Der transsilvanische Spiegel

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Heinrich VII

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Teil 1
Endlich war von Weitem das Schloss zu sehen. Direktor Konrad war heilfroh.
„Wir sind da, die unbequeme Reise hat ein Ende.“
Roman nickte. Gott sei Dank, dachte er. Mein Hinterteil fühlt sich so hart an wie das Brett, auf dem ich die ganze Zeit gesessen habe.
Sitzbank kann man das wohl kaum nennen.
Vier Tage waren sie unterwegs gewesen. Erst über Land, dann auf der Ostsee mit dem Schiff und dann wieder über Land. Mit dieser unbequemen Kutsche, die von einer seltsamen Gestalt gelenkt wurde. Sie hatten versucht, ein besseres Gefährt zu bekommen, mit einer besseren Innenausstattung und einem vertrauenswürdigerem Kutscher, aber das schien in diesem Land, aus welchem Grund auch immer, nicht möglich zu sein.

Als sie in den Schlosshof einfuhren, sprang sofort jemand herbei. Ein Diener mit einem Buckel, der den linken Fuß nachzog, riss die Tür auf und rief:
„Ich hol mir das Gepäck!“
Direktor Konrad sah zu ihm runter. Manieren hat dieser Kerl wohl keine, sonst hätte er uns erst mal willkommen geheißen. Als der Direktor ausgestiegen war, hatte der Diener bereits einen der beiden Koffer an sich gerissen. Im Gesicht war er noch hässlicher als von Gestalt. Schiefe Vorderzähne, eine viel zu dicke Nase, kaum Haare auf dem Kopf und eine Hasenscharte. Als er auch den anderen Koffer nehmen wollte, stoppte ihn der Direktor: „Den trage ich selbst.“
Der Bucklige sah ihn verwundert an und erwiderte: „Geben Sie schon her!“
Der Direktor rückte sein Monokel zurecht und musterte ihn von oben bis unten. Tatsächlich sah dieser hässliche Kerl ziemlich kräftig aus; aber den Koffer bekam er nicht.
Sie folgten dem Diener, der ein ziemliches Tempo vorlegte, durch das Eingangsportal, dann durch einen langen Gang, der vermutlich in die Wohnräume
des Schlosses führen sollte. Im Gang nahm der Diener eine Fackel, die in einer Halterung an der Wand steckte, um den weiteren Weg auszuleuchten. Spinnweben waberten an den Wänden, als wäre hier tausend Jahre keiner mehr gewesen. Es roch nach Moder, was diesen Verdacht bestätigte.
Schließlich kamen sie in eines der Gemächer, der bucklige Diener entzündete Kerzen und fragte: „Ihr seid hungrig, stimmt´s?“
Direktor Konrad und Roman nickten.
„Und wie“, rutschte es Roman heraus, „ich könnte glatt ein Wildschwein verputzen.“
Der Direktor warf ihm einen tadelnden Blick zu. Der bucklige Diener lachte, ohne seinen Mund zu weit zu öffnen.
„So dünner Mann, so viel Hunger?“
Roman sah ihn an und nickte eifrig.
Direktor Konrad beendete das, indem er sagte: „Wäre schön, wenn wir etwas zu essen bekämen.“
Der bucklige Diener nickte: „Ich lauf´ in die Küche und koche.“
Er verschwand, kam aber gleich nochmal wieder mit einem Krug Wein und zwei Gläsern. Er stellte alles auf den Tisch und sagte:
„Einschenken könnt´ ihr selbst, oder?“
Damit drehte er sich um und verschwand in Richtung Küche.

Direktor Konrad goss die Gläser voll. Er erhob sein Glas, Roman tat es ihm nach. Beide tranken einen ordentlichen Schluck.
Den hatten sie sich verdient. Eine richtige Wohltat, nach so einer anstrengenden Reise. Sie lehnten sich zurück und genossen die komfortable
Annehmlichkeit eines gut gepolsterten Sessels in einem Wohnzimmer.
Eine Weile später brachte der Diener das Essen. Die beiden schlugen zu, als hätten sie wochenlang nichts mehr in den Magen bekommen. Tatsächlich hatten sie unterwegs auch nicht besonders viel essen können. Die erste Zeit der Reise aßen sie die Brote, die die Frau des Direktors ihrem Mann mitgegeben hatte. Auf dem Schiff gab es Seemannskost; wobei man sich fragte, wie die Seeleute diesen Fraß auf Dauer aushielten. Schließlich mussten sie sich Brot und Wurst kaufen, hatten aber zu wenig gekauft und schoben deswegen schon den halben Tag Kohldampf. Getrieben davon, ihr Ziel so schnell wie möglich zu erreichen, hatten sie unterwegs nirgends anhalten und Zeit verlieren wollen. Nicht zuletzt deshalb, weil sie noch vor Dunkelheit im Schloss sein wollten.

Inzwischen war es dunkel. Hin und wieder hörte man draußen aus dem nahen Wald das Heulen eines Wolfes, unterbrochen durch den Schrei eines Kauzes und anderem lautem Getier. Roman zuckte jedes Mal zusammen. Direktor Konrad stand schließlich auf, lief zum Fenster und schloss es. Als er sich wieder gesetzt hatte, sah er Roman an und sagte: „Das sind nur die Geräusche der Nacht.“
Roman nickte und sah ängstlich zum Fenster hin, hinter dem sich das Dunkel wie eine bedrohliche schwarze Wand aufgebaut hatte. All die bösen Geschichten über dieses Land und seine unheimlichen Bewohner, von denen er gelesen hatte, gingen ihm durch den Kopf. Der Direktor redete es klein,
das wusste er. Es war bedrohlich in diesem Land zu sein – Direktor Konrad wollte es ihn nicht spüren lassen.

Im nächsten Moment kam der Diener wieder und hatte noch einen Krug Wein dabei. Er stellte ihn auf den Tisch und räumte die leeren Teller
und das Besteck ab. „Hat´s geschmeckt?“
Roman und der Direktor nickten einmütig.
Der Diener lächelte und sagte: „Der Meister, äh, ich meine natürlich der Herr Graf, kommt später zu Ihnen.“
Direktor Konrad nickte.
Als der Diener weg war, fragte Roman, der im Gesicht noch bleicher geworden war: „Warum hat er ihn Meister genannt?“
Der Direktor nahm einen Schluck Wein und sagte: „Ist ihm sicher so raus gerutscht, hat vermutlich nichts weiter zu bedeuten.“
Roman wusste nicht, ob er das glauben sollte. Meister? – es hat bestimmt etwas zu bedeuten.
Im nächsten Moment hörte man den Kauz wieder schreien und gleich danach den Wolf heulen. Gedämpfter jetzt, durch das geschlossene Fenster, aber nicht
minder schauerlich. Roman zuckte zusammen. Wer weiß, ob das wirklich ein Kauz und ein Wolf ist. Vielleicht sind das ganz andere Kreaturen, die sich nur so anhören.

Um ihn etwas aufzumuntern, fing der Direktor an, ihm etwas zu erzählen: „Dass ich den Grafen schon lange kenne, weißt du ja.“
Roman nickte.
„Vor Jahren hat er bei uns gegenüber gewohnt. Eines Tages hat er mich angesprochen. Wir sind dann in einer Gaststätte eingekehrt,
haben etwas getrunken und uns unterhalten.“
„Und da hat er Sie auf diese Idee gebracht?“
Der Direktor nickte.
Roman hatte diese Geschichte schon oft von ihm gehört. Tat aber jedes mal so, als höre er sie zum ersten Mal.
„Ich habe ihm verraten, dass ich Erfinder bin und schon diverse Dinge erfunden habe. Und dass mein Bruder eine Fabrik hat, in der sich
so allerlei herstellen und in größeren Stückzahlen fertigen lässt.“
Roman dachte an die andere Sache, von der er gehört hatte. Die Tochter des Direktors, die auf einmal verschwand. Genau zu der Zeit, als der Graf gegenüber wohnte. Er verkniff es sich aber, danach zu fragen. Direktor Konrad konnte sehr ungehalten werden, wenn es um dieses Thema ging. Das hatte er einem Gespräch zwischen dem Direktor und einem seiner Freunde entnommen, bei dem es wohl um dieses Thema ging. Roman dachte daran, dass die Tochter nie mehr aufgetaucht war und das ließ ihn neuerlich erschauern.

