Der Wunsch

klara

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Es ist Abenddämmerung. Noch sehr hell. Doch vergleich zu den glühenden Tag, ist es dunkel und kühl. Vielmehr es kümmert mich weder die kaum vernehmbare abkühlung des Tages noch die Sonnenstrahlen, die jetzt nicht mehr grell meine Augen scheuern.
Es ist nur Abenddämmerung!
Das heißt, es sind 2 Tage vergangen seit seinem Abschied ohne Abschiedsgruß. So hat er das immer getan. Schon immer. Er ging einfach. Oft, ohne daß ich wußte, dass er geht. Ich wußte aber, spätestens in der Nacht oder am nächsten Tag wird er kommen.
Wenn er zum Fischen ging auf das offene Meer, also für mehrere Tage, wußte ich auch, denn er nahm ja seinen Korb mit.
Ich schaute wieder nach dem Korb. Gleichzeitig wünschte ich mir, dass ich unter einer Sinnestäuschung stehen würde, falls ich den Korb doch nochmal an seiner Stelle sehen sollte. Der verdammte Korb aber, der gnadenlose stand noch da.
Meine Augen taten weh. Ohne das grelle Tageslicht.

Ich musste mich beschäftigen, ich musste die Wartezeit verkürzen, am liebsten gar keine Wartezeit mehr haben. Was soll ich denn tun? Was nur?

Es ist Montag!
Es ist Montag! Der Tag, wo wir vom Nomaden Milch holen.
Was für ein liebes Geschöpf ich des Schöpfers bin! Ich bedanke mich schnell bei ihr oder bei ihm und mache ich mich auf den Weg.
Der Weg, Ziegenpfad. Felsen, mannshoch. Eidechsen, groß, grau. Sträucher, voller Stacheln. Blüten, zerknittert. Das Quaken der Frösche, Qual.
In der Ferne die Hügellandschaft unter der Abendröte, Blutig.
Und die Hunde wieder. Das Bellen.

Ich nähere mich mühsam zu den Zelten der Nomaden. Der Weg, mein Ziegenpfad, schreite ich doch sonst so flink. Ich liebe die große Felsen doch, die hitzig flimmernde Luft um sie herum hat mich oft meilenweit, nein unendlich fort getragen. Eidechsen haben mit mir meine Sünden geteilt: Ich fragte sie: "gibt es einen Gott?" Sie hebten den Kopf hoch. Also Nein! Stille Verbündete. Ich bewundere diese Sträucher. Zwischen den Stacheln herrliche Blüten hervor zu bringen! Wenn´s auch die Blätter so zerknittert, wenn´s auch die farbe so unendlich blas! Farbe zu haben in unendlichen Blässe ist nicht jedermanssache. Wie ein Konzert hörte ich mir das Quaken der Frösche. Die Hügellandschaft, auf der ununterbrochen ein Feuer zu sehen ist, unabhängig von der Tageszeit... doch ich will nicht an das Feuer auf dem Berg denken. Nicht an die Kinder, die dort auf der Kalkbrennerei arbeiten. ich habe jetzt selbst Kummer.
Und die Hunde...
Bin so nah am Zelt?
Lieber Gott, das ist der Hund vom Nomaden, der schreckliche. Mein Bein tut weh. Nomaden gestikulieren wild. Einer, der mit den goldenen Zähnen, pfeift ihn zurück. Meine Hose ist zerrissen. Schon wieder Blut, wie am Himmel. Ich werde beiseite gerufen. Weder Hose, noch mein Bein interessiert einen. Gut so. Es gehört zu meiner Strafe. Da, etwas weiter vom Zelt brüllt ein Stier, unter ihm eine Kuh. Sie brüllt auch. Eine Menschen Menge, darunter ich, zumindest im Gestalt eines Menschen, schauen dem traurigen Schauspiel zu. Ich brenne. ich glaube, es ist Fieber. Kinder laufen zu mir: "Schau zuu! Schau Zuu! Ein Kalb wird kommen."
Ich will 2 Liter Milch.
Ich bekomme die Milch. Den selben qualvollen Weg, unter den selben blutigen Himmel muss ich zurück laufen.
Hättest doch nicht die Eidechsen nach dem Existenz des Gottes gefragt!
Liebes Geschöpf des Schöpfers?
Ich doch nicht.

Es ist dunkel. Keinerlei Nuancen mehr von Rot, von Orange... keinbisschen Lila, kein Hauch von Rauchblau.

