Der Waschbär (Ein Sonett bei 220 Volt)

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Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Der Waschbär (Ein Sonett bei 220 Volt)

Ein Waschbär stand in meiner Wanne
und brummte laut und recht sonor,
er wusch und brachte Töne vor.
Der Waschbär war von Tante Anne.

Die Wäsche war nach einer Panne
verschmutzt wie wohl noch nie zuvor,
das Brummen drang in jedes Ohr.
Ich glaube nicht, dass ich entspanne.

Der Waschbär reinigt durch Vibrieren
die Wäsche ohne Waschmaschinen.
Ich muss nicht lange diskutieren.

Doch darf ich heute hospitieren,
er ist so fleißig, wie die Bienen,
man darf ihn nur nicht malträtieren.
 

Aniella

Mitglied
Hallo @Bernd,

das gefällt mir inhaltlich ebenfalls. :)

Was mir noch nicht ganz klar ist, aber es ist auch noch alles ganz neu für mich, warum die Anzahl der Silben so variiert. Ich habe mal was von zehn (männlich) und elf (weiblich) Silben zum Versschluss gelesen und versuche es immer noch zu entschlüsseln. Aber dafür brauche ich doch ein wenig mehr Ruhe, die ich momentan nicht zur Verfügung habe. Die Grundstruktur ist (mir) klar, den Rest verschiebe ich auf später.

LG Aniella
 

mondnein

Mitglied
warum die Anzahl der Silben so variiert
dieses Sonett, liebe Aniella,

ist derartig regelhaft, monoton trochäisch, sogar mit dem männlich-weiblich-Wechsel der spießigsten ("klassischen") Vorgaben, daß es schließlich sogar überflüssig ist, darauf hinzuweisen, daß im Deutschen nicht Silben gezählt werden sondern Hebungen. Aber da keine Daktylen zwischen die Trochäen geraten sind, weicht die Silbenzählung nicht von der systematischen Hebungen-Senkungen-Zählung ab, dieser Hinweis wäre also überflüssig, wie bereits gesagt.

Der Waschbär reinigt durch Vibrieren
die Wäsche ohne Waschmaschinen.
Ich muss nicht lange diskutieren.
Das ist schon bemerkenswert, und es ist mir auch noch nie aufgefallen: daß es der Vibrationskrach ist, der die Wäsche reinigt. Wie in den Science-fiction-Serien, wo eine "Schalldusche" die Offiziere reinigt. So, wie mein Nachbar die Musik so laut stellte, daß sie auch bei mir das Rauschen der sprühenden Brause übertönt hat.
Nun ja, Wasser ist kostbar, und Wasserduschen sind ein Genuß, der immer wertvoller wird.
Das Zwischenstadium der Entwicklung wird wohl sein, daß wir einen schnurrend-vibrierenden Waschbär anstatt eines Waschlappens benutzen.

grusz, hansz
 
Zuletzt bearbeitet:

Aniella

Mitglied
Für mich ist in diesem Zusammenhang kein Hinweis überflüssig. Insofern vielen Dank für das ausführliche Statement.
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Noch etwas zum Sonett: Ursprünglich war es eine italienische Form. Ein Klanggedicht. Die ersten Sonette hatten verschiedenen Aufbau.
Dann setzte sich die elfsilbige Form durch, die auch gut der italienischen Sprache entsprach.
Die Übertragung in andere Sprachen erfolgte unterschiedlich.

Und einen wesentlichen Einfluss hatten anfangs Übersetzungen.

So gab es in Deutsch sechshebige Sonette mit Zäsur in Versmitte (Alexandriner) und fünfhebige.

End später auch formlose ungereimte.
Reimformen änderten sich und heute gibt es sehr viele. Die neben italienischen bekannteste Form ist die von Shakespeare.

Ich habe eine eigene verwendet, bei der ich tatsächlich die Zahl der Hebungen änderte. Im zweiten Teil klingt in der Form das sonore Vibrieren onomatopoetisch (klanglich) an.

Ich verwende aber den Jambus durchgehend. Nicht Trochäus. Trochäisch ist entweder ein Schreibfehler oder Mondnein hat es anders gemeint.
 

Aniella

Mitglied
Lieben Dank @Bernd für Deine Erläuterungen!
Ich verwende das Buch "Feigen, die fusseln" von Stephen Fry, um mich dem Thema zu nähern.
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Das ist ein wunderbares Buch. Ich erhielt es zum Geburtstag.

Eine Empfehlung: Fühmann: "Die dampfenden Hälse der Pferde im Turm von Babel". Ich finde das extraklasse, zusammen mit "Feigen, die Fusseln".
 
lieber hansz,
danke für die erläuterung, wie dinge wirklich sauber werden. klingt für mich zwar ein bisschen wie homöopathie, aber ich kenne viele, die das glauben (im sinne von wittgensteins »die praxis gibt den worten ihren sinn.«).

lieber bernd, mein waschbär dient bisher ja ausschließlich dekorativen zwecken (sie sind aber auch niedlich.). aber vielleicht spreche ich jetzt noch mal mit ihm. und lese ihm das gedicht vor. vermutlich wird es ihn begeistern.

liebe grüße
charlotte
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Kein Problem. Danke. In meinem anderen Gedicht hatte ich auch Denkfehler, und in meine Gerinnungswerte für heute schrieb ich aus Versehen 1.4.2025, was meine Ärztin erstaunte.
Es ist lediglich eine Vertauschung. Ich erwähnte es nur, weil es wichtig für Aniella ist. Ich hatte verstanden, was Du meinst.
 



 
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