Der Waggon

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Sturm

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Ein Finger löst sich leise von meiner erstarrten Hand. Seine taube Spitze fährt langsam, ganz langsam durch die galoppierende Luft.

Stups.

Mein tauber Finger berührt weiche Haut. Schock. Echowellen breiten sich aus, singen durch die Luft. Rudere ein kleines Stück zurück, blicke auf. Eiskristalle. Umnebeltes Gesicht, dein schwarzer Anzug steht dir so gut. Alles verschwommen, Vögel schreien am Himmel. Fragender Blick, oh ich werde von deinen schwarzen Augen verschlungen. Knacken. Das Eis bricht-stück für Stück. Packe deine glühenden Arme. Verbrenne mich an ihrem Schein. Verschlinge mich, Feuer.

Stups.

Schallwellen. Summend bewegen wir uns durch den Raum. Kronleuchter, polsternde Sessel, Schaum aus Champagnergläsern- Karussell hör nicht auf. Träge Tränen fließen entlang der Brücke neben uns. Starr schleifen deine Füße übers glitzerbestreute Parkett. Mit Erfahrung lenkst du meine Schritte. Ach, du wusstest schon immer, was gut für mich ist.

Und ich lache. Ich lache bis ich Seitenstechen kriege. Bis mein Kiefer schmerzt. Bis all der Schmerz meinen Schmerz übertüncht. Der Wind applaudiert mir Beifall. Eiskristalle. Füße tippen auf den Boden. Hände schweben durch den Raum. Schau, ich tanze ein ganzes Ballett für dich. Rauschen, immer schneller, Rauschen, Drehung um Drehung um Drehung. Rauschen, noch schneller.

Mein letztes Lachen kriecht grotesk die Stucktapete empor. Verkriecht sich in seinen eigenen Schatten. Der Nebel in den Wänden mit toten Augen nimmt mich mit ohne zu zucken. Schau, jetzt hab ich wohl die Champagnergläser zerbrochen. Federkleid hat seine Wirkung verloren, so zerrupft. Zitterndes Licht der aufgehenden Sonne scheint in meine Tanzfläche. Angelehnt an längst vergessene Sitzbänke. Taube Beine ausgestreckt auf dem zerkratzten Parkett. Seltsam, welche Kunstwerke es doch scheint. Eiskristalle. Auf dem Bauch liegst du schräg neben mir. Warum siehst du immer noch so verdammt gut aus? Rote Locken in meinem Gesicht, immer noch erschöpft lächelnd. Stille. Und durch die zerbrochene Fensterscheibe kommt ein kleiner Hauch an mein Ohr heran: „Ps-I love you."
 

GerRey

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Hallo Sturm,

ich sitze da und staune. Beim Lesen flutet Deine Poesie meinen Geist, als wäre ich Zuschauer in einem Panoptikum.

Eine leise Erinnerung hatte ich heute Morgen. Und ich musste suchen, um einen Text von Dir zu finden.

" Schaum aus Champagnergläsern- Karussell hör nicht auf! "

Wo steht der Waggon, der so voll Zauber ist?

Viele Grüße

GerRey
 

Sturm

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Hallo Ger Rey,
Vielen Dank für deine liebe Nachricht:)

Tatsächlich ist es doch der größte Zauber, wenn man doch in einem Moment ist, der vielleicht nur in deinen Erinnerungen existiert, aber so präsent dir vor Augen ist!
und das Faszinierende finde ich auch vor allem dabei, den schnellen Bruch zwischen noch dem Traum und der schnell einkehrenden Realität in der letzten Strophe.
 

GerRey

Mitglied
Hallo Sturm,

der Text ist faszinierend und der Wechsel zwischen Traum, Realität und Erinnerung ist spannend.

Ich hoffe, bald mal wieder etwas von Dir hier zu lesen!

Gruß

GerRey
 



 
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