Angekommen Zuhause, eine Aufregung, ein Suchen nach mir. Mutter hält mich forsch am Unterarm und schreit so gleich, "mein Gott! Das Kind glüht ja". ich vernehme, dass die Milch ausgeschüttet ist und erwarte eine Zurechtweisung. Kommt nicht. Mutter ist jezt mit meinem Bein beschäftigt. Sie zerreisst mir die Hose gänzlich. Hülya, meine Schwester wieder beim Rätsel lösen: "das war der Hund, der Schreckliche".
Sie beide kümmern sich um mich. Ich trinke etwas. Ich bekomme Salbe. Ich denke dabei nur an den Korb. "der Korb ist nicht da" sage ich. "O Gott, o Gott, sie fantasiert" sagt die Mutter. "Wenn sie so heiss, stirbt sie dann?" fragt Hülya. Inzwischen ist unser Baby aufgewacht. Sie schreit. Vermutlich nach Schnuller.
Ein heilloses Durcheinander. Ein Trauerspiel, trauriger als bei der Kuh und Ochse. Wenn sie mir zuhören würden! "Mama der Korb! Mama, ich habe den Vater..."
"Sie fantasiert wieder". Hülya mag Rätsellösen. Sie stellt erneut mein Glühen fest, fragt erneut "stirbt sie dann?" und fügt hinzu "das ist Tollwut!"
Ich nehme noch ein Anlauf: "mama, ich habe den Vater.." Mutter bricht in Tränen aus und beginnt zu schimpfen. "Siehst du, du Vater du! Du, nennst du dich Vater? Schäm dich doch! Wo bist du, wenn man dich braucht? Wo soll hin? Wie kommen wir noch ins Krankenhaus? das Kind vermisst dich. das Kind braucht dich! Leiden sollst du, leiden..." Sie weint herzzerbrechend. Bin ja schon gebrochen. Ich will sie von ihrem Unglück bewahren, sie soll nicht fluchen, denn ich habe es schon getan.
Ich, das liebe Geschöpf des Schöpfers.

Mutter steht unerwartet, unerschrocken und fest entschlossen auf. Sie packt uns drei und wir gehen zum Krankenhaus, das weit weg ist, zu Fuß.
Ich bekomme Tetanus Spritzen. Wir kommen zu Fuß zurück.

Am nächsten Morgen steht der Nomade, der mit den goldenen Zähnen vor unserer Tür, will wissen, wie es mir geht? Mutter vergisst all ihr gutes Benehmen, sagt nicht "danke der Nachfrage. Gut!" Sie erkundigt sich nicht nach dem Wohlbefinden seiner Frau und seinen fünf Kindern. Sie will nur, dass er seinen Hund bringt, zwecks Untersuchung. Der Nomade vergisst auch sein gutes Benehmen. Er ist der Meinung, ich sei dumm gewesen. Ich habe plötzlich Angst gehabt vor dem Hund, der ja ein Lämmlein sei.
Mutter und Nomade verstehen sich heute nicht gut.
Mama kündigt kurzerhand unsere Milchkundschaft und vielmehr, sie schwört auf mein Leben, dass wir nie mehr Milch von denen nehmen. Hülya eilt: "stirbt sie dann?"

Kaum entfernt sich der Goldzahn, erscheint ein Freund von meinem Vater. Er bringt die Nachricht, dass mein Vater im Krankenhaus ist. Sie seien gemeinsam zum Fischen gewesen, nur für einpaar Stunden eigentlich. Vater stürzte über einen Felsen und brach sich so einiges. Erhabe keine zeit gehabt, uns das früher zu sagen...er und seine Frau..., interessiert mich nicht.

Die Nachricht bringt mir mein Ziegenpfad zurück. Meine Felsen, meine Eidechsen. All die Sträucher sind wieder bewundernswert. Das Quaken der Frösche, ein Konzert. Die, mein Inneres mit den schönsten Farben ausmalende Abendröte und die Hügellandschaft, das unendliche Feuer auf dem Berg... sind wieder meins

und,

ich werde nie mehr ein Mord begehen.
ich werde mir nie mehr wünschen: "Vater, hoffentlich ist es das letzte mal, dass ich dich sehe!"

Und meine Frage an die Eidechsen stelle ich endgültig ein, man weiß ja nie...


Klara
 



 
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