Der Todestanz

onivido

Mitglied
Guten Tag Rumpelsstilzchen, Ji und Thomas,
Ich weiss eine Kurzgeschichte sollte direkt ins geschehen “reinplatzen”, ABER
da meine Geschichten fast immer in einem Milieu spielen , das dem Leser nicht unbedingt bekannt sein muss, finde ich es noetig ein bischen was darueber zu sagen, damit die Geschichte verstaendlich wird. Vielleicht ist es dann eben keine Kurzgeschichte mehr, aber was ist sie dann? Waere ich ein versierter Schreiber koennte ich die Einleitung auf ein paar Worte beschneiden, die den Zweck erfuellten, aber so wie das bei mir dann aussieht, ist es wie bei dem Stuhl mit den ungleichen Beinen. Nach euerer Kritik habe ich mir meine Geschichte ”Geschmacksache” nochmals angesehen. Auch hier ist die Einleitung unflaetig laenger, als der Kern der Geschichte. Anscheinend hat man das verziehen, weil sie in der Rubrik “Tagebuch” steht. Uebrigens bin ich keineswegs identisch mit dem Ich-Erzaehler.
Ich habe mal gelesen eine sehr kurze Kurzgeschichte sei diese:
“Ach, nehmen Sie doch die Hand von meinem Knie”, sprach die Graefin zum Bischof.”
Bei mir waere da noch gestanden, wie es dazu kam, dass sich die Hand des geistlichen Wuerdentraegers dahin verirrte.
Ich wuensche einen vergnuegten Abend///Onivido
 

Ji Rina

Mitglied
@Onivido: ""da meine Geschichten fast immer in einem Milieu spielen , das dem Leser nicht unbedingt bekannt sein muss, finde ich es noetig ein bischen was darueber zu sagen, damit die Geschichte verstaendlich wird.""
Das Problem kenne ich :D
(Natürlich ist Deine Geschichte eine Kurzgeschichte.
Geschmacksache hab ich gelesen, aber nicht verstanden.)

Dir lieben Gruß!
Ji
 

onivido

Mitglied
Hola Ji,
da ist die Geschmacksache also vollkommen daneben gegangen. Wenn man eine Geschichte erklaeren muss, taugt sie wirklich michts.
Also, frueher waren die Boesen in USA die Italiener, dann die Russen und jetzt sind die Ausgeburt der Hoelle die Kolumbianer. Fuer den Mann aus Arkansas ist es ein krimmineller Akt sich mit einer Schwarzen einzulassen, was in diesem Fall die Schaendlichkeit der Kolumbianer bestaetigt,
Gute Nacht y dulces sueños
 

