte, aber nur so weit über den Boden rutschte, dass ihr Kopf etwa eine Handbreit vor dem Schrank zum Liegen kam. Nah genug, aber nicht zu nah. Sie konnte die Scherbe unter dem Schrank sehen. Plötzlich und klar. Wie in einem Zaubertrick. Die meisten Teile vom Teller mit dem Spruch "Grüsse aus dem Allgäu" hatten sie damals aufgesammelt und weggeworfen. Was jetzt plötzlich einfach so da war, war ein kleines Stück vom Rand, das da so lag wie sie.
 
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petrasmiles

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Hallo Kuehen,

diese lakonische Sprache, so sachlich, kein Drama, Ursache und Wirkung? Keine Wertung, kaum Gefühle, die Scherbe lag da so wie sie. Schaut man so auf sich, auf eine Situation? Ist es eine Abgestumpftheit, ein sich einfinden in etwas?
Ein kleiner Text mit großer Wirkung.

Liebe Grüße
Petra
 

kuehen

Mitglied
Hallo Petra, danke für dein Lob! Ich hatte sehr lange nichts mehr geschrieben und einfach irgendwo begonnen. Wohin es diese kleine Episode dann führte, überraschte mich selber. Was das alles bedeutet und was.es.mit mir zu tun hat, werde ich vielleicht später herausfinden.

Marcus
 

petrasmiles

Mitglied
Lieber Marcus,

um so schöner, dass Du den Weg zurück gefunden hast. Denn das ist doch ein wunderbarer Moment, wenn man so anfängt und dann will es so geschrieben werden. Ist es dann wichtig, was es mit 'mir' zu tun hat? Woher stammen die Bilder, die in die Tiefe versinken und eines Tages aufsteigen und Inspiration werden?

Jetzt nicht wieder aufhören! (Bitte)

Liebe Grüße
Petra
 

Ubertas

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Hallo @kuehen,
Die Tür, welche in den Flur führte, welcher zur Tür führte, die hier raus führte. Könnte man kritisieren. Dreimal führte. Ich tue es nicht! Es passt haargenau zu den sich wiederholenden Einschlägen, die nicht "offensichtlich" vergeben wurden. Der Wechsel der Jahreszeiten spielt keine Rolle. Die knappe Verfehlung des Schranks. So handbreit. Es ist nicht einmal ein Zaubertrick - der Blick über den Tellerrand. Seine Scherben aufzusammeln, wenn er zerbrochen ist, einen selbst zerbricht, sei es als Beworfener oder Beobachter, ist umso schwerer. Dafür gibt es keinen Kitt.
Die Scherbe unter der Schrankwand ist ein Bruchteil dessen, die sichtbar macht, was geschehen ist.
Ich möchte mich Petras lieben und zutreffenden Worten anschließen, insbesondere
a) ein kleiner Text mit großer Wirkung
b) jetzt nicht wieder aufhören (Bitte)
und
c) jetzt von mir: schreib weiter!
Lieben Gruß ubertas
 

lietzensee

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Hallo kuehen,
ich schließe mich an, das ist ein ganz ausgezeichneter Text! Da ist kein Wort zu viel und die ungewöhnliche Sprache verstärkt die Wirkung. Ubertas hat da ja schon ein gutes Beispiel genannt.

Viele Grüße
lietzensee
 

Sonja59

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Hallo kuehen,

ein super Text. Mache bitte weiter. Wird bestimmt noch ganz interessant.
Hier nur ein paar Kleinigkeiten, die mir beim Lesen aufgefallen waren. Das ist aber kein Muss, schließlich bin ich bei weitem nicht unfehlbar.


Ein Teil vom Teller des Tellers fand sie Monate später wieder. Die Kälte des Januars war der Wärme des Mais gewichen. Er hatte seinen Job verloren und sie ihre Wohnungsschlüssel (im Februar und im April). Wie im Januar hatte er auch jetzt nicht mit ganzer Wucht zugeschlagen. Wie damals nicht in ihr Gesicht getroffen, sondern ihre Brust. Sie hatte ähnlich gestanden wie im Januar. Leicht zur Tür eingedreht. Die Tür, welche in den Flur führte, welcher zur Tür führte, die hier raus führte. Vielleicht war es das. Damals und Diesesmal dieses Mal. Im Januar hatte Sie sie einen Teller nach ihm geworfen. Hatte ihn erschreckt und verunsichert. Jetzt nicht. Trotzdem hatte er sie nicht voll erwischt, so dass sodass sie zwar wieder stürzte, aber nur so weit über den Boden rutschte, dass ihr Kopf etwa eine Handbreit vor dem Schrank zum liegen Liegen kam. Nah genug, aber nicht zu nah. Sie konnte die Scherbe unter dem Schrank sehen. Plötzlich und klar. Wie in einem Zaubertrick. Die meisten Teile vom Teller mit dem Spruch "Grüsse aus dem Allgäu" hatten sie damals aufgesammelt und weggeworfen. Was jetzt plötzlich einfach so da war, war ein kleines Stück vom Rand, dass das da so lag wie sie.

Liebe Grüße
 



 
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