Der Tod an der ScheinBAR, oder wofür Cocktails gut sein können.

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Hagen

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Der Tod an der ScheinBAR, oder wofür Cocktails gut sein können.

Als die Wunderbare Ulrike und ich neulich mit einem ‘Life’s Railway to Heaven‘, erbaulicher Musik und geöffneter Terrassentür, weil eine mondlichtdurchflutete Nacht den Himmel erhellte, an der ScheinBAR saßen, stand da plötzlich ein schwarzgewandeter Kerl mit einer Sense auf der Schulter rum und begehrte mit den Worten Einlass: „Ich bin der Tod und soll euch jetzt mal eben abholen! Machen sie mir bitte keinen Stress, ich habe gleich Feierabend.“
„Interessant“, meinte die Wunderbare Ulrike daraufhin und fuhr fort: „Wir möchten aber zuerst unsere Cocktails in Ruhe austrinken! – In den Schriften von Xenophon hat Sokrates auch keine Angst vor dem Tod gehabt, da er glaubt, so den Gebrechen des Alters entgehen zu können – und das mit 70 Jahren! – Möchten sie auch einen Cocktail?“
Der Kerl mit der Sense stutzte, zückte ein Notizbuch, schlug es auf und sagte: „Ich habe heute bereits dreizehn Leute abgeholt, die alle rumgejammert haben! Vom Tod wird erwartet, dass er verlässlich, pünktlich und vor allem stressresistent ist, kundenorientiert arbeiten kann und selbst nach längeren Touren noch freundlich und korrekt auftritt! Ich könnte den Job als Tod manchmal an die Wand klatschen und Bestatter werden! Immer muss ich die Vorarbeit für diese Typen leisten, die immer lustig drauf sind, so keine Angehörigen des Verstorbenen zugegen sind! – Aber wenn sie mir einen Cocktail anbieten, kann ich nicht ‘Nein‘ sagen! – Euch beide schaffe ich noch leicht bis Feierabend, trotz des Stresses, dem ich ständig unterworfen bin.“
„Das kenne ich aus der Zeit als ich noch als Taxifahrer tätig war“, sagte ich, „da wurde von mir auch erwartet, dass ich verlässlich, pünktlich und vor allem stressresistent war, kundenorientiert arbeiten konnte und selbst nach längeren Touren noch freundlich und korrekt auftrat! – Darf‘s auch ein ‘Life’s Railway to Heaven‘ sein, so kurz vor Feierabend?“
„Das ist mir ja noch nie passiert, dass mir ein Kunde einen Cocktail angeboten hat, wenn ich ihn abholen sollte. – Übrigends ist ‘Life’s Railway to Heaven‘ ein ganz entzückender und passender Name für einen Cocktail.“
Der Tod stellte seine Sense in eine Ecke der ScheinBAR, murmelte: „Blödes Ding, aber vom Tod wird erwartet dass er ständig eine Sense mit hat!“, und nahm auf einem Hocker Platz, während ich mit der Zubereitung des Cocktails begann.
„Das kann man wohl sagen!“ meinte ich dabei, „vor einem Taxifahrer wurde ja auch nicht erwartet, dass er ständig ein Lenkrad um den Hals trägt. – Ich hoffe, sie holen uns beide in den Himmel. Da wir uns nie trennen wollen, möchten wir eigentlich vor dem Tod her noch was Vernünftiges gemeinsam tun, die Eigernordwand besteigen zum Beispiel …“
„Das wird schwierig werden! – Die Dame soll ich im Himmel abliefern, und sie im Limbus!“
„Limbus? Was ist das denn? – So, hier haben sie erst mal ihren ‘Life’s Railway to Heaven‘. Wohl bekomm’s."
„Limbus, umgangssprachlich auch Vorhölle“, der Sensenmann nahm einen Schluck ‘Life’s Railway to Heaven‘, murmelte: „Phantastisch!“ und fuhr fort: „bezeichnet in der Theologie einen Ort, an dem sich Seelen befinden, die ohne eigenes Verschulden und der bescheuerten Anschauung meines Chefs vom Himmel ausgeschlossen sind oder waren. – Wirklich gut, ihr Cocktail!“