Der Graf erschien so plötzlich und leise, dass man ihn weder gesehen noch gehört hatte. Als hätte ihn der Fußboden ausgespuckt, war er plötzlich wie ein statischer Fremdkörper in die Mitte des Raumes gewachsen. Roman erschrak zutiefst vor dieser spindeldürren Gestalt. Ein Gesicht, weiß wie eine gekalkte Wand, die Schultern eigenartig steif nach oben gezogen, die Miene bewegungslos. Eher der Maske eines Toten ähnlich als einem menschlichen Antlitz. Die Augen starrten, als spiegelten sie schrecklichste Abgründe. Das ungute Gefühl, das Roman die ganze Zeit beschlichen hatte, bekam durch diesen Grafen Form und Gestalt.
Zu ihrem Erstaunen veränderte sich der Blick mit einem mal. Die Miene des Grafen entspannte sich, die Gestalt rührte sich, wurde lebendig und man hörte ihn in überraschend freundlichem Tonfall sagen: „Guten Abend meine Herren; freut mich außerordentlich, Sie als meine Gäste begrüßen zu dürfen.“


Teil 2:
Er ging auf den Direktor zu und gab ihm die Hand. Auch Roman wollte er die Hand geben. Doch der machte einen Schritt zurück und war keinesfalls gewillt, diese Hand anzunehmen. Der Graf nahm es wortlos zur Kenntnis und setzte sich dem Direktor gegenüber. Er betrachtete einen Moment den Koffer, der neben Direktor Konrad stand und sagte: „Wie ich sehe, haben Sie mir das Gewünschte mitgebracht?“
Der Direktor nickte. „Ja ich habe verschiedene Formen und Größen dabei, eine Auswahl der Produktpalette. Sie werden sicher das Passende finden.“
Der Graf lächelte und schien von der Vorstellung entzückt zu sein, bald so ein Exemplar in Händen zu halten und auszuprobieren.
„Heute wird es jedoch nichts mehr werden“, sagte er, „es sind noch Dinge zu erledigen, die keinen Aufschub dulden.“
Der Direktor nickte. „Wir haben Morgen genügend Zeit, denke ich.“
Der Graf sah ihn an. „Aber erst nach Sonnenuntergang, wenn ich bitten darf.“
„Selbstverständlich“, erwiderte Direktor Konrad, „natürlich.“
Der Graf sah Roman schweigend an. Dieser fühlte sich bei diesem Blick, als würde der Graf Maß an ihm nehmen. Einen Moment sah er wie der Mund des Grafen sich zitternd öffnete und seine Zähne ein Stück zum Vorschein kamen.

„Der Diener wird ihnen später die Schlafkammer zeigen“, sagte der Graf und zeigte sich wieder von der freundlichen Seite, „trinken Sie noch etwas von meinem Wein.“
Der Direktor wollte noch etwas sagen, aber der Graf war nach diesen Worten verschwunden; so heimlich still und leise, wie er gekommen war.
Als hätte ihn der Fußboden, der ihn ausgespuckt hatte, wieder eingesaugt.

Der bucklige Diener kam, hatte einen Krug Wein dabei und stellte ihn geräuschvoll auf den Tisch. „Bedient euch!“
Der Direktor bedankte sich, goss die Gläser nochmal voll und stieß mit Roman als Auftakt für einen weiteren Schluck an. Danach zog Direktor Konrad eine Zigarre aus der Innentasche seiner Jacke, schnitt ein Ende ab, zündete sie an und lehnte sich paffend im Sessel zurück. Roman hasste Zigarrenrauch und verwirbelte ihn mit der Hand; was bei so dickem Qualm wenig wirksam war. Der Direktor schien zufrieden zu sein. Er wirkte wie ein Mann, der das Geschäft seines Lebens in greifbarer Nähe wusste. Roman würde auch etwas vom Kuchen abbekommen; das hatte der Direktor ihm versprochen. Der Aufenthalt in diesem gruseligen Land und in diesem schaurigen, alten Schloss musste sich am Ende lohnen.

Bevor sie sich in die Betten legten, die in der Schlafkammer nebeneinander standen, zog der Direktor zwei Ringe mit Knoblauch aus dem Koffer,
gab Roman einen und sagte: „Leg das über dein Kopfkissen.“
Der bucklige Diener hatte kurz zuvor eine Fackel entzündet, die beiden nach oben begleitet und ihnen das Zimmer aufgeschlossen. Er hatte sich mit einem schwer deutbaren Grinsen verabschiedet, ohne dabei seine Zähne zu entblößen. „Gute Nachtruhe“, sagte er mit einem Unterton, ging aus der Tür und humpelte zurück nach unten.
Roman hielt den Ring mit Knoblauch in der Hand und sah den Direktor verwundert an.
„Das schützt dich.“
„Vor was brauchen wir denn Schutz?“
„Tu es einfach und frag´ nicht lange.“
Roman legte den Ring über sein Kopfkissen und fragte nicht mehr.
Beide legten sich hin. Draußen zerriss das Heulen eines Wolfes die Stille. Roman erschrak und zog die Decke über sich. Direktor Konrad löschte die Kerzen und wünschte eine gute Nacht. Roman tat das ebenfalls und fragte sich, ob sie wirklich gut werden würde.


Teil 3
Es war schon fast Morgen, als die Tür auf ging und jemand auf so leisen Sohlen ins Zimmer trat, dass keiner der beiden Schlafenden etwas mit bekam. Der Eindringling schlich zu Roman, blieb vor seinem Bett stehen und betrachtete einen Moment das schlafende, junge Gesicht. Dann beugte er sich über ihn, öffnete den Mund und zog die Decke ein Stück nach unten, so dass der Hals frei wurde. Der Direktor drehte sich im selben Moment in Roman´s Richtung auf die andere Seite. Doch er tat es im Schlaf und nahm gar nicht wahr, was sich direkt vor seiner Nase abspielte.
Kurz bevor sich die fürchterlichen Zähne in Roman´s Hals bohrten, merkte dieser, dass da jemand über ihm war. Der Eindringling bemerkte das Erwachen und hielt seinem Opfer mit starker Hand den Mund zu, während seine andere Hand auf dessen Brust drückte, so dass er sich nicht aufrichten konnte.
Flehend schielte Roman zum Direktor rüber, doch der schien zu schlafen wie ein Stein. Mein Gott, dieser Mistkerl will mich beißen und der Direktor liegt seelenruhig daneben und hilft mir nicht. Roman versuchte zu schreien, aber es ging nicht. Die Hand des Mannes presste so fest auf seinen Mund, dass es unmöglich war. Er sah die Eckzähne ganz nahe vor sich und bekam schreckgeweitete Augen.
„Pro … fessor!“ gelang es ihm dann doch zu rufen. Aber es schien zu leise zu sein, Professor Konrad reagierte nicht.
Schließlich es gelang Roman, das Knie seinem Widersacher in den Solarplexus zu rammen. Dieser schrie kurz auf, ließ aber nicht von ihm ab. Der Direktor schlug im selben Moment die Augen auf. Er sah die markante Silhouette, kombinierte sofort, packte den Knoblauchring und hob ihn hoch: „Weiche, Untoter, oder ich reibe dich so mit Knoblauch ein, dass die anderen Blutsauger dich für ewig aus dem Schloss verbannen!“
Der bucklige Diener ließ sofort von Roman ab, sah den Direktor an und grinste dämlich … „Es ist fünf Uhr“, brachte er stammelnd hervor, „ich muss dann
in den Sar…, äh, ich meine ins Bett - das Frühstück steht in der Küche und für später ist Mittagessen gekocht.“
Der Direktor sah ihn strafend an. Er wusste, dass dieser verdammte Vampir gekommen war um zu naschen. „Was ist, wenn ich das dem Grafen berichte?“
Der Bucklige schlug die Hände überm Kopf zusammen, stieß einen Laut des Entsetzens aus und humpelte ohne zu antworten aus dem Zimmer.
Auf dem Flur hörte man seine ungelenken Schritte, als er eilig weg lief. Er kam noch einmal ins Zimmer und sagte: „Das werden Sie nicht tun,
Professor, oder?“
„Ich bin Direktor, nicht Professor. Und ob ich das tue oder nicht, überlege ich mir noch.“
Der Bucklige verschwand mit einem Heulen auf dem Flur und humpelte nach unten. Direktor Konrad sah zu Roman, der sich anschickte aufzustehen.
„Wir werden noch ein bisschen liegen bleiben“, sagte er, „der kommt nicht wieder, muss jetzt in den Sar…, ich meine ins Bett.“
Roman legte sich wieder hin und zog die Decke über den Kopf