onivido

Mitglied
Martín konnte sich nicht erklären, was in ihn gefahren war. Er hatte sich in ein Zimmermädchen des Continental verliebt. War es vielleicht Heimweh? Bei einem kurzen Wortwechsel hatten sie sich als Landsleute erkannt. Reflexartig hatte er sie zu einem Strandbesuch an ihrem freien Tag überredet. Die dunkle Aphrodite hatte Aufsehen erregt und auch Martín war ihren Reizen verfallen. Yamilé war in einer Siedlung am Stadtrand aufgewachsen. Ihre Bewohner waren vom Land in die Stadt gezogen, in der Hoffnung auf ein besseres Leben, besser als die Schufterei auf dem Lande unter der sengenden Sonne. Im Laufe der Jahre hatte sich dieses Labyrinth von unverputzten Ziegelbauten mit Wellblechdächern und Holzhütten dazwischen zu einem Slum gewandelt. In den engen, winkeligen Gassen herrschten Banden, Drogen, Überfälle und Morde waren alltäglich. Yamilé war diesem Sumpf des Elends entflohen. Wie viele Lateinamerikaner war sie illegal nach Spanien eingewandert. Martin gefiel, wie sie sich in jeder Situation zurecht fand, trotz des wenig stimulierenden Umfelds in dem sie aufgewachsen war. Er bewunderte ihre Entschlossenheit ihren Traum von einem Leben an einem Ort wahrzumachen, an dem sie nicht fürchten musste dass eine verirrte Kugel aus dem Nichts dem Leben ihrer Kinder ein jähes Ende bereiten würde. Im Vergleich mit ihr schnitt er schlecht ab. Seine Eltern waren nicht arm. Er hatte studiert, war im Besitz eines Passes der europäischen Gemeinschaft und hatte nichts Anderes zu tun gefunden, als Flüchtlinge auf seinem Catamarán von Nordafrika nach Spanien zu transportieren. Was ihn dabei antrieb war weniger der finanzielle Gewinn; manchmal, wenn das “Landemanöver” reibungslos von statten gegangen war, gab er seinen Passagieren beschämt die Hälfte der Bezahlung zurück. Was ihn reizte war die Polizei und die Küstenwache zu überlisten, sich gegen die Allmacht eines Staates zu stemmen und vor allen Dingen den gewissenlosen Menschenschmugglern Kunden wegzunehmen. Bei Gelegenheit wollte er später Yamilé die Wahrheit beichten. Er hatte ihr erzählt er sei Geologe, was auch nicht gelogen war.
Heute hatten sie eine lange Bergwanderung hinter sich. Die Dunkelheit war bereits hereingebrochen. Sie wollten den Zehnuhrzug zur Küste nicht verpassen. Um Zeit zu gewinnen wählten sie einen Schleichweg durch einen Olivenhain. Mitten im Hain brannte ein Feuer, um das lachende Männer standen. Yamilé wollte die Gruppe umgehen, aber Martín hatte es eilig und wollte keine Zeit verlieren. In unmittelbarer Nähe sahen sie den Grund der Heiterkeit der Männer. Von dem Ast eines Olivenbaums hing eine Schlinge, die um den Hals eines Galgos (spanischer Windhund) gelegt war. Der Hund musste sich auf seinen Hinterbeinen balanzieren um nicht von der Schlinge erdrosselt zu werden. Dieses Schicksal ereilte ihn, wenn er ermüdete.
Niemand hatte sie bemerkt und Martín schlug jetzt vor einen Umweg zu machen.
“Wir können doch nicht zulassen was sie mit dem Hund machen“, sagte Yamilé empört.
Martín zögerte.
“Bist du zu feige “, flüsterte Yamilé beinahe unhörbar.
Martín antwortete nicht.
War es Verachtung, oder nur ungläubiges Erstaunen, was sich in Yamilés schwarzen Augen spiegelte? Ihr Blick schmerzte Martín mehr als ihre Worte.
Seine Antwort hörte sie nicht mehr.
Sie war in den Kreis des Lichtscheins getreten und schritt, taub für die gegrölten Zoten der Tierschinder, auf den zappelten Hund zu, hob ihn an und ehe einer der Umstehenden sie daran hindern konnte, streifte sie die Schlinge von seinem Hals und liess ihn los.
Erst jetzt erholten sich die Kerle von ihrer Verblüffung.
“Negra de mierda”, brüllte ein bulliger Fettwanst und zerrte Yamilé an den Haaren auf die Knie. Yamilé krallte ihre Fingernägel in seinen Unterarm. Er schüttelte sie wie ein Pitbull eine Katze.
Ein Knall.
Aufschreiend liess der Mann von Yamilé ab. Sein linker Schuh färbte sich blutrot. Martín stand neben ihm. Im Dämmerlicht verlieh ihm eine Sonnenbrille das Aussehen eines Sicarios. Er hielt eine Pistole in der Hand, mit dem Kolben waagrecht, wie Yamilé es bei den choros – den Gangstern im Slum - viel zu oft gesehen hatte.
“¡Quietecitos todos!”
“Auf den Boden, oder ich lege euch um!” befahl Martín mit heiserer Stimme.
“¡Sudaca del carajo!”
Martín antwortete nicht. Seine Pistole bellte, als der Mann einen Schritt auf ihn zumachte. Schreiend fasste er sich an die Schulter und sank auf die Knie.
Das Gelächter, das Grölen war verstummt. Nur das Stöhnen der Verwundeten und das Zirpen der Grillen unterbrach die Stille. In der Ferne auf der Landstrasse summten die vorbeifahrenden Autos.
“Zieht eure Schuhe aus und gebt mir eure Handies”, befahl Martin.
Er sammelte Schuhe und Telefone ein, warf sie ins Feuer und drückte Yamilé die Pistole in die Hand.
“Wenn sich einer rührt, jagst du ihm eine Kugel in den Leib”.
Er fasste die Schlinge, nahm Mass an seinem Nacken und verkürzte das Seil mit einem Seemannsknoten.
Dann nahm er die Pistole wieder aus Yamilés leicht zitternder Hand und ging ein paar Schritte auf die am Boden liegenden Männer zu. Mit dem Pistolenlauf zeigte er auf einen korpulenten Mann mittleren Alters.
“Steh auf” befahl er .
“Bring ihn her”, sagte er und deutete mit dem Lauf auf einen Eimer.
Mit der Pistole lenkte er den Mann mitsamt Eimer zu der Schlinge.
Yamilé ahnte wozu Martín den Eimer brauchte.
“Übertreib nicht”, sagte sie
Martín schien ihren Einwand nicht gehört zu haben. Er stellte den Eimer mit dem Boden nach oben unter die Schlinge.
“Steig auf den Eimer”, befahl er.
Der Mann bewegte sich nicht
Martín richtete den Lauf auf den Unterleib des Mannes
“Was ist dir lieber, ein paar Minuten mit einer Schlinge um den Hals zu tanzen wie ein Galgo, oder von einer Kugel kastriert zu werden?”
Weinend stieg der Mann auf den Eimer.
Martín legte ihm die Schlinge um den Hals. Ein Fusstritt gegen den Eimer, der Mann fiel, fing sich auf seinen Zehenspitzen und tänzelte verzweifelt, um das Gleichgewicht zu bewahren. Der Strick lag gespannt um seinen Hals. Wenn er ermüdete würde er sich selbst erhängen, wie ein Galgo.
Seine Kumpane wagten nicht ihm beizustehen, solange Martín sie mit der Pistole bedrohte.
Langsam wandte sich Martín zum Gehen. Er fasste Yamilé bei der Hand, hielt sie fest in der seinen. Er würde versuchen sie zu halten solange er lebte.

