Knochenfabrik
Seit ungefähr einem Jahr wohne ich in meiner derzeitigen Wohnung. Sie hat zwei Zimmer, ne Küche und ein Bad. Angenehmerweise ist dieses Bad in der Wohnung drin. Früher musste ich jedes Mal wenn es nötig war die Treppe hinabsteigen und auf ein Klosett auf dem Hof gehen. Im Winter kostete das sehr viel Überwindung. Auch das Aufstehen fiel deshalb sehr schwer. Immer erst die Treppe runter, raus, übern Hof, Klotür aufschließen, geschäftigen, fertig, Klotür wieder aufschließen, raus, übern Hof, hoch.
Aber diese Zeiten sind vorbei. Jetzt ist mein Bad in meiner Wohnung. Ich kann es gerade sogar sehen. „Hallo Bad...“
Aber das Bad ist nicht das beste an dieser Behausung. Da ich im zweiten Stock wohne und beim Wohnungsaussuchen speziell darauf geachtet habe, bin ich nun Besitzer eines Balkons. Besetzer vielleicht. Wenn die Sonne scheint und draußen ein paar Vöglein singen, sitze ich auf einem Ikea-Klappstuhl, bedecke Bein mit Beine und träume vor mich hin.
Ah, wie schön könnte das sein, mit einem Balkon unterwegs durch die Welt. Wie so eine Art fliegendes Klassenzimmer, nur ohne Kästner, ohne Lehrer und ohne Tafel, auf der stehen könnte: „Heute Schulfrei, fliegen mit Klassenzimmer nach Sri Lanka.“
Nein, heute nicht nach Sri Lanka. Vorerst bleibe ich hier. Es gibt ja auch genug zu sehen. Meisers im Garten. Kabulkes auf dem Hof. Schmidts jüngster steht schmiere, während der Bengel von den ganz oben die Fahrräder um ihre Ventile erleichtert. Von hier kann ich es sehen. Von da unten sieht man nichts. Einer der Vorteile, wenn man den ganzen Tag auf seinem Balkon hockt. Man kriegt einfach mehr mit.
Die Straße liegt irgendwie sehr ruhig da. Heute ist Sonntag und ich hoffe, dass das Mädchen von nebenan wieder auf ihrem Balkon erscheint. Wenn sie so dasteht wandelt sich das alte Betongemäuer um uns herum immer in ein Schloss und sie als das Burgfräulein wartet sehnsüchtig auf mich, den Ritter, den Retter, der daherkommt mit seinem Schwert, einer Lanze vielleicht und einem weißen Ross. Ich verkürze die Wartezeit und höre Musik.
„Im Galopp auf nem Ross/ Ab ins goldene Schloss/
Möchte ich dich entführen/ Deine Zärtlichkeit spüren/
Doch auf nem Sockel aus Stein/ An einer Brücke am Rhein/
Leide ich qualvoll mein Schicksal/ Den ich bin kein Denkmal“
Knochenfabrik hat es mir vorgemacht. Was fehlt ist die Laute. Ich, der Barde des Wohnviertels, sie meine angebetete Schönheit, die nicht aus noch ein weiß vor Liebeskummer und ohne mich.
Wie gesagt: Ich träume! Das Nachbarsmädchen gibt es nicht. Ich lege die Beine wieder gekreuzt übereinander und hoffe auf andere Zeiten, die nicht unbedingt besser sein müssen. Ich will zurückkehren, vom Traumbalkon auf den Boden der Tatsachen,... Doch vorerst wir das nichts.
Seit ungefähr einem Jahr wohne ich in meiner derzeitigen Wohnung. Sie hat zwei Zimmer, ne Küche und ein Bad. Angenehmerweise ist dieses Bad in der Wohnung drin. Früher musste ich jedes Mal wenn es nötig war die Treppe hinabsteigen und auf ein Klosett auf dem Hof gehen. Im Winter kostete das sehr viel Überwindung. Auch das Aufstehen fiel deshalb sehr schwer. Immer erst die Treppe runter, raus, übern Hof, Klotür aufschließen, geschäftigen, fertig, Klotür wieder aufschließen, raus, übern Hof, hoch.
Aber diese Zeiten sind vorbei. Jetzt ist mein Bad in meiner Wohnung. Ich kann es gerade sogar sehen. „Hallo Bad...“
Aber das Bad ist nicht das beste an dieser Behausung. Da ich im zweiten Stock wohne und beim Wohnungsaussuchen speziell darauf geachtet habe, bin ich nun Besitzer eines Balkons. Besetzer vielleicht. Wenn die Sonne scheint und draußen ein paar Vöglein singen, sitze ich auf einem Ikea-Klappstuhl, bedecke Bein mit Beine und träume vor mich hin.
Ah, wie schön könnte das sein, mit einem Balkon unterwegs durch die Welt. Wie so eine Art fliegendes Klassenzimmer, nur ohne Kästner, ohne Lehrer und ohne Tafel, auf der stehen könnte: „Heute Schulfrei, fliegen mit Klassenzimmer nach Sri Lanka.“
Nein, heute nicht nach Sri Lanka. Vorerst bleibe ich hier. Es gibt ja auch genug zu sehen. Meisers im Garten. Kabulkes auf dem Hof. Schmidts jüngster steht schmiere, während der Bengel von den ganz oben die Fahrräder um ihre Ventile erleichtert. Von hier kann ich es sehen. Von da unten sieht man nichts. Einer der Vorteile, wenn man den ganzen Tag auf seinem Balkon hockt. Man kriegt einfach mehr mit.
Die Straße liegt irgendwie sehr ruhig da. Heute ist Sonntag und ich hoffe, dass das Mädchen von nebenan wieder auf ihrem Balkon erscheint. Wenn sie so dasteht wandelt sich das alte Betongemäuer um uns herum immer in ein Schloss und sie als das Burgfräulein wartet sehnsüchtig auf mich, den Ritter, den Retter, der daherkommt mit seinem Schwert, einer Lanze vielleicht und einem weißen Ross. Ich verkürze die Wartezeit und höre Musik.
„Im Galopp auf nem Ross/ Ab ins goldene Schloss/
Möchte ich dich entführen/ Deine Zärtlichkeit spüren/
Doch auf nem Sockel aus Stein/ An einer Brücke am Rhein/
Leide ich qualvoll mein Schicksal/ Den ich bin kein Denkmal“
Knochenfabrik hat es mir vorgemacht. Was fehlt ist die Laute. Ich, der Barde des Wohnviertels, sie meine angebetete Schönheit, die nicht aus noch ein weiß vor Liebeskummer und ohne mich.
Wie gesagt: Ich träume! Das Nachbarsmädchen gibt es nicht. Ich lege die Beine wieder gekreuzt übereinander und hoffe auf andere Zeiten, die nicht unbedingt besser sein müssen. Ich will zurückkehren, vom Traumbalkon auf den Boden der Tatsachen,... Doch vorerst wir das nichts.