„Heute zeigen Sie mir ihre Schätze“, sagte der Graf. Es war inzwischen Abend und die Sonne war gerade untergegangen. Der Direktor und Roman hatten
den Tag mit dem bereit gestellten Frühstück in der Küche begonnen. Dann unternahmen sie einen gemeinsamen Spaziergang im Schlosshof, der nicht viel Schönes für´s Auge bot. Die Gärten, insofern man sie so nennen konnte, waren verwildert. Das Gras über einen Meter hoch. Die Fassaden des Schlosses waren bröckelig und es gab einen Flügel, den man ohne weiteres als Ruine bezeichnen konnte. Fledermäuse flogen hier und da auf und Ratten huschten um die Ecken. Am Ende standen sie vor dem Kellereingang, dessen Tür halb offen war. Der Direktor blieb einen Moment nachdenklich davor stehen und blickte die Stufen hinab.
„Was ist da unten?“, wollte Roman wissen.
„Was soll da schon sein, der Keller natürlich.“
„Und wieso ist die Tür offen?“
Der Direktor zuckte mit den Schultern.
„Wird schon seinen Grund haben – komm´ lass uns weitergehen.“
Roman wusste wer da unten war. Er hatte in Büchern darüber gelesen, dass Vampire am Tag in Särgen schliefen.
Und wo sollten Särge besser aufgehoben sein als in einem Keller.

Mittags machten sie das Essen, das vorbereitet im Ofen stand, warm. Der bucklige Diener hatte nicht zu viel versprochen. Es gab Rinderbraten mit Bohnengemüse und einer Soße. Dazu öffneten sie die Flasche Weißwein, die auf dem Küchentisch bereit stand. Danach zog sich der Direktor in die Bibliothek des Grafen zurück, fischte eines der zahlreichen Bücher aus einem der vielen Regale, setzte sich und vertiefte sich darin. Roman legte sich aufs Sofa und machte ein Nickerchen. Schlafen schien ihm die beste Art zu sein, diese ungute Zeit in diesem Schloss und diesem Land hinter sich zu bringen.

Der Direktor öffnete den Koffer und holte ein Stück des wertvollen Gutes heraus; von dem jedes Stück einzeln und sorgfältig verpackt war.
Vorsichtig entfernte er die Holzwolle, die am Papier klebte, dann das Papier, das als Verpackung diente. Der Graf war hoch erfreut über das
was da zum Vorschein kam, zögerte aber es in die Hand zu nehmen und vor sich zu halten.
„Glauben Sie wirklich, es funktioniert?“
Direktor Konrad nickte. „Wir haben es doch getestet, an anderen Vamp…“
Mit Blick auf Roman verbiss er sich den Rest des Wortes. Graf Akula nickte und sah den Direktor an. „Ich werde ihn jetzt noch nicht ausprobieren.“
Der Direktor hatte es geahnt. Er kannte den Grund: Jahrhunderte lang mussten diese Wesen eine derartige Konfrontation scheuen. Und jetzt, da es möglich war, musste der, der das zuerst ausprobieren sollte, der Graf, diesen ungeheuren Gedanken erst einmal verdauen.

Teil 4:
Der Diener kam mit Wein. Er öffnete die Flasche und goss die mit gebrachten Gläser voll. Dann verzog er sich mit einem untertänigen Bückling in Richtung des Grafen und einem Seitenblick auf Direktor Konrad. Man erhob allgemein die Gläser, als er weg war, stieß an und trank. Danach sagte der Graf: „Unglaublich, dass sie das geschafft haben. Ich habe es inzwischen ausprobiert, es funktioniert. Ich kann jetzt allen meinen Freunden und Verwandten die frohe Botschaft verkünden. Sie können sich sogar Form und Größe aussuchen, das übertrifft meine Vorstellung bei weitem.“
Der Direktor nahm das Wohlwollen dankend entgegen und nickte voller Stolz.
Der Graf erhob noch einmal sein Glas und sagte: „Auf die segensreichste Erfindung, die je für uns gemacht worden ist.“
Sie stießen die Gläser zusammen und genehmigten sich einen Schluck darauf.
Danach sagte Graf Akula: „Sie werden doch sicher über Nacht bleiben und Morgen erst abreisen?“
Der Direktor bedauerte. Es sei besser, gleich aufzubrechen. Zuhause wäre noch viel vorzubereiten. Eine größere Halle sei nötig, mehr Arbeiter müssten eingestellt werden und Maschinen angeschafft. Ansonsten könnte eine Produktion in größerem Maße nicht statt finden. Der Graf nickte und signalisierte Verständnis. Gleichzeitig überlegte er fieberhaft, wie man die beiden dazu bewegen konnte, doch erst Morgen abzureisen. Da ihm aber momentan nicht mehr dazu einfiel, verabschiedete es sich erst mal von seinen Gästen. Mit dem Zusatz, dass er später noch einmal kommen werde. Und dass Professor Konrad es sich doch überlegen solle, erst Morgen mit Roman abzureisen.

„Wie es aussieht, werden wir nochmal hier übernachten müssen“, sagte der Direktor nach einer Weile des Überlegens.
Roman sah ihn mit schreckgeweiteten Augen an, seine Gesichtsfarbe war merklich blasser geworden.
„Aber Herr Direktor, wir wollten doch so schnell wie möglich hier weg.“
„Schon!“, unterbrach ihn der Direktor, „aber der Graf hat recht. Wir sollten nicht überstürzt abreisen. Morgen früh haben wir den ganzen Tag
vor uns."
Roman bekam schwitzende Hände. Natürlich hatte Direktor Konrad in gewisser Weise recht. Aber was, wenn der Bucklige heute Nacht wieder -
Der Direktor, der seine Gedanken erriet, sagte: „Du legst den Knoblauchring diesmal unters Kissen. Und mit dem Buckligen werde ich vorher nochmal plaudern.“
In der Nacht, als sie wieder oben im gleichen Zimmer zur Ruhe lagen, schlich sich erneut ein ungebetener Besucher bei ihnen ein. Der Graf hatte sich nicht mehr bei ihnen zurück gemeldet. Sie hatten inzwischen einiges an Wein intus gehabt und waren müde geworden. Und dann hatte sie der Diener, wie in der Nacht zuvor, nach oben gebracht.
Bevor er ging, legte ihm der Direktor noch nahe, sich in der Nacht von diesem Zimmer fern zu halten. Sonst werde er tatsächlich dem Grafen Meldung machen. Und das würde Konsequenzen haben. Der Bucklige nahm es mit einem unwilligen Grunzen zur Kenntnis und ging.