Die vorstehende Geschichte ist leider nicht ganz erfunden.
Dieser Spektakel wird im ländlichen Spanien“el baile de la muerte- der Todestanz” , oder auch “tocar el piano” – “Klavier spielen” genannt, wahrscheinlich weil der Hund verzweifelt mit den Vorderpfoten rudert, um sich auf zwei Beinen halten zu koennen.
Uebrigens “ Sudaca” sagen die Spanier wenn sie einen Suedamerikaner beleidigen wollen.
 

onivido

Mitglied
Martín konnte sich nicht erklären, was in ihn gefahren war. Er hatte sich in ein Zimmermädchen des Continental verliebt. War es vielleicht Heimweh? Bei einem kurzen Wortwechsel hatten sie sich als Landsleute erkannt. Reflexartig hatte er sie zu einem Strandbesuch an ihrem freien Tag überredet. Die dunkle Aphrodite hatte Aufsehen erregt und auch Martín war ihren Reizen verfallen. Yamilé war in einer Siedlung am Stadtrand aufgewachsen. Ihre Bewohner waren vom Land in die Stadt gezogen, in der Hoffnung auf ein besseres Leben, besser als die Schufterei auf dem Lande unter der sengenden Sonne. Im Laufe der Jahre hatte sich dieses Labyrinth von unverputzten Ziegelbauten mit Wellblechdächern und Holzhütten dazwischen zu einem Slum gewandelt. In den engen, winkeligen Gassen herrschten Banden. Drogen, Überfälle und Morde waren alltäglich. Yamilé war diesem Sumpf des Elends entflohen. Wie viele Lateinamerikaner war sie illegal nach Spanien eingewandert. Martin gefiel, wie sie sich in jeder Situation zurecht fand, trotz des wenig stimulierenden Umfelds in dem sie aufgewachsen war. Er bewunderte ihre Entschlossenheit ihren Traum von einem Leben an einem Ort wahrzumachen, an dem sie nicht fürchten musste dass eine verirrte Kugel aus dem Nichts dem Leben ihrer Kinder ein jähes Ende bereiten würde. Im Vergleich mit ihr schnitt er schlecht ab. Seine Eltern waren nicht arm. Er hatte studiert, war im Besitz eines Passes der europäischen Gemeinschaft und hatte nichts Anderes zu tun gefunden, als Flüchtlinge auf seinem Catamarán von Nordafrika nach Spanien zu transportieren. Was ihn dabei antrieb war weniger der finanzielle Gewinn; manchmal, wenn das “Landemanöver” reibungslos von statten gegangen war, gab er seinen Passagieren beschämt die Hälfte der Bezahlung zurück. Was ihn reizte war die Polizei und die Küstenwache zu überlisten, sich gegen die Allmacht eines Staates zu stemmen und vor allen Dingen den gewissenlosen Menschenschmugglern Kunden wegzunehmen. Bei Gelegenheit wollte er später Yamilé die Wahrheit beichten. Er hatte ihr erzählt er sei Geologe, was auch nicht gelogen war.
Heute hatten sie eine lange Bergwanderung hinter sich. Die Dunkelheit war bereits hereingebrochen. Sie wollten den Zehnuhrzug zur Küste nicht verpassen. Um Zeit zu gewinnen wählten sie einen Schleichweg durch einen Olivenhain. Mitten im Hain brannte ein Feuer, um das lachende Männer standen. Yamilé wollte die Gruppe umgehen, aber Martín hatte es eilig und wollte keine Zeit verlieren. In unmittelbarer Nähe sahen sie den Grund der Heiterkeit der Männer. Von dem Ast eines Olivenbaums hing eine Schlinge, die um den Hals eines Galgos (spanischer Windhund) gelegt war. Der Hund musste sich auf seinen Hinterbeinen balanzieren um nicht von der Schlinge erdrosselt zu werden. Dieses Schicksal ereilte ihn, wenn er ermüdete.
Niemand hatte sie bemerkt und Martín schlug jetzt vor einen Umweg zu machen.
“Wir können doch nicht zulassen was sie mit dem Hund machen“, sagte Yamilé empört.
Martín zögerte.
“Bist du zu feige “, flüsterte Yamilé beinahe unhörbar.
Martín antwortete nicht.
War es Verachtung, oder nur ungläubiges Erstaunen, was sich in Yamilés schwarzen Augen spiegelte? Ihr Blick schmerzte Martín mehr als ihre Worte.
Seine Antwort hörte sie nicht mehr.
Sie war in den Kreis des Lichtscheins getreten und schritt, taub für die gegrölten Zoten der Tierschinder, auf den zappelten Hund zu, hob ihn an und ehe einer der Umstehenden sie daran hindern konnte, streifte sie die Schlinge von seinem Hals und liess ihn los.
Erst jetzt erholten sich die Kerle von ihrer Verblüffung.
“Negra de mierda”, brüllte ein bulliger Fettwanst und zerrte Yamilé an den Haaren auf die Knie. Yamilé krallte ihre Fingernägel in seinen Unterarm. Er schüttelte sie wie ein Pitbull eine Katze.
Ein Knall.
Aufschreiend liess der Mann von Yamilé ab. Sein linker Schuh färbte sich blutrot. Martín stand neben ihm. Im Dämmerlicht verlieh ihm eine Sonnenbrille das Aussehen eines Sicarios. Er hielt eine Pistole in der Hand, mit dem Kolben waagrecht, wie Yamilé es bei den choros – den Gangstern im Slum - viel zu oft gesehen hatte.
“¡Quietecitos todos!”
“Auf den Boden, oder ich lege euch um!” befahl Martín mit heiserer Stimme.
“¡Sudaca del carajo!”
Martín antwortete nicht. Seine Pistole bellte, als der Mann einen Schritt auf ihn zumachte. Schreiend fasste er sich an die Schulter und sank auf die Knie.
Das Gelächter, das Grölen war verstummt. Nur das Stöhnen der Verwundeten und das Zirpen der Grillen unterbrach die Stille. In der Ferne auf der Landstrasse summten die vorbeifahrenden Autos.
“Zieht eure Schuhe aus und gebt mir eure Handies”, befahl Martin.
Er sammelte Schuhe und Telefone ein, warf sie ins Feuer und drückte Yamilé die Pistole in die Hand.
“Wenn sich einer rührt, jagst du ihm eine Kugel in den Leib”.
Er fasste die Schlinge, nahm Mass an seinem Nacken und verkürzte das Seil mit einem Seemannsknoten.
Dann nahm er die Pistole wieder aus Yamilés leicht zitternder Hand und ging ein paar Schritte auf die am Boden liegenden Männer zu. Mit dem Pistolenlauf zeigte er auf einen korpulenten Mann mittleren Alters.
“Steh auf” befahl er .
“Bring ihn her”, sagte er und deutete mit dem Lauf auf einen Eimer.
Mit der Pistole lenkte er den Mann mitsamt Eimer zu der Schlinge.
Yamilé ahnte wozu Martín den Eimer brauchte.
“Übertreib nicht”, sagte sie
Martín schien ihren Einwand nicht gehört zu haben. Er stellte den Eimer mit dem Boden nach oben unter die Schlinge.
“Steig auf den Eimer”, befahl er.
Der Mann bewegte sich nicht
Martín richtete den Lauf auf den Unterleib des Mannes
“Was ist dir lieber, ein paar Minuten mit einer Schlinge um den Hals zu tanzen wie ein Galgo, oder von einer Kugel kastriert zu werden?”
Weinend stieg der Mann auf den Eimer.
Martín legte ihm die Schlinge um den Hals. Ein Fusstritt gegen den Eimer, der Mann fiel, fing sich auf seinen Zehenspitzen und tänzelte verzweifelt, um das Gleichgewicht zu bewahren. Der Strick lag gespannt um seinen Hals. Wenn er ermüdete würde er sich selbst erhängen, wie ein Galgo.
Seine Kumpane wagten nicht ihm beizustehen, solange Martín sie mit der Pistole bedrohte.
Langsam wandte sich Martín zum Gehen. Er fasste Yamilé bei der Hand, hielt sie fest in der seinen. Er würde versuchen sie zu halten solange er lebte.

