Der Teppich

Matula

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Als der letzte Stern zerrissen war, seine glühende Asche nicht mehr Kurs halten konnte und sanft in den dunklen Abgrund schlitterte, wurde es sehr still. Nur das tiefe Heulen der sich jagenden Schwerkraftmonster war zu hören. Noch waren die Verschränkungen intakt, aber die Zeit lag in ihren letzten Zügen.

Der Meister, der sich selbst gern als Teppichknüpfer bezeichnete, betrachtete sein Werk. Es war zweifellos besser als das vorangegangene und besser als alle Vorläufer, deren Material er wieder und wieder verwendet hatte. Das Gewebe war dichter, die Fäden stärker und glänzender. Vieles war entstanden und vergangen. Aber alles war noch da - und würde bleiben, sofern er nicht die Rückführung in den Ausgangszustand befahl.

Mit wenigen Anweisungen konnte er eine neue Welt erschaffen, vielleicht noch größer, noch bunter und detailreicher. Der große Webstuhl stand bereit. Als er aber den Befehl zum Abketten aller Verbindungen geben wollte, fiel ihm eine Unregelmäßigkeit auf. Ein Gewirr von Fäden am Rande einer Arabeske. Er trat näher, um den Schaden zu untersuchen.

In einer mittelgroßen Galaxie war es unbemerkt zu einem verheerenden Zwischenfall gekommen. Die Geschöpfe eines Planeten, die der Meister für besonders gelungen erachtet hatte, waren dabei, ihre Leben auszuhauchen. Sie fielen aus den Lüften, stürzten in saure Gewässer, rangen verzweifelt nach Atem und wurden unter Bergen aus glühender Lava begraben. Vordem waren sie vital und mächtig gewesen, hatten jeden Ort des Planeten in Besitz genommen. Nun liefen des Nachts winzige vierbeinige Kreaturen mit boshaften schwarzen Äuglein und spitzen Nasen zwischen ihren sterbenden Leibern umher und taten sich gütlich an ihnen.

Der Meister sah, dass dort, wo das Schiffchen aus dem Takt geraten war, das Muster unterbrochen und ein abweichendes fortgesetzt worden war. Die hässlichen kleinen Kreaturen wuchsen, verzweigten und vergabelten sich in immer neue Geschöpfe, in denen er sich kaum wiedererkannte. Am Ende sah er die Knochen der Ausgestorbenen in riesigen Schauräumen ausgestellt und ihre Körper zu Miniaturen aus Kunststoff gegossen. Voll Abscheu schüttelte er seinen großen knöchernen Kamm. Dieses Machwerk wollte er nicht mit seinem Namen verbunden wissen und so gab er mit seinen kurzen Vorderpfoten den Befehl, auch dieses Weltengewebe aufzutrennen.
 
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