Der Zirkus

4,00 Stern(e) 6 Bewertungen

Retep

Mitglied
Hola amigo,

dein Text hat mich stark beeindruckt. Ich habe nur die letzte Fassung gelesen, haette gedacht, dass du mittels der Sprache das Geschehen absichtlich in eine andere Zeit versetzt. Das machte sie fuer mich noch beeindruckender.
Auch wenn in einer Fassung zuletzt vom "Duschen" die Rede war, haette ich das als Hammer gesehen, ploetzlich spielt die Geschichte wieder in der Zeit, in der sie sich ereignet hat.

Kleine subjektive Anmerkungen zum Text:

Der Tag bricht an, es ist ein Spätsommermorgen. Von den Dächern der Baracken heben sich Dunstschwaden in einen wolkenlosen Himmel. Das Lager liegt ruhig, es ist still.
M
- du steigst direkt in die Geschichte ein, ich frage mich ein wenig, ob du dem Leser nicht gleich am Anfang zuviel mitteilst.

„Mein Sohn, so weit ich sehen kann, ich erblicke lauter Wagen von stampfenden Pferden gezogen.
- erblicke ich ... ?

In welcher Disziplin
- mit welcher Diszilin ?

siehst du wilde Tiere auch?“
- siehst du auch wilde Tiere ?

Komm, ich trage dich.“
„Ja, Mutter“, glücklich lächelt das Kind.
- Der Schluss gefaellt mir sehr.

Gruss

Retep
 
Der Tag bricht an, es ist ein Spätsommermorgen. Von den Dächern der Baracken heben sich Dunstschwaden in einen wolkenlosen Himmel. Das Lager liegt ruhig, es ist still. Menschen stehen schweigend in einem großen Raum. Erste Sonnenstrahlen dringen ein und eine Stimme fragt in anteilnehmender Sorge:
„Sagen Sie, gute Frau, was hat das Kind?“
„Es liegt im Fieber, die Nacht war schlimm, aber es ist mir, als wäre es überstanden.“
Langsam dreht der Junge sein Gesicht, die Augen glänzen, als er zu sprechen beginnt: „Mutter, sag mir bitte, was du draußen vor dem Fenster siehst, was geschieht?“
„Mein Sohn, so weit ich sehen kann, erblicke ich lauter Wagen von stampfenden Pferden gezogen. Mit welcher Disziplin die Rosse im Gespann einhergehen, bunte Federn tragen sie auf ihren Häuptern und die Karren, ich sag’s dir, herrlich geschmückt und überall sind Fahnen. Leute, hundert, nein tausend springen ausgelassen auf der Straße. Sie tanzen und singen, und da, ich seh's so deutlich, als wär ich unter ihnen, da ist ein Clown, dort ein zweiter und ein dritter, ein vierter. Sie schlagen Räder, zaubern lustige Sachen aus ihren Hüten und fortwährend bewerfen sie die Menge mit unzähligen Blüten. Sie winken zu uns her, ich seh's ganz deutlich, sie meinen uns hier, hinter dem Fenster.“
„Mutter, siehst du auch wilde Tiere?“
„Ja, wilde Tiere, eins nach dem anderen! Kamele, Elefanten, unvorstellbar in ihrer Größe und gewaltig. Und dort, in den Käfigen, ein Löwe, ein Bär und zwei Tiger, wie ihre Zähne blitzen, zum Fürchten ist es. Dem Himmel sei's gedankt, sind sie alle hinter Gitter, aber der bloße Anblick, als hätten sie Feuer im Mund, ich sag's dir, beinahe unerträglich ist mir ihre Wildheit.“
„Mutter, sag es schnell, was siehst du noch?“
„Ja, mein Junge, sie bleiben stehen, mitten auf der Straße! Viele Hände arbeiten unentwegt, ein Gerüst wird aufgestellt, und da, eine große Plane auseinander gelegt. Kind, jetzt weiß ich's, es ist ein Zirkus, der gekommen ist! Hörst du sie, hörst du, wie die Menschen jubeln?“
„Mutter, ach liebe Mutter, bitte gehe mit mir dahin.“
„Ja mein Sohn, dorthin wollen wir gehen, bald, wir werden uns schön machen und die besten Kleider anziehen und dann gehen wir, ich versprech es dir.“
„Mutter sieh, ein Mann tritt ein, er winkt so fordernd in den Raum, als hätte er großen Unmut. Sag, was möchte er von uns?“
„Ach Junge, du irrst dich, der Herr will uns nur den Weg zeigen, dorthin, wo sich die Waschräume befinden. Komm, ich trage dich.“
„Ja, Mutter“, glücklich lächelt das Kind.
 