Die vorstehende Geschichte ist leider nicht ganz erfunden.
Dieser Spektakel wird im ländlichen Spanien“el baile de la muerte- der Todestanz” , oder auch “tocar el piano” – “Klavier spielen” genannt, wahrscheinlich weil der Hund verzweifelt mit den Vorderpfoten rudert, um sich auf zwei Beinen halten zu koennen.
Uebrigens “ Sudaca” sagen die Spanier wenn sie einen Suedamerikaner beleidigen wollen.
 

onivido

Mitglied
Martín konnte sich nicht erklären, was in ihn gefahren war. Er hatte sich in ein Zimmermädchen des Continental verliebt. War es vielleicht Heimweh? Bei einem kurzen Wortwechsel hatten sie sich als Landsleute erkannt. Reflexartig hatte er sie zu einem Strandbesuch an ihrem freien Tag überredet. Die dunkle Aphrodite hatte Aufsehen erregt und auch Martín war ihren Reizen verfallen. Yamilé war in einer Siedlung am Stadtrand aufgewachsen. Ihre Bewohner waren vom Land in die Stadt gezogen, in der Hoffnung auf ein besseres Leben, besser als die Schufterei auf dem Lande unter der sengenden Sonne. Im Laufe der Jahre hatte sich dieses Labyrinth von unverputzten Ziegelbauten mit Wellblechdächern und Holzhütten dazwischen zu einem Slum gewandelt. In den engen, winkeligen Gassen herrschten Banden. Drogen, Überfälle und Morde waren alltäglich. Yamilé war diesem Sumpf des Elends entflohen. Wie viele Lateinamerikaner war sie illegal nach Spanien eingewandert. Martin gefiel, wie sie sich in jeder Situation zurecht fand, trotz des wenig stimulierenden Umfelds in dem sie aufgewachsen war. Er bewunderte ihre Entschlossenheit ihren Traum von einem Leben an einem Ort wahrzumachen, an dem sie nicht fürchten musste, dass eine verirrte Kugel aus dem Nichts dem Leben ihrer Kinder ein jähes Ende bereiten würde. Im Vergleich mit ihr schnitt er schlecht ab. Seine Eltern waren nicht arm. Er hatte studiert, war im Besitz eines Passes der europäischen Gemeinschaft und hatte nichts Anderes zu tun gefunden, als Flüchtlinge auf seinem Catamarán von Nordafrika nach Spanien zu transportieren. Was ihn dabei antrieb war weniger der finanzielle Gewinn; manchmal, wenn das “Landemanöver” reibungslos vonstatten gegangen war, gab er seinen Passagieren beschämt die Hälfte der Bezahlung zurück. Was ihn reizte, war die Polizei und die Küstenwache zu überlisten, sich gegen die Allmacht eines Staates zu stemmen und vor allen Dingen den gewissenlosen Menschenschmugglern Kunden wegzunehmen. Bei Gelegenheit wollte er später Yamilé die Wahrheit beichten. Er hatte ihr erzählt, er sei Geologe, was auch nicht gelogen war.
Heute hatten sie eine lange Bergwanderung hinter sich. Die Dunkelheit war bereits hereingebrochen. Sie wollten den Zehnuhrzug zur Küste nicht verpassen. Um Zeit zu gewinnen wählten sie einen Schleichweg durch einen Olivenhain. Mitten im Hain brannte ein Feuer, um das lachende Männer standen. Yamilé wollte die Gruppe umgehen, aber Martín hatte es eilig und wollte keine Zeit verlieren. In unmittelbarer Nähe sahen sie den Grund der Heiterkeit der Männer. Von dem Ast eines Olivenbaums hing eine Schlinge, die um den Hals eines Galgos (spanischer Windhund) gelegt war. Der Hund musste sich auf seinen Hinterbeinen balanzieren, um nicht von der Schlinge erdrosselt zu werden. Dieses Schicksal ereilte ihn, wenn er ermüdete.
Niemand hatte sie bemerkt und Martín schlug jetzt vor, einen Umweg zu machen.
“Wir können doch nicht zulassen, was sie mit dem Hund machen“, sagte Yamilé empört.
Martín zögerte.
“Bist du zu feige “, flüsterte Yamilé beinahe unhörbar.
Martín antwortete nicht.
War es Verachtung, oder nur ungläubiges Erstaunen, was sich in Yamilés schwarzen Augen spiegelte? Ihr Blick schmerzte Martín mehr als ihre Worte.
Seine Antwort hörte sie nicht mehr.
Sie war in den Kreis des Lichtscheins getreten und schritt, taub für die gegrölten Zoten der Tierschinder, auf den zappelnden Hund zu, hob ihn an und ehe einer der Umstehenden sie daran hindern konnte, streifte sie die Schlinge von seinem Hals und liess ihn los.
Erst jetzt erholten sich die Kerle von ihrer Verblüffung.
“Negra de mierda”, brüllte ein bulliger Fettwanst und zerrte Yamilé an den Haaren auf die Knie. Yamilé krallte ihre Fingernägel in seinen Unterarm. Er schüttelte sie wie ein Pitbull eine Katze.
Ein Knall.
Aufschreiend liess der Mann von Yamilé ab. Sein linker Schuh färbte sich blutrot. Martín stand neben ihm. Im Dämmerlicht verlieh ihm eine Sonnenbrille das Aussehen eines Sicarios. Er hielt eine Pistole in der Hand, mit dem Kolben waagrecht, wie Yamilé es bei den choros – den Gangstern im Slum - viel zu oft gesehen hatte.
“¡Quietecitos todos!”
“Auf den Boden, oder ich lege euch um!” befahl Martín mit heiserer Stimme.
“¡Sudaca del carajo!”
Martín antwortete nicht. Seine Pistole bellte, als der Mann einen Schritt auf ihn zumachte. Schreiend fasste er sich an die Schulter und sank auf die Knie.
Das Gelächter, das Grölen war verstummt. Nur das Stöhnen der Verwundeten und das Zirpen der Grillen unterbrach die Stille. In der Ferne auf der Landstrasse summten die vorbeifahrenden Autos.
“Zieht eure Schuhe aus und gebt mir eure Handies”, befahl Martin.
Er sammelte Schuhe und Telefone ein, warf sie ins Feuer und drückte Yamilé die Pistole in die Hand.
“Wenn sich einer rührt, jagst du ihm eine Kugel in den Leib”.
Er fasste die Schlinge, nahm Mass an seinem Nacken und verkürzte das Seil mit einem Seemannsknoten.
Dann nahm er die Pistole wieder aus Yamilés leicht zitternder Hand und ging ein paar Schritte auf die am Boden liegenden Männer zu. Mit dem Pistolenlauf zeigte er auf einen korpulenten Mann mittleren Alters.
“Steh auf” befahl er .
“Bring ihn her”, sagte er und deutete mit dem Lauf auf einen Eimer.
Mit der Pistole lenkte er den Mann mitsamt Eimer zu der Schlinge.
Yamilé ahnte wozu Martín den Eimer brauchte.
“Übertreib nicht”, sagte sie
Martín schien ihren Einwand nicht gehört zu haben. Er stellte den Eimer mit dem Boden nach oben unter die Schlinge.
“Steig auf den Eimer”, befahl er.
Der Mann bewegte sich nicht
Martín richtete den Lauf auf den Unterleib des Mannes
“Was ist dir lieber, ein paar Minuten mit einer Schlinge um den Hals zu tanzen wie ein Galgo, oder von einer Kugel kastriert zu werden?”
Weinend stieg der Mann auf den Eimer.
Martín legte ihm die Schlinge um den Hals. Ein Fusstritt gegen den Eimer, der Mann fiel, fing sich auf seinen Zehenspitzen und tänzelte verzweifelt, um das Gleichgewicht zu bewahren. Der Strick lag gespannt um seinen Hals. Wenn er ermüdete würde er sich selbst erhängen, wie ein Galgo.
Seine Kumpane wagten nicht ihm beizustehen, solange Martín sie mit der Pistole bedrohte.
Langsam wandte sich Martín zum Gehen. Er fasste Yamilé bei der Hand, hielt sie fest in der seinen. Er würde versuchen sie zu halten, solange er lebte.