„Ah ja der Limbus ist sowas Ähnliches wie beim Fußball das Relegationsspiel, welches über Aufstieg oder Abstieg entscheidet. - Sie können gerne noch einen ‘Life’s Railway to Heaven‘, haben, wenn sie mich sowieso in den Limbus bringen sollen. – Ich konnte als Taxifahrer den Fahrgast ja auch nicht zum Bahnhof bringen, wenn er zum Airport wollte. Ich musste immer rasen wie ein Hammerkraker, weil mein Chef so kurzfristig disponiert hat.“
„Sie sagen es! – Sie können sich gar nicht vorstellen, was das für mich ein Stress ist! Vor dem Limbus sitzt nämlich der Kerberos.“
„Kerberos? Wer ist das denn schon wieder?“
Schluck ‘Life’s Railway to Heaven‘.
„Kerberos“, fuhr der Sensenmann fort und nahm auch einen Schluck ‘Life’s Railway to Heaven‘, „ist ein mehrköpfiger Höllenhund, der den Eingang zum Limbus bewacht, damit kein Lebender eindringt und kein Toter herauskommt. Ale wenn das jemand freiwillig tun würde!“ Schluck ‘Life’s Railway to Heaven‘. „Wenn ich sie nicht rechtzeitig abliefere macht der Feierabend und ich kann dann vor der Vorhölle übernachten um sie loszuwerden und den ganzen Papierkram zu erledigen!“
Schluck ‘Life’s Railway to Heaven‘. „Man, man, man ist das immer ein Stress!“
„Wie ich das so sehe“, sprach die Wunderbare Ulrike und nahm auch einen Schluck ‘Life’s Railway to Heaven‘, „sind Häufig Menschen mit hohem Leistungswillen, Idealismus und Perfektionismus betroffen, die Misserfolge im Arbeitsfeld als persönliche Niederlage ansehen und auf schlechte Arbeitsbedingungen mit noch mehr selbstschädigender Anstrengung reagieren.“
Schluck ‘Life’s Railway to Heaven‘.
„Zur weiteren Förderung der Stressresistenz“, fuhr sie fort, „eignen sich ausgewogene Freizeitphasen und Entspannungstrainings wie Autogenes Training und Yoga, sowie Achtsamkeitsübungen …“
„Wie, Achtsamkeitsübungen?“
„Achtsamkeitsübungen“, fuhr die Wunderbare Ulrike weiterhin fort und nahm einen Schluck ‘Life’s Railway to Heaven‘, „lenken die Aufmerksamkeit auf sinnliche Eindrücke und Atmosphären, Körper und Bewegung, Gedanken und Gefühle sowie ihre Beziehungen zu anderen Menschen, die sie abholen sollen, und zur nichtmenschlichen Umwelt.“
„Hm“, der Sensenmann nahm noch einen Schluck ‘Life’s Railway to Heaven‘, „vielleicht sollte ich doch zum Bestatter umschulen, oder?“
„Das müssen sie selbst entscheiden“, meinte die Wunderbare Ulrike und nahm auch einen Schluck ‘Life’s Railway to Heaven‘, „für uns Idealisten stellt der Tod nach Pythagoras und Platon, einen Übergang ins Jenseits dar, wobei sie natürlich behilflich sein müssen! Sie haben also eine hohe ethische Aufgabe, der sie, trotz allem Stress, den dieser Job für sie bedeutet, bewältigen müssen.“ Schluck ‘Life’s Railway to Heaven‘, „Bei den jüdischen, christlichen oder muslimischen Denkern wird das Ableben zudem entweder durch Seelenwanderung oder durch Wiederauferstehung von Körper und Seele als eine Befreiung verstanden.“
Der Sensenmann machte ein verständnisloses Gesicht und trank seinen ‘Life’s Railway to Heaven‘, aus.
„Darüber muss ich erst mal nachdenken!“, murmelte er, „kann ich bitte noch einen ‘Life’s Railway to Heaven‘ haben?“
„Selbstverständlich“, sagte ich, „und bei der Entscheidung hilft ihnen die Wunderbare Ulrike mittels Achtsamkeitsübungen sicherlich gerne. Niemand sonst ist dabei so sensitiv und feinfühlig wie die Wunderbare Ulrike! Die Schulung der Achtsamkeitsübungen dauert leider ein Weilchen, das sollten sie bitte einplanen!“
„Das werde ich unbedingt tun und dann, weil ich sowieso Feierabend habe, in den nächsten Tagen wieder reinschauen.“
„Es eilt aber nicht“, meinte ich, „aber zu Trinken ist für sie immer ein Cocktail an der ScheinBAR da! So, bitteschön ihr ‘Life’s Railway to Heaven‘.“