Hallo Amigo

Deine Vorschläge habe ich gerne übernommen. Da ich die Dusche am Ende der Geschichte herausgenommen habe, muss ich nun soviel am Anfang erklären, sonst weiß wieder niemand, auf was ich hinaus will. Aber ich glaub, es regt immer noch zum denken an.

Du weißt, dass ich diese Geschichte dir zu verdanken habe (hab ich dir ja schon privat mitgeteilt). Dein Text hatte mich ebenfalls so stark beeindruckt. Ich suchte einen Faden, wie ich diese unglaublich gutgemeinte Lüge in eine Geschichte verpacken konnte. Ist natürlich von der Handlung her etwas ganz anderes, aber Ausschlaggebend war deine Illusion, diese Lüge aus deinem Text. Jetzt sind sicher alle neugierig, stell deine Geschichte doch hier ein.

liebe Grüße dir
Gernot
 
D

Donkys Freund

Gast
Prima Geschichte, bei der mir ein Kloß im Halse stecken bleibt. Fast poetisch geschrieben und gleichzeitig beängistigend.

Der Kernthema der Geschichte erinnert mich (allerdings) sehr stark an den Film "Das Leben ist schön" von Robert Benigni. Aber ist ja eigentlich egal.
 

Retep

Mitglied
Yirkus

Lieber Gernot,

die Schreibidee ist uralt, nicht auf meinem Mist gewachsen, deine Umsetzung finde ich prima, wie schon gesagt. Ich wiederhole mich noch einmal, ich finde deine altertuemliche Sprache gut. Wenn du meinst, du hast dich vertan, so finde ich, dass die Geschichte dadurch gewonnen hat.
Einen realen Sachverhalt in eine andere Zeit zu versetzen, ist auch bei beruehmten Leuten nicht unueblich.
Auch zum Schluss "das Duschen" reinzubringen, die Geschichte in die Realzeit zu versetzen, wuerde ich fuer sehr gut halten.

Saludos amigo

Retep
 
Der Tag bricht an, es ist ein Spätsommermorgen. Von den Dächern der Baracken heben sich Dunstschwaden in einen wolkenlosen Himmel. Das Lager liegt ruhig, es ist still. Menschen stehen schweigend in einem großen Raum. Erste Sonnenstrahlen dringen ein und eine Stimme fragt in anteilnehmender Sorge:
„Sagen Sie, gute Frau, was hat das Kind?“
„Es liegt im Fieber, die Nacht war schlimm, aber es ist mir, als wäre es überstanden.“
Langsam dreht der Junge sein Gesicht, die Augen glänzen, als er zu sprechen beginnt: „Mutter, sag mir bitte, was du draußen vor dem Fenster siehst, was geschieht?“
„Mein Sohn, so weit ich sehen kann, erblicke ich lauter Wagen von stampfenden Pferden gezogen. Mit welcher Disziplin die Rosse im Gespann einhergehen, bunte Federn tragen sie auf ihren Häuptern und die Karren, ich sag’s dir, herrlich geschmückt und überall sind Fahnen. Leute, hundert, nein tausend springen ausgelassen auf der Straße. Sie tanzen und singen, und da, ich seh's so deutlich, als wär ich unter ihnen, da ist ein Clown, dort ein zweiter und ein dritter, ein vierter. Sie schlagen Räder, zaubern lustige Sachen aus ihren Hüten und fortwährend bewerfen sie die Menge mit unzähligen Blüten. Sie winken zu uns her, ich seh's ganz deutlich, sie meinen uns hier, hinter dem Fenster.“
„Mutter, siehst du auch wilde Tiere?“
„Ja, wilde Tiere, eins nach dem anderen! Kamele, Elefanten, unvorstellbar in ihrer Größe und gewaltig. Und dort, in den Käfigen, ein Löwe, ein Bär und zwei Tiger, wie ihre Zähne blitzen, zum Fürchten ist es. Dem Himmel sei's gedankt, sind sie alle hinter Gitter, aber der bloße Anblick, als hätten sie Feuer im Mund, ich sag's dir, beinahe unerträglich ist mir ihre Wildheit.“
„Mutter, sag es schnell, was siehst du noch?“
„Ja, mein Junge, sie bleiben stehen, mitten auf der Straße! Viele Hände arbeiten unentwegt, ein Gerüst wird aufgestellt, und da, eine große Plane auseinander gelegt. Kind, jetzt weiß ich's, es ist ein Zirkus, der gekommen ist! Hörst du sie, hörst du, wie die Menschen jubeln?“
„Mutter, ach liebe Mutter, bitte gehe mit mir dahin.“
„Ja mein Sohn, dorthin wollen wir gehen, bald, wir werden uns schön machen und die besten Kleider anziehen und dann gehen wir, ich versprech es dir.“
„Mutter sieh, ein Mann tritt ein, er winkt so fordernd in den Raum, als hätte er großen Unmut. Sag, was möchte er von uns?“
„Ach Junge, du irrst dich, der Herr will uns nur den Weg zeigen, dorthin, wo sich die Waschräume und Duschen befinden. Komm, ich trage dich.“
„Ja, Mutter“, glücklich lächelt das Kind.
 