Teil 5
Die Gestalt schlich zu Roman, beugte sich über ihn und zog die Decke etwas nach unten. Roman lag auf die Seite gekauert da und sein junger Hals glänzte verlockend im Mondschein. Die Gestalt beugte sich zu ihm herunter und öffnete den Mund. Doch bevor die langen Hauer zubeißen konnten, war der Direktor wach und rief: „Lass ab, Untoter – hab ich dir nicht geraten, dich von hier fern zu halten.“
Dabei riss er den Kranz Knoblauch unter dem Kopfkissen hervor, hob ihn hoch und wedelte damit.
„Diesmal werde ich das dem Grafen melden!“
Die Gestalt ließ von Roman ab, richtete sich auf und lief auf den Direktor zu. Dieser saß aufgerichtet im Bett und zündete eilig die Kerze an,
die auf dem Nachttisch stand. Und dann staunte er, als er das Gesicht erkannte: „Sie, Herr Graf?“
Die Gestalt des Grafen ließ einen erschauern: An den Händen waren ihm lange Krallen gewachsen, sein Mund war offen und gab das Gebiss mit den langen Eckzähnen frei. Der Augen waren blutunterlaufen und ähnelten denen eines bösartigen Raubtieres. Der Direktor hielt den Kranz mit Knoblauch immer noch hoch, der Graf der jetzt vor ihm stand, wandte sich fauchend ab.
„Ich muss mit Ihnen reden“, sagte er und hielt die Hand schützend vor´s Gesicht, „legen Sie den verdammten Knoblauch zur Seite!“

Der Direktor senkte den Arm, behielt den Knoblauchkranz jedoch in der Hand. Er ließ den Grafen voraus in den Gang laufen, folgte ihm mit der Kerze und schloss die Zimmertür hinter sich. Roman musste das nicht hören. Den Grafen ließ er nicht aus den Augen, als er die Kerze – die von einem kleinen Ständer gehalten wurde - auf dem Boden abstellte. Graf Akula wollte auf ihn zu laufen, der Direktor hielt den Knoblauch höher: „Bleiben Sie, wo Sie sind und sagen Sie mir, was Sie zu sagen haben.“
Der Graf setzte ein vieldeutiges Grinsen auf. Seine Augen hatten sich geklärt, der Mund war geschlossen und die Krallen an den Händen eingefahren.
„Haben Sie wirklich geglaubt, Sie kämen hier ungeschoren wieder heraus?“
Der Direktor sah ihm geradewegs ins Gesicht. „Ich habe eine Erfindung gemacht, die für ihre Spezies revolutionär ist. Also bin ich gekommen,
um Sie mein Produkt testen zu lassen und zu nichts anderem.“
„Sicher“, antwortete der Graf, „aber Sie erwarten auch, dass ich Ihnen einen größeren Auftrag erteile.“
Direktor Konrad bestätigte mit einem Kopfnicken.
Der Graf erklärte, dass er Verpflichtungen gegenüber seinen drei Frauen habe, die im anderen Flügel des Schlosses hausten. „Sie brauchen Blut“, sagte er unverblümt. „Und ich als ihr Ehemann, muss es Ihnen beschaffen. Seit einer Ewigkeit saugen sie Ratten und Mäuse aus. Rehe. Hirsche und Wildschweine gibt es hier keine mehr, alle verbraucht oder in andere Reviere geflohen. Ganz zu schweigen von den Menschen in den Dörfer ringsum, die inzwischen allesamt selbst Vampire sind.“
Der Direktor war geschockt von dem Ausmaß und konnte sich leicht ausrechnen, auf was das hinaus laufen sollte.
„Sie und ihre Frauen werden meinen Roman in Ruhe lassen. Ich habe seiner Mutter in die Hand versprochen, dass ich ihn unversehrt und gesund
zurück bringen werde.“
„Tun Sie doch nicht so“, antwortete der Graf, „Sie haben ihre eigene Tochter wochenlang in einem Käfig festgehalten, um mit ihr zu experimentieren?“
Der Graf fixierte ihn: „Um eine Idee umzusetzen, auf die ICH Sie gebracht habe?“
Der Direktor stand händeringend da. Ja, er hatte seine Tochter benutzt; aber da war sie schon ein Vampir.
Sie hat gefaucht wie ein Tier und ihn kaum noch erkannt.
„Und wer hat meine Tochter gebissen, Herr Graf?“
Graf Akula starrte den Direktor mit seinem kalkweißen Gesicht an und sagte.
„Sehen Sie es einfach als Tribut an uns an.“


Teil 6:
Der Direktor hielt den Kranz noch immer hoch und wedelte jetzt wieder damit. „Wenn Sie meinen Angestellten nicht in Ruhe lassen, zerschlage ich
auf der Stelle den ganzen Inhalt meines Koffers – dann wird ihre Spezies nie in den Genuss dieses Vorrechts kommen.“
Der Graf wich einen Schritt zurück und erwiderte: „Und was soll ich meinen Frauen sagen?“
Er schien keine Antwort zu erwarten, denn er drehte sich nach diesen Worten um und löste sich im Dunkel des Flurs auf. Direktor Konrad stand noch einen Moment da und sah in die Schwärze, in der er verschwunden war. Schließlich nahm er die Kerze vom Boden und ging zurück ins Zimmer. Dort schloss er die Tür ab und stellte einen Stuhl mit der Rückenlehne unter die Türklinke. Danach besprenkelte die Tür von oben bis unten mit Weihwasser. Schließlich holte er die Kreuze aus seiner Tasche und stellte sie im Zimmer gut sichtbar auf.
„Hast du den Knoblauch unterm Kopfkissen?“
Roman nickte. Der Direktor sah ihn einen Moment aufmunternd an, ehe er die Kerze löschte und sich wieder ins Bett legte.
„Schlaf jetzt, der wird heut´ Nacht nicht wieder kommen.“

Zwei Stunden vor Morgengrauen, erschienen drei Frauen im Flur und waren unterwegs zum Zimmer der beiden Besucher.
Vor der Tür des Direktors und Romans blieben sie stehen und sahen sich mit entschlossenen Blicken an. Schließlich nickte eine, die die Anführerin zu sein schien. Auf ihr Geheiß wollte eine andere Frau die Türklinke nieder drücken, aber es gelang ihr nicht. „Die haben abgeschlossen.“
Die Frauen sahen sich fragend an. Eine schnüffelte und sagte: „Ich rieche Weihwasser!“
Die drei Frauen fauchten und wichen zurück. „Bei allen Teufeln“, sagte die Anführerin, „die haben vorgesorgt.“
Einen Moment schien die Gruppe ratlos zu sein und sah anscheinend keine Chance mehr, an das Ziel ihrer Wünsche zu gelangen. Doch dann sagte die Anführerin: „Wir beißen die Zähne zusammen und brechen die Tür auf. Das Weihwasser kann uns so sehr nicht schaden.“
Zwei der Frauen nahmen Anlauf und warfen sich mit voller Wucht gegen die Tür. Diese ächzte gewaltig, blieb aber stabil im Rahmen verankert und hielt dem anfänglichen Ansturm stand. Die Frauen versuchten es noch einmal; das Schloss brach diesmal und die Tür schlug auf.

In der nächsten Sekunde waren die Frauen im Zimmer und machten sich wie Furien über die Betten her. Rissen die Decken hoch und wollten mit ihren Krallen die Opfer packen, die Zähne in ihre Hälse schlagen und das Blut aussaugen. Weder Kreuze noch Knoblauch sollten sie daran hindern. Doch die beiden Menschen waren nicht in den Betten. Zwei der Frauen sahen unter den Betten nach, aber da hatte sich niemand versteckt und das Fenster war geschlossen.

