Der Turm

Sensiro

Mitglied
Hoch auf dem Turm stand er, sah hinab in die Tiefe. Niemals hätte er gedacht, daß er einmal so weit oben sein würde. Noch weniger dachte er daran, daß er von dort wieder runter wollte, wußte er doch, was ihn dort unten erwarten würde.
Der Weg über die Treppe nach unten war versperrt, warteten doch all die andren dort, die auch die herrliche Aussicht genießen wollten und nun endlich nach der langen Wartezeit die Sonne nicht nur durch die Fenster des Turmes sehen wollten.
So gab es nur einen Weg hinab. Er fürchtete sich, denn dort unten standen noch mehr der anderen, die nur darauf warteten, daß er endlich Platz machte. Sie würden ihn gewiß nicht auffangen. Auf der Plattform war er aber ganz alleine mit all den schönen Ausblicken über das Tal, die sonst niemand hatte.
Er stand lange auf der Brüstung und überlegte, ob er springen sollte, aber er stieg wieder hinab, wußte er doch, daß er früher zwar glücklich war, doch diese Zeit nie wieder zurückkam. Auch der Sprung war keine Lösung, denn unten erwartete ihn nichts, worauf er sich freuen konnte.

(c) Sensiro, Ludwigshafen 8/2000
 

Breimann

Mitglied
Problme

also,
da hab ich aber Probleme mit dieser Betrachtung. Warum will er springen? Weil im Treppenhaus so viel Betrieb ist? Na, das gäb aber Selbtmorde in zig Orten mit einem Aussichtsturm.
Er steigt wieder runter, weil er.. ? Er steigt auf die Brüstung?
"Er stand lange auf der Brüstung und überlegte, ob er springen sollte, aber er stieg wieder hinab, wußte er doch, daß er früher zwar glücklich war, doch diese Zeit nie wieder zurückkam."
Diese zwar-obwohl-Verknüpfung sollte noch einmal überdacht werden! Ein Rätsel!
 
S

schwafelfasel

Gast
Variatio delectat.

Inhaltlich finde ich in dieser Variation des offenbar ziemlich beliebten Selbstmord-Themas keine wirklich neuen Aspekte, stilistisch ist mir Folgendes aufgefallen:
"...,wußte er doch,...", dann gleich im nächsten Satz wieder "....warteten doch..." und am Schluss noch einmal ein "...,wußte er doch...". Etwas mehr Abwechslung würde nicht schaden.

Schwafelfasel
 

Sensiro

Mitglied
Nicht immer offensichtlich

Nun, der eine mag in der Kurzgeschichte eine Selbstmordszene sehen, der andere etwas anderes. Jeder soll sehen was er sehen mag. Nur genau hinsehen sollte er.

Ja, er stieg zuvor auf die Brüstung, werter Breimann. Ich dachte, daß dies keiner Erklärung bedurfte, da es der einfachen Logik entspricht.
Die "zwar-obwohl-Verknüpfung" ist absichtlich um den erklärenden Halbsatz verkürzt worden.

Im übrigen glaube ich nicht, daß es Sinn macht, stilistisch wertvolle, aber inhaltlich verarmte Prosa zu schreiben @ Schwafelfasel. Ich denke, da sind wir einer Meinung.
Wenn Du also den Stil bemängelst, dann sieh Dir doch zunächst den Inhalt an. Und dann entscheide, ob der Stil nicht vielleicht doch stilvoll ist.

Grüße an alle!
Sensiro
 
S

schwafelfasel

Gast
Inhalt mag ja ganz nett sein...

... aber warum sollte man sich nicht dennoch um guten Stil bemühen?

Will sagen: Klar geht Inhalt vor Stil, da hast du schon Recht. Aber bloss weil man stilistischen Fragen nicht die oberste Priorität einräumt, ist das ja noch lange kein Grund, sie gänzlich ausser Acht zu lassen, findest du nicht?

Ein paar klitze-kleine Änderungen, durch die wohl kaum eine Aussage verloren ginge, und das Ganze klänge so viel besser!

Wo liegt das Problem?

Schwafelfasel
 

Breimann

Mitglied
Stilfragen

Klar,
jeder hat einen andere Meinung über "guten" Stil; ich bin nicht der Literaturpapst, der sich anmaßt, den einzig wahren Stil zu pflegen. Gleichwohl meine ich, dass es einige grundsätzliche Dinge gibt, die man beachten sollte. Mein Kommentar war nicht als Verriss gemeint, sondern es fiel mir eben nur was auf - und das lässt sich doch korrigieren. Ich halte es jedenfalls so, wenn bei mir etwas kritisiert wird. Man muss nicht alles annehmen, aber manchmal ist man "betriebsblind" und sollte dankbar für Hinweise sein; deshalb veröffentlichen wir doch in der LL! Oder?
eduard
 
S

schwafelfasel

Gast
*zerknirscht*

Okay, vergiss, was ich über Stil gesagt habe. Breimann hat völlig recht. Ich kann mir natürlich auch nicht anmaßen, irgendwas über "guten" Stil zu verzapfen. Ist eben dein Stil und aus.

Nimm's mir nicht übel,

Schwafelfasel
 

Sensiro

Mitglied
Hallo ihr beiden!

Ich habe eure Kommentare als Kritik im eigentlichen Sinn verstanden, die einem hilft, sich zu verbessern. Ich danke da jedem von euch beiden.

Ich wollte auch nicht schroff klingen, aber dennoch bestimmt mitteilen, daß der gewählte Stil in diesem Fall Absicht war. Ob das jetzt mit wie auch immer gearteten "Konventionen für Literatur" übereinstimmt oder nicht.

In jedem Fall danke ich euch beiden nochmals.

Liebe Grüße
Sensiro
 



 
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