Hallo Donkys Freund

Dein Lob freut mich, aber glaub mir bitte, ich kenn den Film nicht. Ich sehe eigentlich nie fern, außer NTV.

liebe Grüße


und hallo Retep

Ich glaub, durch das Lager am Anfang der Geschichte, kann ich jetzt auch die Duschen unten mit einbringen.
Die Idee war für mich neu.

schöne Grüße nach Südamerika

Gernot
 

Ralf Langer

Mitglied
Hallo Gernot,
traumhaft sichere Dialoge. Die Pointe
zum Schluss zündet.
Bin ganz verzaubert von der Sprache,
die du in dieser entsetzlichen Situation,
angewendest hast.

lg ralf
 

gerian

Mitglied
Hallo Gernot,

ein rascher szenischer Einstieg vermittelt dem Leser Menschen in einem Barackenlager, vermittelt durch eine gleichsam poetisch anmutende Sprache.
Barackenlager in die Neuzeit versetzt.
Der anschließende Dialog klingt fast altertümlich - im krassen Widerspruch zu dem "Barackenlager".
Die getragene, alte Sprache: "Es liegt im Fieber."
Führst den Leser in die Welt des Zirkus.
Und der Tod (?) tritt ein, fordernd.
Und zurück in die Moderne der Waschräume und Duschen.
Offener Schluss: die Mutter trägt es, das Kind lächelt...

Fazit:
Mit dieser deiner Geschichte überforderst du deinen Leser, denn, obwohl schön geschrieben, kann er dir nur schwerlich folgen. Was ist die Prämisse deiner Geschichte? Oder doch eher ein Gedicht?

LG
Gerian
 
D

Donkys Freund

Gast
Klar, glaube ich Dir das. Das Thema ist mit dem Film "Das Leben ist schön" auch nur verwandt und keine Kopie.
Er ist mit Prämierungen (u.a. Oscar) überhäuft und handelt von einem Vater der zum Schutz seines Sohnes das Leben im KZ als Abenteuerspiel verkauft. Sehenswert.
 
und zum zweiten: hallo gerian,

hm, hier stimmst du mich etwas nachdenklich. Zum Teil ist es ein romantisches Wortspiel, zum Teil ein Drama (vielleicht Komödie und Tragödie in einem). Seltsame Mischung, ja. Ich denke, jeder Leser kann sich hier das Übertragene selbst biegen und krümmen, wie er es gerne möchte. Aber meine Absicht war: Glück und Elend liegt oftmals so nahe zusammen. Es ist das Denken, welches Entscheidet. Der Junge ist glücklich und die Mutter weiß, dass sie sterben werden.

hallo Donkys Freund,

wenn ich einmal über den Film stolpern sollte, dann sehe ich in mir mit Bestimmtheit an, danke für den Tip.

und hallo Ralf,

wow, da lobst du mich aber enorm, vielen Dank dafür (tut mir gerade gut).

schöne Grüße euch

Gernot
 



 
Oben Unten