Gerade erwog die Anführerin, den Kleiderschrank zu untersuchen, als dessen Türen aufflogen. Der Direktor hatte eine Kerze in der einen Hand, der Knoblauchring hing an seinem Unterarm, während die andere Hand ein geweihtes Kreuz hochhielt. Roman hatte ebenfalls ein Kreuz in der Rechten, hielt es hoch. In der Linken hatte er den anderen Knoblauchkranz. So traten sie aus dem Schrank und bewegten sich auf die Frauen zu. Für einen Moment schienen diese schreckensstarr zu sein. Doch dann blitzten ihre furchtbaren Gebisse auf und in ihre Augen trat ein raubtierähnliches Funkeln. Roman schlotterte vor Angst. Aus dem Augenwinkel sah er zur Tür, als würde er abschätzen wollen, ob ihm die Flucht gelingen könne. Aber er riss sich zusammen und blieb standhaft neben dem Direktor. Als die Frauen in einem ersten, erfolglosen Versuch die Tür aufbrechen wollten, war der Direktor wach geworden, weckte Roman und die beiden versteckten sich im Schrank. „Verschwindet, ihr vermaledeiten Untoten“, rief der Direktor, „oder ich berühre euch mit dem Kreuz und brenne euch Löcher in eure lebenden Leichname.“
Die Frauen bleckten als Antwort drohend ihre spitzen langen Zähne. Sie fauchten, wichen aber zurück. Direktor Konrad und Roman liefen auf sie zu und drängten sie aus dem Zimmer nach draußen auf den Flur.
Die Anführerin erklärte: „Der Graf hat uns diesen Jungen versprochen.“
Jetzt erst erkannte Direktor Konrad sie und das erschütterte ihn so, dass ihm fast das Kreuz und der Knoblauchring aus den Händen gefallen wäre.
“Thoedora – erkennst du mich nicht? Ich bin´s - dein Vater.“
Das ist also der Ort an den meine Tochter verschwunden ist, dachte der Direktor und der Graf hat das mit keiner Silbe je erwähnt.
Theodora kam einen Schritt näher. Für einen Moment schien so etwas wie Erkennen in ihrem Gesicht aufzublitzen. Doch dann bleckte sie die Zähne und der Direktor musste den Knoblauchkranz und das Kreuz wieder höher halten.
Die drei Frauen stellten sich nebeneinander auf und fauchten wie Raubkatzen. Roman hätte sich fast in die Hosen gemacht, doch er blieb standhaft, hielt das Kreuz und den Knoblauch hoch und spannte seinen Schließmuskel an. Ihm war mehr als bewusst, dass er sein Leben verlieren würde, wenn er seiner Angst nach gab. Die Frauen drehten sich schließlich um, verwandelten sich in Fledermäuse und verschwanden flügelschlagend in der Dunkelheit des Flures. Direktor Konrad wusste, dass sie auf eine Gelegenheit lauern und wieder kommen würden. Wenn der Graf ihnen Roman als Beute versprochen hatte, gab es kein Halten.

Teil 7:
Am nächsten Morgen zogen der Direktor und Roman die Kutsche aus dem Schuppen. Die Pferde waren im Stall nebenan untergebracht. Der Direktor holte sich zwei Pferde und spannte sie an. Dann beluden er und Roman die Kutsche mit den Koffern, die sie mit hatten. Während dessen tauchte der bucklige Diener im Hof auf. Humpelnd bewegte er sich auf sie zu und rief schon von weitem: „Ich könnte euch kutschieren.“
Der Direktor und Roman sahen sich fragend an.
„Nein Danke“, antwortete der Direktor, „das übernehme ich schon selbst.“
Der Diener grinste und sagte: „Sie können schlafen auf der Fahrt, die Nachtruhe war ja kurz.“
Das war sie allerdings. Anscheinend wusste der Bucklige, warum die Nacht so kurz war. Direktor Konrad wollte wissen, warum der Diener ihnen diesen Gefallen tun wollte. Der Graf habe ihm das nahe gelegt. Er wolle, dass sein Geschäftspartner sicher durch dieses Land komme. Direktor Konrad war verwundert und fragte den Diener, warum er am Tag herum laufen könne, er sei doch ein Vampir. Ein Halbvampir, gab der Bucklige zurück und deshalb könne er das.

Direktor Konrad und Roman hatten hinten Platz genommen. Sie hatten sich am Ende doch breit schlagen lassen, dass der Diener sie kutschiere.
Kaum hatte die Fahrt begonnen, nickten die beiden ein und holten den verpassten Schlaf nach. Die Kutsche fuhr den ganzen Tag durch´s Land. Wären die beiden Reisenden wach gewesen, hätten sie sehen können, wohin. Der Bucklige fuhr sie überall hin, nur nicht zu dem Schiff, mit dem sie über die Ostsee setzen wollten. Erst als die Sonne unterging, wurden der Direktor und Roman wach.
„Seht doch, Direktor“, rief Roman ganz aufgeregt und sah aus dem Fenster,
„Ist das da vorne nicht das Schloss des Grafen?“
Direktor Konrad sah jetzt auch aus dem Fenster und war schockiert.
„Dieser verdammte Kerl hat uns im Kreis geführt.“
„Und wir haben´s verschlafen“, sagte Roman.

Sie hatten zum Frühstück morgens von der Flasche Wein getrunken, die offen in der Küche gestanden hatte. Ob da was drin war? Haben wir deshalb so lange geschlafen?, fragte sich der Direktor. Alleine damit, dass die Nacht so kurz war, konnte er sich das nicht erklären. Als sie auf dem Hof des Schlosses anhielten, stand der Graf da und erwartete sie. Neben ihm standen, mit offenen Haaren und langen Gewändern, seine Frauen. „Oh Gott!“, stammelte Roman, „das ist unser Ende.“
„Ein abgekartetes Spiel“, tobte der Direktor, „er hat uns an der Nase herum geführt.“ Direktor Konrad riss einen der Koffer auf und holte die Knoblauchkränze, die Kreuze und einen Behälter mit Weihwasser heraus. Roman gab er auch einen Kranz, ein Kreuz und besprenkelte das Kutscheninnere und die Türen eilig mit dem geweihten Wasser.

Im nächsten Moment fuhr der bucklige Kutscher ohne Vorwarnung ruckartig an und stoppte gleich wieder abrupt. Die beiden Passagiere wurden nach hinten an die Wand geschleudert. Die Frauen nutzten diese Chance. Rissen die Tür auf und zogen Roman heraus, der das Kreuz und den Knoblauchring beim Anfahren fallen ließ. Direktor Konrad richtete sich auf, sprang aus der Kutsche und setzte den Frauen nach. „Lassen Sie das doch“, rief ihm der Graf hinterher, „sie werden diese Frauen nicht einholen. Und wenn, riskieren Sie selbst gebissen zu werden.“
Direktor Konrad ließ sich davon nicht abhalten und rannte weiter. Er würde diesen Weibern Roman keinesfalls als Beute überlassen. Was sollte er dessen Mutter sagen? Er hatte versprochen auf ihn aufzupassen und ihn gesund zurück zu bringen.
Die Frauen bewegten sich trotz ihrer Last so überirdisch schnell, dass sich der Abstand immer weiter vergrößerte. Schließlich waren sie verschwunden – wohin hatte Direktor Konrad im Eifer nicht mit bekommen. Sie sind vermutlich in diesem Keller unter getaucht, dessen Treppe er und Roman beim Spaziergang entdeckt hatten. Der Graf hatte recht. Dort unten werde ich selbst zur leichten Beute. Die Kreuze und der Knoblauch liegen in der Kutsche.
Es gibt vermutlich da unten so viele Räume, dass ich die Frauen nie und nimmer finde. Ich würde zu spät kommen, um Roman zu retten.

