Der Zieleinlauf.

pleistoneun

Mitglied
Frenetisch applaudierend erhob sich das Publikum im Stadion, als der erste Läufer in die Zielgerade einbog. Zu diesem Zeitpunkt lagen bereits 42 km hinter ihm - das Marathonfinale war der Höhepunkt dieser Olympischen Spiele. Sichtlich gezeichnet aber mit beständigen, beinah automatischen Schritten näherte sich der Athlet der Ziellinie. All seine Verfolger hatte er abgehängt und durfte deshalb ganz für sich alleine den tobenden Zuschauerjubel in Empfang nehmen. Seine Schläfen pochten und der ganze Körper brannte, aber nur noch wenige Meter trennten den Schmerz von seiner Erlösung. Unzählige Trainingskilometer schärften seinen Geist, sein Durchhaltevermögen, seinen Überlebenskampf. Jetzt, am Ziel seines Leidensweges angelangt, peitschten ihn abertausende Händepaare über die rettende weiße Linie mit der Zielschleife.

Die letzten Meter auf der Geraden ließen das Publikum auf den Rängen in einen wahren Begeisterungswahn verfallen, denn was jetzt kam, war durch keine sportliche Vorstellung zu überbieten: der Zieleinlauf. Wenige Meter nach der Linie wurde er von seinen Sportmedizinern in Empfang genommen. Der ausgepumpte Läufer erhielt an Ort und Stelle seinen wohlverdienten Zieleinlauf. Jetzt kam der spannendste Teil - wie schnell gelingt der Einlauf? Anfeuerungsrufe verebbten und es wurde ruhig im Stadion. Es herrschte äußerste Konzentration und der neue Mittelpunkt der Aufmerksamkeit lag nun sozusagen in den Händen der Ärzte. Die Menschen starrten auf die fachmännischen Handgriffe, die gerade versucht waren, das Doppelballon-Darmrohr einzupassen. Nur das tiefe Atmen des Läufers, das jetzt aber nicht mehr vom Laufen stammte, war noch zu hören. Kurz darauf hob einer der Mediziner, den Blick noch auf das Einlaufgeschehen gerichtet, die Hand und verkündete damit den Erfolg des Eingriffs. Einlauf erfolgreich. Sieg!
 
J

John Doe

Gast
Hallo pleistoneun,

wie ich an deinen Satzkonstruktionen und der Fähigkeit, sich auszudrücken erkenne, kannst du schreiben.

Warum nutzt du diese Fähigkeit nicht?
Um Geschichten zu schreiben, die lustig sind oder ernst, satirisch oder harmonisch, hintergründig oder nachdenklich?

Diese ist keines von alledem. Sorry!

Ciao
John Doe
 

majissa

Mitglied
Hallo Pleistoneun,

bereits aus anderen Texten weiss ich um deinen Hang zum Skurrilen. Mich persönlich spricht dein eigentümlicher Humor immer wieder an. Auch hier. Deine etwas pikante Auslegung des Zieleinlaufes ist urkomisch. Eigentlich rechnete ich ja damit, dass der Läufer hinter der Ziellinie stirbt. Doch du hast dir etwas wirklich Absurdes einfallen lassen. Und so handhabst du es bei den meisten deiner Texte. Das gefällt mir. Was mir weniger gefällt, ist, dass deine Geschichten oft zu kurz ausfallen. So auch diese, die ja mehr einem Fragment gleicht. Es scheint, als käme dir gleich nach dem Einbau der "guten Idee" die Lust am Weiterschreiben abhanden. Das ist - angesichts der Tatsache, dass du einen wirklich guten Schreibstil hast - schade.

Liebe Grüsse
Majissa
 

pleistoneun

Mitglied
zu kurz, ja ich weiß

Danke für die Blumen am 1. Mai. Die Kürze der Geschichten resultiert aus der Tatsache, dass ich damals, als ich begonnen hatte Kurz-Geschichten zu verfassen, meine Abnehmer nicht länger "quälen" wollte damit. So sind sie bis heute kurz, oft zu kurz geblieben. Hab schon öfter überlegt, mal eine wirklich Story zu verfassen, mit allem was dazu gehört, wo der Leser die Zeit erhält, in aller Ruhe alle in der Geschichte auftauchenden Charaktere lieben oder hassen zu lernen. Das ist ein Unterfangen, das sich in 30 Min. Schreibarbeit pro Geschichte nicht bewerkstelligen lässt. Und solange meine abgeschnittenen Spotlights des Lebens die Mundwinkel beim Leser auch nur im Ansatz nach oben richten, hab ich schon gewonnen.

Danke fürs Lesen...
 
K

kaffeehausintellektuelle

Gast
also mir hats gefallen! vielleicht weil ich das schräge makabre gern mag.
im zweiten teil hätt ich gern ein bissl mehr emotionen drin. knisternde spannung, eine zeitlupenaufnahme auf der großbildleinwand, ein moderator, dessen stimme sich überschlägt.

die k.

p.s. hab grad dein profil gesehen. wie wärs, wenn du nicht nur kommentare von anderen erwartest, sondern auch selber welche verfasst. ich mein jetzt, nicht nur zu deinen geschichten? vielleicht wollen nämlich auch andere menschen wissen, wie etwas ankommt.
 



 
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