Der Tyrann und die Fliege

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rotkehlchen

Mitglied
„Kinder, wisst ihr eigentlich, woher der Mann im Mond kommt? Nein? Dann setzt euch hin und hört zu . . . Ein Tyrann hatte schon alle seine Feinde eingesperrt oder vertrieben –“
„Was ist ein Tyrann, Opa?“
„Das ist einer, der keine andere Meinung zulässt.“
„Ach du meinst so einen wie Papa!“
„Was? Unsinn! Hör zu und halt die Beine still . . . Nur eine kleine Stubenfliege tanzte dem Tyrannen hartnäckig vor der Nase herum. Wachtmeister, rief er, einfangen und einsperren! Doch die Fliege ließ sich nicht einfangen. Jedesmal, wenn der Wachtmeister zugriff, wehte sie mit dem kleinen Wind, der dabei entstand, davon. Die Fliege lässt sich nicht einsperren, sagte der Wachtmeister, wenn ich sie fangen will, weht sie mit dem kleinen Wind, der dabei entsteht, davon. Wind?, rief der Tyrann. Einfangen und einsperren! Doch auch der Wind ließ sich nicht einfangen. Jedesmal, wenn der Wachtmeister nach ihm griff, schwupps, wehte er davon. Ich kann den Wind nicht einfangen, sagte der Wachtmeister, jedesmal, wenn ich nach ihm greife, weht er mir davon. Dabei ließ er aus Versehen einen fahren. Ha!, rief der Tyrann, jetzt weiß ich, woher der Wind weht. Leibwächter, werft den Wachtmeister ins Gefängnis. Doch obwohl der Wachtmeister im Gefängnis saß, wehte der Wind weiter, und die Fliege tanzte dem Tyrannen vor der Nase herum. Da begriff der Tyrann, dass es Dinge gibt, über die er keine Macht hatte. Wütend ließ er sich zum Mond schießen, denn dort gibt es weder Wind noch Fliegen.“
„Eine schöne Geschichte, Opa, hast du noch mehr davon auf Lager?“
„Aber natürlich doch! Morgen erzähl ich euch eine andere.“
 

molly

Mitglied
"Da begriff der Tyrann, dass es Dinge gibt, über die er keine Macht hatte."

Hallo Rotkehlchen,

wenn das nur alle Tyrannen bereifen würden.
Kurz und gut geschrieben, habe ich gerne gelesen.

Viele Grüße
molly
 



 
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