Die vorstehende Geschichte ist leider nicht ganz erfunden.
Dieser Spektakel wird im ländlichen Spanien“el baile de la muerte- der Todestanz” , oder auch “tocar el piano” – “Klavier spielen” genannt, wahrscheinlich weil der Hund verzweifelt mit den Vorderpfoten rudert, um sich auf zwei Beinen halten zu koennen.
Uebrigens “ Sudaca” sagen die Spanier wenn sie einen Suedamerikaner beleidigen wollen.
 

onivido

Mitglied
Martín konnte sich nicht erklären, was in ihn gefahren war. Er hatte sich in ein Zimmermädchen des Continental verliebt. War es vielleicht Heimweh? Bei einem kurzen Wortwechsel hatten sie sich als Landsleute erkannt. Reflexartig hatte er sie zu einem Strandbesuch an ihrem freien Tag überredet. Die dunkle Aphrodite hatte Aufsehen erregt und auch Martín war ihren Reizen verfallen. Yamilé war in einer Siedlung am Stadtrand aufgewachsen. Ihre Bewohner waren vom Land in die Stadt gezogen, in der Hoffnung auf ein besseres Leben, besser als die Schufterei auf dem Lande unter der sengenden Sonne. Im Laufe der Jahre hatte sich dieses Labyrinth von unverputzten Ziegelbauten mit Wellblechdächern und Holzhütten dazwischen zu einem Slum gewandelt. In den engen, winkeligen Gassen herrschten Banden. Drogen, Überfälle und Morde waren alltäglich. Yamilé war diesem Sumpf des Elends entflohen. Wie viele Lateinamerikaner war sie illegal nach Spanien eingewandert. Martin gefiel, wie sie sich in jeder Situation zurecht fand, trotz des wenig stimulierenden Umfelds in dem sie aufgewachsen war. Er bewunderte ihre Entschlossenheit ihren Traum von einem Leben an einem Ort wahrzumachen, an dem sie nicht fürchten musste, dass eine verirrte Kugel aus dem Nichts dem Leben ihrer Kinder ein jähes Ende bereiten würde. Im Vergleich mit ihr schnitt er schlecht ab. Seine Eltern waren nicht arm. Er hatte studiert, war im Besitz eines Passes der europäischen Gemeinschaft und hatte nichts Anderes zu tun gefunden, als Flüchtlinge auf seinem Catamarán von Nordafrika nach Spanien zu transportieren. Was ihn dabei antrieb war weniger der finanzielle Gewinn; manchmal, wenn das “Landemanöver” reibungslos vonstatten gegangen war, gab er seinen Passagieren beschämt die Hälfte der Bezahlung zurück. Was ihn reizte, war die Polizei und die Küstenwache zu überlisten, sich gegen die Allmacht eines Staates zu stemmen und vor allen Dingen den gewissenlosen Menschenschmugglern Kunden wegzunehmen. Bei Gelegenheit wollte er später Yamilé die Wahrheit beichten. Er hatte ihr erzählt, er sei Geologe, was auch nicht gelogen war.
Heute hatten sie eine lange Bergwanderung hinter sich. Die Dunkelheit war bereits hereingebrochen. Sie wollten den Zehnuhrzug zur Küste nicht verpassen. Um Zeit zu gewinnen wählten sie einen Schleichweg durch einen Olivenhain. Mitten im Hain brannte ein Feuer, um das lachende Männer standen. Yamilé wollte die Gruppe umgehen, aber Martín hatte es eilig und wollte keine Zeit verlieren. In unmittelbarer Nähe sahen sie den Grund der Heiterkeit der Männer. Von dem Ast eines Olivenbaums hing eine Schlinge, die um den Hals eines Galgos (spanischer Windhund) gelegt war. Der Hund musste sich auf seinen Hinterbeinen balanzieren, um nicht von der Schlinge erdrosselt zu werden. Dieses Schicksal würde ihn ereilen, wenn er ermüdete.
Niemand hatte sie bemerkt und Martín schlug jetzt vor, einen Umweg zu machen.
