der test

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mondnein

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der test


der test du siehst ein photo einen mann der macht ne frau an
die prüft den jungen bock und lächelt süszer bist du zärtlich
nun sag fühlst du dich ein in ihn den mann bist du identisch
mit diesem lamm das bald in ihrem mund zergeht wie sahne?

vielleicht jedoch machst du dein kreuz bei dieser andern antwort
wo du nichts sagst nein langsam stehst du auf und schleifst den andern
zum galgenberg hinauf und schlägst das kreuz auf seine stirne
und so gesegnet gibst du ihn als brot den scharfen elstern

und kehrst zurück zur camera des herzens die nun frei ist
ach liebt sie nicht den mann da drauszen der zu vögeln zärtlich?
doch sie verwechselt dich mit ihm du sagst du bist identisch
mit dir und dann vergeht sie zart in deinem mund wie sahne
 

sufnus

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Hey!
Das ist ein Gedicht, das man bei aufgeschlossener aber oberflächlicher Lektüre leicht mögen und bei eingehenderer Betrachtung ebenso leicht als Fehlversuch werten kann. Nachdem ich beide Impulse hinter mir gelassen habe, nehme ich aus der Anfangsfreude dann doch so viel positive Schwingungen mit, dass es mich über die Schiefheiten hinwegrettet.
Zu dem Kritischen: Die ganze Mittelstrophe drückt viel zu heftig auf den Dramaknopf und dann auch noch aus einem wirklich unverständlichen Motiv heraus: Die ganze Strophe hat ihren einzigen Daseinszweck darin, als Stichwortgever für das Wort "Vogel" zu fungieren, auf dass dann in der Strophe 3 der wirklich auf billigstem Anti-Humor-Niveau daherkommende Vögelwitz seine pointenschwache Urständ feiern darf.
Puh.
Warum bin ich dennoch recht frohgestimmt, nach dem Genuss (sic) dieses Gedichts? Tatsächlich hat mich das identitätstauschende, gedoppelte Doppelspiel der Zeilen, das mich ein bisschen an Verwechslungskomödien in klassischen Buffo-Opern denken lässt, so erheitert, dass ich dem Gedicht (beinahe) alles verzeihe. Keinesfalls aber rechtfertigt dieser mildernde Umstand, angesichts all der verbauten Plumpheiten, eine Höchstwertung.
Ich tu es trotzdem aus rein sujektivem Ich-weiß-auch-nicht-wieso.
LG!
S.
 

mondnein

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aber was hätte der Autor denn "versucht"?

etwa, den "Test" zu bestehen?

oder - besser noch: der Eifersucht des einen der beiden lyrischen Subjekte auf das andere in einem Pseudotest Ausdruck zu geben?

klassische Interpretationsverwechselung von Autor, erstem Leser und lyrischem Subjekt (gleich, welchem der beiden), oder dem Psychologen, der den Test schreibt, der sich auch noch mit einem der beiden lyrischen Subjekte unsymmetrisch spiegelt.
ein unfähiger Wissenschaftler wäre er, der sich in seine Arbeit unprofessionell einbringt; er ist offensichtlich bloß Maske des eigentlichen Lyris, des eifersüchtigen.

die "vögel" sind natürlich die "scharfen elstern" (zwei Zeilen darüber),
das ist eine gedichtsimmanente Beziehung, die zum Inhalt gehört und jede externe Beziehung, die auch noch redensartlich im Spott des "zweiten" Lyris dahin-geworfen wird, wertlos oder zumindest weniger gewichtig macht.

aber auf Freuds Couch hat schon mancher Interpret seine Träume offenbart. Der Doktor schüttelt den Kopf und weist auf die Differenz von Träumer und Arzt, von Lyri und Autor und last but not least von Autor und Leser hin.

Du kannst noch viel lernen, Sufnus, von wem auch immer (wenn auch nicht von meiner unmaßgeblichen Wenigkeit)

grusz, hansz
 

mondnein

Mitglied
dass ich dem Gedicht (beinahe) alles verzeihe
Dankeschön, Sufnus

für Deinen etwas spießig-bemühten Interpretationsversuch (...), der mir die Gelegenheit gegeben hat, auf die Differenz von Lyrischem Ich (bzw. hier eher noch: Lyrischem Du) und Autor (bzw. erstem Leser) hinzuweisen.

Ich konnte viel an Deinem Mißverständnis lernen, herzlichen Dank dafür: Man darf die Leser nicht überfordern!

grusz, hansz
 



 
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