In seiner Verzweiflung machte Direktor Konrad kehrt und rannte zurück. Er stieg in die Kutsche und zerrte den zweiten Koffer, in dem die Spiegel waren, unter dem Sitz hervor. Er riss ihn auf, nahm den ersten Spiegel und schmetterte ihn dem Grafen vor die Füße. „Wenn Roman nicht sofort zu mir zurück kommt, werde ich alle Spiegel zerschlagen.“ Er nahm den nächsten und warf auch diesen dem Grafen vor die Füße. Der Spiegel zersprang. „Kein Vampir wird sich je darin sehen können“, schrie der Direktor wie von Sinnen und warf dem Grafen weitere Spiegel vor die Füße.
Der Graf sah ihm eine Weile neugierig zu und plötzlich lachte er so laut, dass Direktor Konrad seine Aktion stoppte. „Sie sind ruiniert, wenn sie so weiter machen“, sagte Akula, „ihre ganzen Investitionen, ihre skandalösen Versuche mit ihrer Tochter, ihre wertvolle Zeit, alles wäre umsonst gewesen.“
Direktor Konrad sah den Grafen an, als würde er gerade aus einem Alptraum erwachen. Das Schlimmste war, dass dieser Vampir recht hatte. Aber Geschäft hin oder her; er hatte keine Lust, auch noch Roman dafür zu opfern.
„Wissen Sie eigentlich“, unterbrach Graf Akula seinen Gedankengang, „dass eine dieser Frauen ihre Tochter ist?“
„Ja – das weiß ich. Theodora und ihre Begleiterinnen wollten schon letzte Nacht Roman das Blut aussaugen. Aber wir konnten es verhindern.“

Der Graf kletterte in die Kutsche, schloss den Koffer mit den restlichen Spiegeln und nahm ihn an sich. Direktor Konrad sah ihm wie gelähmt zu und ließ es willenlos geschehen. Akula ergriff den Direktor am Arm und schüttelte ihn: „Und Sie lassen sich jetzt von meinem Diener zu ihrem Schiff fahren. Zuhause leiten sie alles in die Wege, damit die Produktion anlaufen kann. Ein Spiegel, in dem sich Vampire sehen können, ist ein wahrer Geniestreich. Unsere Spezies wird ihnen für diese Erfindung schon zu Lebzeiten ein Denkmal errichten.“
„Und was ist mit Roman?“
„Dem kann keiner mehr helfen, nicht mal ich. Die Frauen würden glatt ihren eigenen Herrn zerfleischen, wenn ich ihnen die Beute jetzt noch streitig mache.“
Der Graf stieg aus und schloss die Tür. Dann gab er dem buckligen Diener ein Zeichen. Dieser ließ die Peitsche knallen, die Pferde zogen an und das Gespann bewegte sich vom Schlosshof.

Fortsetzung folgt -

Teil 8
Ein Beobachter am Kai hätte sehen können, dass sich ein großes Schiff mit vielen Passagieren immer weiter in den Hintergrund bewegte, während ein kleines Ruderboot, mit einem einzelnen Mann, immer mehr in den Vordergrund gerudert wurde. Das kleine Boot landete etwas abseits vom Kai, wo es flacher war. Direktor Konrad hängte seine Tasche um, stieg aus dem Boot und zog es ein Stück an Land. Einen Moment blickte er nachdenklich auf die kleine Nussschale, die vor ihm mit dem hinteren Teil im Wasser dümpelte. Sie gehörte faktisch ihm, so viel wie er dafür bezahlt hatte. Die Anstrengung, den Kapitän zu überreden, ihn mit diesem Rettungsboot auszusetzen, gar nicht mit eingerechnet. Es war ganz sicher mühsam und umständlich, es auf die Art zu machen. Aber der Graf hatte dem buckligen Diener befohlen, so lange zu bleiben, bis der Direktor tatsächlich auf dem Schiffe wäre und dieses ablegte. Was hätte er also tun können, außer mit einem Rettungsboot zurück zu rudern?

Konrad ging die Straße runter und stieß auf die ersten Häuser des Ortes. Er fragte einen Passanten nach einer Übernachtungsmöglichkeit. Der Passant nannte ihm die Adresse eines Hotels. Der Direktor suchte es auf, bekam ein Zimmer und bezog es. Er wusch sich und machte sich bereit, gleich ins Bett zu gehen. Morgen würde es einen anstrengenden Tag geben. Er hatte am folgenden Tag etwas zu erledigen, das getan werden musste, daran führte kein Weg vorbei.
Man brachte ihm am nächsten Morgen ein Frühstück aufs Zimmer. Der Direktor stärkte sich damit. Danach bezahlte er und fragte, ob es einen Schreiner im Ort gäbe. Man gab ihm die Adresse. Der Schreiner war zugegen und fertigte auf der Stelle etwas an, was für das Vorhaben von Nöten war. Danach kümmerte sich Direktor Konrad um eine Kutsche, die ihn zum Schloss des Grafen brachte.

Es war schon ein Stück nach Mittag, als die Kutsche in der Nähe des Schlosses an kam. „Halten Sie hier!“, rief der Direktor nach vorne.
Der Kutscher hielt an. Konrad stieg aus, bezahlte ihn und sagte, dass er den Rest laufen wolle. Der Kutscher nahm stumm das Geld entgegen, sah dem weg laufenden Passagier einen Moment erstaunt nach, wendete dann und fuhr auf dem gleichen Weg zurück. Der Direktor lief entschlossenen Schrittes auf das Schloss zu. Es war mitten am Tag, die Vampire waren jetzt nicht aktiv. Vor der Abenddämmerung musste alles erledigt sein. Für die Rückfahrt würde er sich die Kutsche des Grafen ausleihen.

Er betrat den Hof des Schlosses von der Rückseite. Immerhin konnte es möglich sein, dass der bucklige Diener ihn sehen könnte, wenn er von vorne käme. Dieser Halbvampir, der auch bei Tageslicht herum humpeln konnte. Niemand war zu sehen, als der Direktor den Schlosshof betrat. Ungehindert kam er bis zu dem Kellereingang, den er damals zusammen mit Roman gefunden hatte. Roman, mein Gott. Was war aus ihm geworden? War er jetzt auch ein Vampir, der ängstliche Roman?
Der Direktor lief die Stufen hinab und trat in den Keller ein. Es war stockdunkel, so dass er eine mit gebrachte Kerze entzündete. Es gab, wie er vermutet hatte, jeden Menge Räume, die links und rechts vom Hauptgang lagen. Ein regelrechtes Labyrinth. Konrad durchforschte einen Raum nach dem anderen.
Sie hatten keine Türen, man konnte ungehindert rein und raus gehen. Särge standen in keinem dieser Räume.
Konrad hatte schon etliche Räume mit der Kerze erleuchtet und durchforscht ohne etwas gefunden zu haben. An diesem Punkt fragte er sich, ob es noch einen anderen Keller gab. Ob die Vampire gar nicht hier – Eine Art Stöhngeräusch unterbrach seinen Gedankengang. Es war von weiter vorne gekommen. Angetrieben von neuerlicher Hoffnung ging er darauf zu und stand schließlich vor dem Raum aus dem der Laut gekommen sein musste.

Als er ihn mit seiner Kerze erleuchtete und das Innere sichtbar wurde, sah der Direktor zunächst nichts. Er war sich aber ziemlich sicher, dass das Geräusch genau aus diesem Raum gekommen war. Er sah sich ein zweites mal um, fand aber nichts. Dann war das Stöhngeräusch wieder zu hören. Gedämpft und leise zwar, aber es war hörbar da. Ganz hinten, links in der Ecke gab es einen Vorhang, den der Direktor erst jetzt sah. Von da war es gekommen. Er ging hin, zog ihn zur Seite und stand vor einem Sarg. Einen Moment blieb er davor stehen und wartete ab. Das Stöhngeräusch war nicht wieder zu hören. Auch sonst bewegte sich nichts. Vorsichtig hob er den Holzdeckel an und klappte den Sarg auf.
Eine der Frauen lag darin, die ihn und Roman in der Nacht heimgesucht hatten. Es war aber nicht Theodora. Er wollte den Deckel schon wieder schließen, als die Vampirfrau die Augen aufschlug, ihren Mund öffnete und die dolchartigen Zähne zum Vorschein brachte. Sie fauchte wie ein Raubtier und wollte sich aufrichten. Direktor Konrad stieß sie zurück. In der anderen Hand hatte er bereits den angespitzten Stock, den ihm der Schreiner angefertigt hatte, setzte ihn auf Höhe des Herzens an und schlug mit einem Hammer zu, so dass sich die Spitze durch das Fleisch ins Herz der Untoten bohrte. Blut spritzte und ergoß sich über die Unterarme des Direktors. Die Vampirin bleckte die Zähne, schrie und wand sich – aber ihr Schicksal war besiegelt, ihre Zeit abgelaufen. Direktor Konrad sprang ein Stück zurück, als sie am ganzen Körper glühte. Dann sah er zu, wie sie nach und nach zu Staub zerfiel.
Missmutig klappte er den Deckel des Sarges zu. Er war nicht hergekommen, um alle Frauen des Grafen zu töten. Nur Theodora wollte er erlösen.
Sie sollte nicht noch Jahrzehnte, vielleicht sogar Jahrhunderte als Untote existieren müssen.


