Kritik zu „der Untergeher“ von Thomas Bernhard
Der grüne Einband leuchtet verlockend im Regal, auf der Rückseite steht ein schwärmerisches Plädoyer für den Verfasser: wer kann da noch der Versuchung widerstehen, den „Untergeher“ von Thomas Bernhard aufzuschlagen und sich dem versprochenen „faszinierenden literarischen Spiel“ hinzugeben? „Zum Lesen nebenbei“, denkt man sich, sind ja nur 150 Seiten, „das hab ich an einem Tag durch“. Die Handlung beginnt viel versprechend: Es geht um drei Klavierspieler in diesem Buch, „Klaviervirtuosen“, wie Bernhard sich ausdrückt. Sie haben in Salzburg beim gleichen Lehrer Unterricht und lernen sich dabei näher kennen: Einer von ihnen ist ein gewisser Glenn Gould; wer sich ein bisschen in diesem Metier auskennt, hat den Namen vielleicht schon einmal gehört, ein weltberühmter – inzwischen verstorbener – Pianist. Die anderen beiden sind der Ich-Erzähler und ein Mann namens Wertheimer, man könnte ihn fast als die Hauptfigur des Romans bezeichnen. Alle drei sind hochbegabt im Klavierspiel, Glenn Gould sogar „genial“. Als die anderen beiden Glenn die Goldbergvariationen spielen hören, sind sie hingerissen: er spielt so überirdisch gut, dass ihnen ihr eigenes Spiel im Vergleich dazu geradezu dilettantisch vorkommt.
Dies sind die Rahmendaten, die der Leser auf den ersten Seiten erfährt. An sich nicht übel ausgedacht, und die gelegentlichen Seitenhiebe auf die österreichische Heimat des Autors („Salzburg ist eine scheußliche Stadt“) kann man ja auch noch verzeihen, wäre da nur nicht dieser gleichgültige, dahinplätschernde Ton, mit dem Bernhard seine Sätze aufbaut: man hat den Eindruck, den Autor selbst interessiere seine Geschichte gar nicht, er erzählt etwa mit der Leidenschaft eines pensionierten Beamten des öffentlichen Dienstes, der aufgefordert wurde, seine Memoiren zu schreiben (natürlich kann ich das nur aus der Perspektive des Literatur-Laien beurteilen, für Andere mag Bernhards Stil sicher eine Offenbarung sein). Außerdem fragt man sich nach den ersten 30 Seiten allmählich, wann denn die richtige Handlung einsetzt und das ewige Durchkauen immer derselben Zusammenhänge zwischen den Hauptfiguren ein Ende findet. Aber auch die weitere Handlung lässt den Leser nicht unbedingt auf eine stilistische Steigerung hoffen:
Wertheimer, „Der Untergeher“, von Gould so genannt, weil er dessen Handeln vom ersten Augenblick an durchschaut hat, gibt das Klavierspiel mit einem Schlag auf und verfällt in einen skurrilen Wahn, sich die „Geisteswissenschaften“ anzueignen. Er produziert massenhaft Aphorismen und Notizen, ohne jemals etwas zu veröffentlichen. Auch der Ich-Erzähler hängt seine Karriere an den Nagel. Somit geben beide Pianisten das Klavierspielen auf, weil sie wissen, dass sie Gould nicht das Wasser reichen können, und entweder „… der Beste sein [wollen], oder gar keiner“. Fast dankbar nimmt der Leser dann den Tod Goulds zur Kenntnis, es bahnt sich gewissermaßen ein tragischer Fortgang der Geschichte an. Und man glaubt es nicht, die Figuren beginnen sich gleichsam auf dem Schachbrett zu bewegen, Wertheimer, „der Untergeher“, kann sich auch nach dem Tod seines unerreichten Ideals nicht über seine eingebildete Zweitrangigkeit hinwegtrösten und nimmt sich schließlich selbst das Leben.