“Wir können doch nicht zulassen, was sie mit dem Hund machen“, sagte Yamilé empört.
Martín zögerte.
“Bist du zu feige “, flüsterte Yamilé beinahe unhörbar.
Martín antwortete nicht.
War es Verachtung, oder nur ungläubiges Erstaunen, was sich in Yamilés schwarzen Augen spiegelte? Ihr Blick schmerzte Martín mehr als ihre Worte.
Seine Antwort hörte sie nicht mehr.
Sie war in den Kreis des Lichtscheins getreten und schritt, taub für die gegrölten Zoten der Tierschinder, auf den zappelnden Hund zu, hob ihn an und ehe einer der Umstehenden sie daran hindern konnte, streifte sie die Schlinge von seinem Hals und liess ihn los.
Erst jetzt erholten sich die Kerle von ihrer Verblüffung.
“Negra de mierda”, brüllte ein bulliger Fettwanst und zerrte Yamilé an den Haaren auf die Knie. Yamilé krallte ihre Fingernägel in seinen Unterarm. Er schüttelte sie wie ein Pitbull eine Katze.
Ein Knall.
Aufschreiend liess der Mann von Yamilé ab. Sein linker Schuh färbte sich blutrot. Martín stand neben ihm. Im Dämmerlicht verlieh ihm eine Sonnenbrille das Aussehen eines Sicarios. Er hielt eine Pistole in der Hand, mit dem Kolben waagrecht, wie Yamilé es bei den choros – den Gangstern im Slum - viel zu oft gesehen hatte.
“¡Quietecitos todos!”
“Auf den Boden, oder ich lege euch um!” befahl Martín mit heiserer Stimme.
“¡Sudaca del carajo!”
Martín antwortete nicht. Seine Pistole bellte, als der Mann einen Schritt auf ihn zumachte. Schreiend fasste er sich an die Schulter und sank auf die Knie.
Das Gelächter, das Grölen war verstummt. Nur das Stöhnen der Verwundeten und das Zirpen der Grillen unterbrach die Stille. In der Ferne auf der Landstrasse summten die vorbeifahrenden Autos.
“Zieht eure Schuhe aus und gebt mir eure Handies”, befahl Martin.
Er sammelte Schuhe und Telefone ein, warf sie ins Feuer und drückte Yamilé die Pistole in die Hand.
“Wenn sich einer rührt, jagst du ihm eine Kugel in den Leib”.
Er fasste die Schlinge, nahm Mass an seinem Nacken und verkürzte das Seil mit einem Seemannsknoten.
Dann nahm er die Pistole wieder aus Yamilés leicht zitternder Hand und ging ein paar Schritte auf die am Boden liegenden Männer zu. Mit dem Pistolenlauf zeigte er auf einen korpulenten Mann mittleren Alters.
“Steh auf” befahl er .
“Bring ihn her”, sagte er und deutete mit dem Lauf auf einen Eimer.
Mit der Pistole lenkte er den Mann mitsamt Eimer zu der Schlinge.
Yamilé ahnte wozu Martín den Eimer brauchte.
“Übertreib nicht”, sagte sie
Martín schien ihren Einwand nicht gehört zu haben. Er stellte den Eimer mit dem Boden nach oben unter die Schlinge.
“Steig auf den Eimer”, befahl er.
Der Mann bewegte sich nicht
Martín richtete den Lauf auf den Unterleib des Mannes
“Was ist dir lieber, ein paar Minuten mit einer Schlinge um den Hals zu tanzen wie ein Galgo, oder von einer Kugel kastriert zu werden?”
Weinend stieg der Mann auf den Eimer.
Martín legte ihm die Schlinge um den Hals. Ein Fusstritt gegen den Eimer, der Mann fiel, fing sich auf seinen Zehenspitzen und tänzelte verzweifelt, um das Gleichgewicht zu bewahren. Der Strick lag gespannt um seinen Hals. Wenn er ermüdete würde er sich selbst erhängen, wie ein Galgo.
Seine Kumpane wagten nicht ihm beizustehen, solange Martín sie mit der Pistole bedrohte.
Langsam wandte sich Martín zum Gehen. Er fasste Yamilé bei der Hand, hielt sie fest in der seinen. Er würde versuchen sie zu halten, solange er lebte.