Teil 9
Direktor Konrad machte sich auf den Weg um weiter zu suchen. Doch am Eingang des Raumes war der Graf erschienen. Konrad wollte erst das Kreuz aus seiner Tasche holen und es vor sich halten. Doch er entschied sich anders und ließ es. Der Graf, der diese Absicht durchaus erkannt hatte, veränderte seinen Gesichtsausdruck zu einer Art Lächeln. „Ich habe nicht vor, Ihnen etwas zu tun.“
Der Direktor nickte, behielt den Grafen aber im Auge und hielt Abstand zu ihm.
„Sie haben eine meiner Frauen getötet – ich bin wegen der Schreie aufmerksam geworden.“
Direktor Konrad überlegte in dem Moment, doch das Kreuz heraus zu holen und es vor sich zu halten. Wie würde diese Unterhaltung sich weiter entwickeln? Was, wenn der Graf sich doch an ihm rächen wollte?
Graf Akula fixierte sein Gegenüber einen gespenstischen Moment lang. Dann räusperte er sich und sagte: „Sie müssen jetzt nach Hause und mit der Produktion beginnen. Meine Verwandten, Bekannten und Freunde bedrängen mich schon. Sie wollen den Spiegel, in dem sie sich ungefährdet ansehen können. Am Ende denken sie noch, dass ich sie belüge.“
„Wo ist Roman?“
„Es geht ihm gut.“
„Ist er, wie Sie, jetzt ein Vampir?“
„Nein„ - dementierte der Graf und sah den Direktor an.
„Warum ist er dann nicht hier und kann mit mir gehen?“
Der Graf schwieg einen Moment, als würde er überlegen müssen.
„Die Frauen haben Blut von ihm gesaugt“, antwortete er schließlich, „aber nicht ihr Gift abgegeben.“
„Dann holen Sie ihn und schon bin unterwegs nach Hause.“
Der Graf schüttelte den Kopf. „Es ist noch zu früh – ich bringe ihn später.“
„Die Frauen wollen wohl noch eine Weile sein Blut saugen.“
„Nein“, wiegelte Graf Akula ab, „ich habe Roman von ihrem Einfluss abgeschirmt.
Er soll mein Unterpfand sein, dass Sie wirklich die Spiegel anfertigen.“

Wenig später saß der Direktor in der Kutsche, die der Graf ihm zur Verfügung gestellt hatte und wurde von ihr bis zum Schiff gefahren, das die Nordsee überqueren sollte. Es war ihm nicht wohl bei dem Gedanken, ohne Roman nach Hause zurück zu kehren. Was sollte er Romans Mutter erzählen? Dass er ihren Sohn bei diesem blutgierigen Monster zurück gelassen hatte? Sie würde ihm das nie verzeihen, wenn sie ihren Sohn nicht wieder haben konnte. Und zwar unversehrt, als Mensch.
Tage später zuhause angekommen, schloss sich der Direktor in sein Arbeitszimmer ein. Niemand durfte zu ihm, auch seine Frau nicht. Er erklärte nichts,
hielt einfach nur sein Zimmer abgeschlossen, gab keine Antwort wenn seine Frau an die Tür klopfte und verschmähte sogar das Essen, das sie ihm vor die Tür stellte. Er ernährte sich nur noch von dem Whisky, den er in seinem Schreibtisch gelagert hatte. Dazu rauchte er unzählige Zigarren, die den ganzen Raum in einen permanenten Nebel hüllten.
Nach ein paar Tagen stand der Vorarbeiter aus der Fabrik vor seiner Tür und klopfte. Direktor Konrad öffnete nicht. Auch nicht, als der Vorarbeiter, der Alfred Kircher hieß, zu ihm sprach. „Die Arbeiter haben nichts mehr zu tun. Wir sollten doch die Spiegel anfertigen für die Untoten. Sie wollten noch mehr Arbeiter einstellen und den Maschinenpark erweitern. Außerdem müssen das Glas und die Rahmen bestellt werden.“
Direktor Konrad hatte mit gehört, antwortete aber nicht. Alfred Kircher fragte, ob er die Arbeiter nach Hause schicken solle und die Fabrik schließen.
Direktor Konrad dachte darüber nach, ohne zu antworten. Was war wichtiger? Dass er mit der Produktion begann oder dass er nach Transsylvanien zurück kehrte, um Theodora doch noch zu finden und zu erlösen? Und den Grafen am besten gleich mit. Aber dann konnte keiner mehr die Spiegel abnehmen. Zumindest kannte er keinen außer dem Grafen, der die nötigen Verbindungen hatte. Alfred Kircher klopfte nochmal eindringlich und sagte: „So geben Sie mir doch Antwort, Herr Konrad. Ich weiß ansonsten nicht mal mehr, ob Sie noch leben.“
Konrad schwieg und Kircher gab schließlich auf, lief nach unten und verließ das Haus.

Am nächsten Tag brachte Konrads Frau wie immer das Essen, stellte es vor die Tür und nahm den nicht angerührten Teller mit Essen an sich, um es unten in den Müll zu kippen. Sie klopfte, als sie den Teller in der Hand hielt und sagte: „Bei mir unten im Wohnzimmer sitzt Romans Mutter und weint sich die Augen aus. Willst du nicht endlich aufmachen, runter gehen und ihr etwas sagen? Die Frau ist völlig aufgelöst – wenn es so weiter geht, versagt vielleicht ihr Herz.“
Direktor Konrad antwortete nicht und schloss auch die Tür nicht auf. Er wartete damit eine angemessene Zeit, bis er seine Frau weg gehen hörte. Dann betrachtete er sich im Spiegel. Sah die zerzausten Haare, die langen Bartstoppeln, die schon fast ein Bart waren. Der bleiche, gläserne Teint seines Gesichtes und die roten Augen, mit denen er sich selbst anstarrte. Wie auch immer. Er wollte jetzt keine Zeit mit Körperpflege verlieren. Romans Mutter brauchte eine Antwort und die wollte er ihr geben. Er zündete sich den Zigarrenstummel wieder an, den er kurz zuvor im Aschenbecher ausgedrückt hatte. Dann schloss er das Zimmer auf und bewegte sich zielstrebig nach unten.
Nachdem er die Frau halbwegs getröstet und ihr in Aussicht gestellt habe, dass Roman unversehrt zurück kommen werde, lief er weiter in die Fabrik, die im gleichen Hof wie das Haus stand, nur einen Steinwurf entfernt. Die Arbeiter arbeiteten, wenn auch nicht an der Spiegel-Produktion. Alfred Kircher, der Vorarbeiter, hielt sie beschäftigt, damit sie nicht auf dumme Gedanken kommen, wie er sich ausdrückte. Direktor Konrad lief direkt ins Büro des Vorarbeiters, schloss die Tür und setzte sich ihm gegenüber. Einen schweigenden Moment sahen sich die beiden an. Alfred Kircher war schockiert vom Anblick seines Direktor. In so einem Zustand hatte er ihn noch nie gesehen.
„Wir werden die Spiegel für die Untoten NICHT produzieren.“
Der Vorarbeiter sah ihn entgeistert an.
„Dann muss ich die Arbeiter nach Hause schicken. War schwierig genug, sie bis jetzt noch zu beschäftigen. Ich habe inständig gehofft, dass wir mit der Produktion doch noch beginnen.“
Der Direktor schüttelte den Kopf und wehrte mit einer Geste ab.
„Ich habe mir das gründlich überlegt. Dieser Untote hat mir meine Tochter genommen und jetzt noch Roman. Ich werde ihm nichts verkaufen.
Ich werde nach Transsylvanien zurück kehren und tun was zu tun geboten ist. Er soll mir nicht so einfach davon kommen.“
Alfred Kircher sah ihn besorgt an. Es wollte Protest dagegen anmelden. Aber es war sinnlos, das wusste er. Wenn Direktor Konrad einen Entschluss gefasst hatte, dann galt das. Es gab dann kein Wenn und Aber mehr.