Dramatisch genug, mag sich der geneigte Leser meiner Rezension denken, da muss ja zwangsläufig Spannung entstehen! Doch weit gefehlt, auch diese eigentlich tragischen Sachverhalte transformiert Bernhard mit der Ausdauer eines Hamsters im Laufrad in seine öde Alltagssprache, als sei da nicht ein Mensch gestorben, sondern Tante Olgas Lieblingsperser einem Wasserschaden zum Opfer gefallen. Natürlich hängt die Bewertung eines Buches nicht allein vom Stil ab, es gibt ja auch andere Kriterien, wie zum Beispiel die Logik der Handlungen, die Darstellung der Hauptpersonen oder die Komplexität der Geschichte. Aber auch hier schneidet Bernhard nicht gut ab, stattdessen bleibt er seinem provokanten Desinteresse an der Handlung treu, und lässt den Leser im Dunkeln über so manchen Handlungsgrund seiner Charaktere. Auch die permanenten Angiftungen Österreich gegenüber („der typische Bernhard-Sound“, SZ) beginnen einen mit der Zeit zu nerven, B. lässt sich etwa gegen die österreichischen Gasthäuser aus („verschmutzt“), oder bemerkt, dass der „…Katholizismus zum Himmel stinkt“.
„Der Untergeher“ ist nicht das „faszinierende literarische Spiel“ als das es in der Beschreibung angepriesen wird. Es hat auch keine großen Höhepunkte, keine grandiosen Passagen und genialen Formulierungen. Aber vielleicht liegt gerade hierin der Schlüssel zum Lesen dieses Buches, vielleicht muss man es als Dokument der Literatur des 20. Jahrhunderts lesen, gewissermaßen nicht zum Vergnügen, sondern lesen um des Lesens willen. Um das Buch ins Regal zu stellen und sagen zu können: Ich habe dieses Buch gelesen. Vielleicht ist es das wert, vielleicht nicht, ich denke, diese Entscheidung muss jeder für sich selber treffen.
Der grüne Einband leuchtet verlockend im Regal, auf der Rückseite steht ein schwärmerisches Plädoyer für den Verfasser: wer kann da noch der Versuchung widerstehen, den „Untergeher“ von Thomas Bernhard aufzuschlagen und sich dem versprochenen „faszinierenden literarischen Spiel“ hinzugeben? „Zum Lesen nebenbei“, denkt man sich, sind ja nur 150 Seiten, „das hab ich an einem Tag durch“. Die Handlung beginnt viel versprechend: Es geht um drei Klavierspieler in diesem Buch, „Klaviervirtuosen“, wie Bernhard sich ausdrückt. Sie haben in Salzburg beim gleichen Lehrer Unterricht und lernen sich dabei näher kennen: Einer von ihnen ist ein gewisser Glenn Gould; wer sich ein bisschen in diesem Metier auskennt, hat den Namen vielleicht schon einmal gehört, ein weltberühmter – inzwischen verstorbener – Pianist. Die anderen beiden sind der Ich-Erzähler und ein Mann namens Wertheimer, man könnte ihn fast als die Hauptfigur des Romans bezeichnen. Alle drei sind hochbegabt im Klavierspiel, Glenn Gould sogar „genial“. Als die anderen beiden Glenn die Goldbergvariationen spielen hören, sind sie hingerissen: er spielt so überirdisch gut, dass ihnen ihr eigenes Spiel im Vergleich dazu geradezu dilettantisch vorkommt.