Die vorstehende Geschichte ist leider nicht ganz erfunden.
Dieser Spektakel wird im ländlichen Spanien“el baile de la muerte- der Todestanz” , oder auch “tocar el piano” – “Klavier spielen” genannt, wahrscheinlich weil der Hund verzweifelt mit den Vorderpfoten rudert, um sich auf zwei Beinen halten zu koennen.
Uebrigens “ Sudaca” sagen die Spanier wenn sie einen Suedamerikaner beleidigen wollen.
 

onivido

Mitglied
Martín konnte sich nicht erklären, was in ihn gefahren war. Er hatte sich in ein Zimmermädchen des Continental verliebt. War es vielleicht Heimweh? Bei einem kurzen Wortwechsel hatten sie sich als Landsleute erkannt. Reflexartig hatte er sie zu einem Strandbesuch an ihrem freien Tag überredet. Die dunkle Aphrodite hatte Aufsehen erregt und auch Martín war ihren Reizen verfallen. Yamilé war in einer Siedlung am Stadtrand aufgewachsen. Ihre Bewohner waren vom Land in die Stadt gezogen, in der Hoffnung auf ein besseres Leben, besser als die Schufterei auf dem Lande unter der sengenden Sonne. Im Laufe der Jahre hatte sich dieses Labyrinth von unverputzten Ziegelbauten mit Wellblechdächern und Holzhütten dazwischen zu einem Slum gewandelt. In den engen, winkeligen Gassen herrschten Banden. Drogen, Überfälle und Morde waren alltäglich. Yamilé war diesem Sumpf des Elends entflohen. Wie viele Lateinamerikaner war sie illegal nach Spanien eingewandert. Martin gefiel, wie sie sich in jeder Situation zurecht fand, trotz des wenig stimulierenden Umfelds in dem sie aufgewachsen war. Er bewunderte ihre Entschlossenheit ihren Traum von einem Leben an einem Ort wahrzumachen, an dem sie nicht fürchten musste, dass eine verirrte Kugel aus dem Nichts dem Leben ihrer Kinder ein jähes Ende bereiten würde.
Im Vergleich mit ihr schnitt er schlecht ab. Seine Eltern waren nicht arm. Er hatte studiert, war im Besitz eines Passes der europäischen Gemeinschaft und hatte nichts Anderes zu tun gefunden, als Flüchtlinge auf seinem Catamarán von Nordafrika nach Spanien zu transportieren. Was ihn dabei antrieb war weniger der finanzielle Gewinn; manchmal, wenn das “Landemanöver” reibungslos vonstatten gegangen war, gab er seinen Passagieren beschämt die Hälfte der Bezahlung zurück. Was ihn reizte, war die Polizei und die Küstenwache zu überlisten, sich gegen die Allmacht eines Staates zu stemmen und vor allen Dingen den gewissenlosen Menschenschmugglern Kunden wegzunehmen. Bei Gelegenheit wollte er später Yamilé die Wahrheit beichten. Er hatte ihr erzählt, er sei Geologe, was auch nicht gelogen war.
Heute hatten sie eine lange Bergwanderung hinter sich. Die Dunkelheit war bereits hereingebrochen. Sie wollten den Zehnuhrzug zur Küste nicht verpassen. Um Zeit zu gewinnen wählten sie einen Schleichweg durch einen Olivenhain. Mitten im Hain brannte ein Feuer, um das lachende Männer standen. Yamilé wollte die Gruppe umgehen, aber Martín hatte es eilig und wollte keine Zeit verlieren. In unmittelbarer Nähe sahen sie den Grund der Heiterkeit der Männer. Von dem Ast eines Olivenbaums hing eine Schlinge, die um den Hals eines Galgos (spanischer Windhund) gelegt war. Der Hund musste sich auf seinen Hinterbeinen balanzieren, um nicht von der Schlinge erdrosselt zu werden. Dieses Schicksal würde ihn ereilen, wenn er ermüdete.
Niemand hatte sie bemerkt und Martín schlug jetzt vor, einen Umweg zu machen.
“Wir können doch nicht zulassen, was sie mit dem Hund machen“, sagte Yamilé empört.
Martín zögerte.
“Bist du zu feige “, flüsterte Yamilé beinahe unhörbar.
Martín antwortete nicht.