Als der Direktor in den Hof trat, um zum Wohnhaus zurück zu laufen, stand plötzlich der Graf vor ihm. Und neben ihm stand Roman, der gut aussah
und lächelte. „Ich bringe Ihnen ihren Angestellten zurück“, sagte Graf Akula, „außerdem wollte ich mal sehen wie weit sie mit der Produktion sind.“

Teil 10
Direktor Konrad starrte Roman einen langen Augenblick an, um zu sehen, ob wirklich alles mit ihm in Ordnung war. Der Graf daneben trug Handschuhe, hatte einen breitkrempigen Hut auf und eine dunkle Brille über dem Gesicht, um sich vor dem Licht zu schützen. Für kurze Zeit, das wusste Konrad, konnte Akula das Licht aushalten. Roman, der ganz ohne Schutz da stand, schien also kein Vampir geworden zu sein. Direktor Konrad machte den beiden ein Zeichen, ihm zu folgen.
Im Wohnzimmer des Hauses angekommen, ließ der Direktor alle Rolläden runter, so dass es für einen Moment sehr dunkel wurde. Er entzündete ein paar Kerzen und man setzte sich. Akula und Roman nahmen auf dem Sofa Platz. Der Direktor saß ihnen in einem Sessel gegenüber. Einen Moment herrschte Schweigen. Der Graf musterte den Direktor. Sah die dunklen Augenringe, die zerzausten Haare, den tagealten Bart und das bleiche, faltige Gesicht, das im Kerzenlicht noch deutlicher zu sehen war. „Ich will Ihnen nicht zu nahe treten, aber, geht es Ihnen gut?“
Direktor Konrad drehte den Kopf zur Seite. Es ging ihm nicht gut, das schien sehr offensichtlich zu sein. Er hätte sich besser rasieren und kämmen sollen, duschen und frische Wäsche anziehen, ehe er das Zimmer verlassen hatte.
„Es geht schon“, erwiderte Konrad und sah den Grafen an.
Akula vertiefte das Thema nicht, brachte aber ein anderes ins Gespräch.
„Wie sieht es mit der Produktion der Spiegel aus? Wann kann ich damit rechnen, welche zu bekommen?“

Direktor Konrad vermied seinen Blick. Was, zum Teufel, sollte er dem Grafen darauf antworten? Hatte er nicht gerade seinem Vorarbeiter erklärt, dass es keine Produktion geben würde? Dass Roman unversehrt zurück gekehrt war, damit hatte er nicht gerechnet.
„Es ging mir in der letzten Zeit nicht gut. Ich werde mich jetzt aber darum kümmern, dass wir mit der Produktion der Spiegel beginnen.“
Akula sah sein Gegenüber einen Moment lang stumm an. „Dann hat mich mein Gefühl doch nicht betrogen, dass bisher nichts geschehen ist.“
Sein Gesicht hellte sich aber sogleich auf und er fügte hinzu: „Wenn Sie jetzt damit beginnen, ist das sehr zu begrüßen. Ich denke, dass ich Roman unversehrt zurück gebracht habe, müsste Beweis genug sein, dass ich sie nicht belogen habe.“

Der Graf logierte noch zwei Tage in dem nahen Hotel. Er hatte dort ein Zimmer für die Nacht und einen Kellerraum gemietet, um tagsüber im Sarg zu schlafen, den er mit gebracht hatte. Man fand das im Hotel merkwürdig. Aber er war ein immerhin ein Graf aus Rumänien, also musste es geduldet werden. Am dritten Abend reiste Akula in sein Land zurück.
Direktor Konrad war am nächsten Tag im Büro seines Vorarbeiters erschienen. Rasiert, geduscht und in neuen Kleidern. Alfred Kircher sah seinen Chef erstaunt an und sofort keimte neue Hoffnung in ihm auf. Der Direktor stellte sich neben seinen Vorarbeiter und klopfte ihm begütigend auf die Schulter. „Gute Nachricht, Herr Kircher, wir werden die Spiegel produzieren.“
Kircher sprang auf, umarmte seinen Chef und drückte ihn fest an sich. Als er sich aus der Umarmung gelöst hatte, sagte er: „Die Arbeiter werden einen Freudentanz aufführen, wenn sie das hören.“
Es gab einiges zu tun, ehe es mit der Produktion wirklich losgehen konnte. Der Graf hatte von zweitausend Spiegeln gesprochen, die geliefert werden sollten. Dafür mussten weitere Maschinen angeschafft werden. Es musste mehr Material bestellt und geliefert werden. Unter Umständen musste der Direktor weiteres Personal einstellen. Und er musste sich mit einer Reederei in Verbindung setzen, die die Spiegel per Schiff nach Transsylvanien bringen konnte. Alfred Kircher nickte, krempelte die Ärmel seines Hemdes hoch und sah seinen Chef an: „Auf was warten wir noch – fangen wir an.“
 
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Catty

Mitglied
Hallo Heinrich.
Ich habe jetzt mal mit dem Text angefangen. Schreibstil und Atmosphäre gefallen mir sehr gut.
In folgendem Teil passt das "uns" nicht, da ja der restliche Text in 3. Person geschrieben ist:
“Manieren hat dieser Kerl wohl keine, sonst hätte er uns erst mal willkommen geheißen“
Bei der Sache mit Obelix weiß ich nicht, ob das so in die beschrieben Epoche passt, aber soll ja Fantasy sein
“Roman zuckte zusammen. Wer weiß, ob das wirklich ein Kauz und ein Wolf ist." Da sollte am Schluss auch ein "sind" hin.

Liebe Grüße, Catty
 
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Heinrich VII

Mitglied
Hallo Heinrich.
Ich habe jetzt mal mit dem Text angefangen. Schreibstil und Atmosphäre gefallen mir sehr gut.
Hallo Catty,
das freut mich sehr.
Danke für die Bewertung. :)

In folgendem Teil passt das "uns" nicht, da ja der restliche Text in 3. Person geschrieben ist:
“Manieren hat dieser Kerl wohl keine, sonst hätte er uns erst mal willkommen geheißen“
Es sind die Gedanken des Direktors - ich werde sie kursiv setzen, damit das besser erkennbar wird.

Bei der Sache mit Obelix weiß ich nicht, ob das so in die beschrieben Epoche passt, aber soll ja Fantasy sein
“Roman zuckte zusammen. Wer weiß, ob das wirklich ein Kauz und ein Wolf ist." Da sollte am Schluss auch ein "sind" hin.
Ja - du hast recht. In die Epoche (ich veranschlage mal das 19. Jahrhundert) passt das nicht.
War so ne spontane Idee, die ich witzig fand - habe aber nicht an die Epoche gedacht.
Werde ich noch ändern. Danke für deinen freundlichen Kommentar. ;)

Gruß, Heinrich
 



 
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