Dies sind die Rahmendaten, die der Leser auf den ersten Seiten erfährt. An sich nicht übel ausgedacht, und die gelegentlichen Seitenhiebe auf die österreichische Heimat des Autors („Salzburg ist eine scheußliche Stadt“) kann man ja auch noch verzeihen, wäre da nur nicht dieser gleichgültige, dahinplätschernde Ton, mit dem Bernhard seine Sätze aufbaut: man hat den Eindruck, den Autor selbst interessiere seine Geschichte gar nicht, er erzählt etwa mit der Leidenschaft eines pensionierten Beamten des öffentlichen Dienstes, der aufgefordert wurde, seine Memoiren zu schreiben (natürlich kann ich das nur aus der Perspektive des Literatur-Laien beurteilen, für Andere mag Bernhards Stil sicher eine Offenbarung sein). Außerdem fragt man sich nach den ersten 30 Seiten allmählich, wann denn die richtige Handlung einsetzt und das ewige Durchkauen immer derselben Zusammenhänge zwischen den Hauptfiguren ein Ende findet. Aber auch die weitere Handlung lässt den Leser nicht unbedingt auf eine stilistische Steigerung hoffen:
Wertheimer, „Der Untergeher“, von Gould so genannt, weil er dessen Handeln vom ersten Augenblick an durchschaut hat, gibt das Klavierspiel mit einem Schlag auf und verfällt in einen skurrilen Wahn, sich die „Geisteswissenschaften“ anzueignen. Er produziert massenhaft Aphorismen und Notizen, ohne jemals etwas zu veröffentlichen. Auch der Ich-Erzähler hängt seine Karriere an den Nagel. Somit geben beide Pianisten das Klavierspielen auf, weil sie wissen, dass sie Gould nicht das Wasser reichen können, und entweder „… der Beste sein [wollen], oder gar keiner“. Fast dankbar nimmt der Leser dann den Tod Goulds zur Kenntnis, es bahnt sich gewissermaßen ein tragischer Fortgang der Geschichte an. Und man glaubt es nicht, die Figuren beginnen sich gleichsam auf dem Schachbrett zu bewegen, Wertheimer, „der Untergeher“, kann sich auch nach dem Tod seines unerreichten Ideals nicht über seine eingebildete Zweitrangigkeit hinwegtrösten und nimmt sich schließlich selbst das Leben.
Dramatisch genug, mag sich der geneigte Leser meiner Rezension denken, da muss ja zwangsläufig Spannung entstehen! Doch weit gefehlt, auch diese eigentlich tragischen Sachverhalte transformiert Bernhard mit der Ausdauer eines Hamsters im Laufrad in seine öde Alltagssprache, als sei da nicht ein Mensch gestorben, sondern Tante Olgas Lieblingsperser einem Wasserschaden zum Opfer gefallen. Natürlich hängt die Bewertung eines Buches nicht allein vom Stil ab, es gibt ja auch andere Kriterien, wie zum Beispiel die Logik der Handlungen, die Darstellung der Hauptpersonen oder die Komplexität der Geschichte. Aber auch hier schneidet Bernhard nicht gut ab, stattdessen bleibt er seinem provokanten Desinteresse an der Handlung treu, und lässt den Leser im Dunkeln über so manchen Handlungsgrund seiner Charaktere. Auch die permanenten Angiftungen Österreich gegenüber („der typische Bernhard-Sound“, SZ) beginnen einen mit der Zeit zu nerven, B. lässt sich etwa gegen die österreichischen Gasthäuser aus („verschmutzt“), oder bemerkt, dass der „…Katholizismus zum Himmel stinkt“.
„Der Untergeher“ ist nicht das „faszinierende literarische Spiel“ als das es in der Beschreibung angepriesen wird. Es hat auch keine großen Höhepunkte, keine grandiosen Passagen und genialen Formulierungen. Aber vielleicht liegt gerade hierin der Schlüssel zum Lesen dieses Buches, vielleicht muss man es als Dokument der Literatur des 20. Jahrhunderts lesen, gewissermaßen nicht zum Vergnügen, sondern lesen um des Lesens willen. Um das Buch ins Regal zu stellen und sagen zu können: Ich habe dieses Buch gelesen. Vielleicht ist es das wert, vielleicht nicht, ich denke, diese Entscheidung muss jeder für sich selber treffen.