War es Verachtung, oder nur ungläubiges Erstaunen, was sich in Yamilés schwarzen Augen spiegelte? Ihr Blick schmerzte Martín mehr als ihre Worte.
Seine Antwort hörte sie nicht mehr.
Sie war in den Kreis des Lichtscheins getreten und schritt, taub für die gegrölten Zoten der Tierschinder, auf den zappelnden Hund zu, hob ihn an und ehe einer der Umstehenden sie daran hindern konnte, streifte sie die Schlinge von seinem Hals und liess ihn los.
Erst jetzt erholten sich die Kerle von ihrer Verblüffung.
“Negra de mierda”, brüllte ein bulliger Fettwanst und zerrte Yamilé an den Haaren auf die Knie. Yamilé krallte ihre Fingernägel in seinen Unterarm. Er schüttelte sie wie ein Pitbull eine Katze.
Ein Knall.
Aufschreiend liess der Mann von Yamilé ab. Sein linker Schuh färbte sich blutrot. Martín stand neben ihm. Im Dämmerlicht verlieh ihm eine Sonnenbrille das Aussehen eines Sicarios. Er hielt eine Pistole in der Hand, mit dem Kolben waagrecht, wie Yamilé es bei den choros – den Gangstern im Slum - viel zu oft gesehen hatte.
“¡Quietecitos todos!”
“Auf den Boden, oder ich lege euch um!” befahl Martín mit heiserer Stimme.
“¡Sudaca del carajo!”
Martín antwortete nicht. Seine Pistole bellte, als der Mann einen Schritt auf ihn zumachte. Schreiend fasste er sich an die Schulter und sank auf die Knie.
Das Gelächter, das Grölen war verstummt. Nur das Stöhnen der Verwundeten und das Zirpen der Grillen unterbrach die Stille. In der Ferne auf der Landstrasse summten die vorbeifahrenden Autos.
“Zieht eure Schuhe aus und gebt mir eure Handies”, befahl Martin.
Er sammelte Schuhe und Telefone ein, warf sie ins Feuer und drückte Yamilé die Pistole in die Hand.
“Wenn sich einer rührt, jagst du ihm eine Kugel in den Leib”.
Er fasste die Schlinge, nahm Mass an seinem Nacken und verkürzte das Seil mit einem Seemannsknoten.
Dann nahm er die Pistole wieder aus Yamilés leicht zitternder Hand und ging ein paar Schritte auf die am Boden liegenden Männer zu. Mit dem Pistolenlauf zeigte er auf einen korpulenten Mann mittleren Alters.
“Steh auf” befahl er .
“Bring ihn her”, sagte er und deutete mit dem Lauf auf einen Eimer.
Mit der Pistole lenkte er den Mann mitsamt Eimer zu der Schlinge.
Yamilé ahnte wozu Martín den Eimer brauchte.
“Übertreib nicht”, sagte sie
Martín schien ihren Einwand nicht gehört zu haben. Er stellte den Eimer mit dem Boden nach oben unter die Schlinge.
“Steig auf den Eimer”, befahl er.
Der Mann bewegte sich nicht
Martín richtete den Lauf auf den Unterleib des Mannes
“Was ist dir lieber, ein paar Minuten mit einer Schlinge um den Hals zu tanzen wie ein Galgo, oder von einer Kugel kastriert zu werden?”
Weinend stieg der Mann auf den Eimer.
Martín legte ihm die Schlinge um den Hals. Ein Fusstritt gegen den Eimer, der Mann fiel, fing sich auf seinen Zehenspitzen und tänzelte verzweifelt, um das Gleichgewicht zu bewahren. Der Strick lag gespannt um seinen Hals. Wenn er ermüdete würde er sich selbst erhängen, wie ein Galgo.
Seine Kumpane wagten nicht ihm beizustehen, solange Martín sie mit der Pistole bedrohte.
Langsam wandte sich Martín zum Gehen. Er fasste Yamilé bei der Hand, hielt sie fest in der seinen. Er würde versuchen sie zu halten, solange er lebte.

Die vorstehende Geschichte ist leider nicht ganz erfunden.
Dieser Spektakel wird im ländlichen Spanien“el baile de la muerte- der Todestanz” , oder auch “tocar el piano” – “Klavier spielen” genannt, wahrscheinlich weil der Hund verzweifelt mit den Vorderpfoten rudert, um sich auf zwei Beinen halten zu koennen.
Uebrigens “ Sudaca” sagen die Spanier wenn sie einen Suedamerikaner beleidigen wollen.
 



 
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