Life’s Railway to Heaven
4 cl Ramazzotti
4 cl Wermut
2 cl Gin
8 cl Granatapfelsaft
Eis
Deco Cocktailkirsche
 

Klaus K.

Mitglied
Tok, tok, tok, tok, tok.....fünfmal klopft der Sensenmann, und hängt jedesmal ein Sternchen dran! Spitze! Mit Gruß, klaus
 
Tja, das sieht ja nun anscheinend ganz so aus, als ob der Tod nun immer mal wieder in der ScheinBAR erscheinen wird, um den einen oder anderen Cocktail zu sich zu nehmen. Und das, wo der Gast doch gerade - durchaus nicht durch eingene Schuld, sondern durch recht mangelhafte und schlampig ausgeführte menschliche Achtsamkeitsübungen - ein ekleckliches Maß an Mehrarbeit zu bewältigen hat.

Eventuell wäre dann ja mal eine geänderte Rezeptur des "‘Life’s Reailway to Heaven" angesagt, etwa durch Ersetzen des Ramazzotti mit Stroh-Rum. Allerdings müsste dann wohl auch der Name angepasst werden, z. B. in "Reailway to Hell", wobei ja nicht klar ist, ob der finale Reiseleiter überhaupt die Lizenz für diesen Ort hat oder nur fürs Oben sowie für das sagenumwobene Zwischenreich.

Jedenfalls wünsche ich den Betreibern der ScheinBAR weiterhin frohes Schaffen und auch sonst alles, was sie sich selber wünschen.

MfG
Binsenbrecher,

der die die Cocktails durchaus literearisch zu goutieren vermag, solange er sie nicht physisch verkosten muss, was aber für eine ScheinBAR sowieso höchst unwahrscheinlich wäre.
 

Hagen

Mitglied
Hallo Klaus,
danke für die Beschäftigung mit meinem Text und den Sternenregen.
Dein 'Gedicht' finde ich hübsch!
Wenn man die Tok, tok, tok, tok, toks ... als ein Wort sieht, ist es schon ein Elfchen!

Nun denn, in diesem Sinne, wir sehen uns in der ScheinBAR!
Zudem lesen wir uns weiterhin!
... und bleib' schön fröhlich, gesund und munter, weiterhin positiv motiviert sowie negativ getestet, guten Willens und stets heiteren Gemütes!
Herzlichst
Yours Wunderbare Ulrike & Hagen

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Man darf die dicke Frau nicht auf den kaputten Stuhl setzen!
 

Hagen

Mitglied
Hallo Binsenbrecher,
auch Dir das Gleiche.
Allerdings macht der Sensenmann nun doch eine Umschulung zum Bestatter, was er uns bei dem gestrigen Besuch an der ScheinBAR erzählte.
Die Achtsamkeitsübungen sind dabei keinewegs schlampig ausgeführt, denn was die Wunderbare Ulrike tut, tut sie stets in höchster Vollendung!
Was den "Reailway to Hell" betrifft, so meint die Wunderbare Ulrike, dass wir den Strohrum durch Sangrita ersetzen sollten.
Wir arbeiten dran.
Nun denn, in diesem Sinne, wir sehen uns in der ScheinBAR!
Zudem lesen wir uns weiterhin!
... und bleib' schön fröhlich, gesund und munter, weiterhin positiv motiviert sowie negativ getestet, guten Willens und stets heiteren Gemütes!
Herzlichst
Yours Wunderbare Ulrike & Hagen
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Ich kenne kein Problem, welches man nicht durch Sex, Pizza, Drogen, Erpressung oder Cocktails in Verbindung mit tiefem Nachdenken beheben könnte!
 



 
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