Franklyn Francis
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Für mich bleibt es ein fragwürdiges Unterfangen, auf diese Art "Material" für ein Buch zu sammeln.„Wenn ich nicht zustimme, bleibt alles unter uns, richtig?“
Was macht das mit ihm? Mit seinem Zuhörer? Wie sieht der Mann aus, wie riecht er?Anschließend unterschrieb er die Einverständniserklärung für Text und Fotos. Das Schicksal von Werner P., 57, der seinen Job im Metallwerk verloren hat. Scheidung, Schulden, Alkohol. Seit vier Jahren machte er Platte.
Das ist der entscheidende Satz - und sollte meiner Meinung nach am Ende stehen. Als Resümee, auch als Erklärung der Intention des Protas: War es für ihn nur ein "Experiment", war er eigentlich nur auf Sensationsgeschichten aus - und hat dann mehr einsame Menschen gefunden, als er geglaubt hat?„Es sind die Alleingelassenen, die sonst keinen haben, der ihnen zuhört“, sagte ich. „Deren Geschichten habe ich niedergeschrieben. Glückliche Leute habe ich nicht kennengelernt.“
Mein Nachwort.
Dass der Obdachlose kein Freund von Streetworkern ist, steckt schon in seiner Frage drin. Ich würde den zweiten Satz entweder streichen oder durch eine konkretere Beschreibung ersetzen.„Sie sind aber kein Streetworker oder vom Amt? Mit denen habe ich keine guten Erfahrungen gemacht.“
Bin ich nicht.Ich gehe mal davon aus, dass Du nicht dieser Autor bist, oder?
Raus gekürzt hatte ich (und jetzt muss ich vielleicht auch "leider" sagen), dass es sich nicht um sein Experiment, sondern um ein zeitlich befristetes Projekt handelt, das durch Kommune/Land gefördert ist. Er selbst macht es ehrenamtlich und die Erlöse aus dem Buch sind für einen guten Zweck. Welcher genau, ist nicht so wichtig, vielleicht für die Streetworker, für die Suppenküche, Tafel. Bahnhofsmission etc.Er hört (nur) Menschen zu, um ihre Geschichte(n) hinterher zu "vermarkten".
Das gefällt mir nicht. Und würde mir auch nicht gefallen, wenn ich so einsam wäre, dass ich meine Probleme einem Fremden anvertrauen möchte.
Wenn Dein Prota wirklich ein "Zuhörer" wäre, dürfte er weder Kamera noch Notizbuch dabei haben - so sucht er nur "Material" für sein Buch, also macht er dies irgendwie auf Kosten jener Menschen, die sich ihm anvertrauen.
Ja, es einem Fremden zu erzählen, kann befreiend wirken. Es bleibt zudem anonym und sie muss sich nicht so sehr oder gar nicht schämen, als würde sie sich einer Freundin o.ä. anvertrauen.Was mir fehlt bei der Schilderung sind: Emotionen. Diese ältere Frau bedrückt ihr einmaliger Seitensprung ... aber warum? Und ist es tatsächlich das alleinige Erzählen, dass sie bereits "erleichtert"? Warum? Hatte sie nie eine gute Freundin? Niemanden, der ihr Zuhörer war, einen guten Rat hatte/ der sie nicht verurteilte?
Riechen wird der Obdachlose wahrscheinlich schon. Doch dem Prota interessiert das nicht. Es ist ihm unwichtig, er ist generell vorbehaltslos.Was macht das mit ihm? Mit seinem Zuhörer? Wie sieht der Mann aus, wie riecht er?
Nein, nicht nur Sensationen. Es sind nur diese wenigen Geschichten hervorgehoben.War es für ihn nur ein "Experiment", war er eigentlich nur auf Sensationsgeschichten aus - und hat dann mehr einsame Menschen gefunden, als er geglaubt hat?
Anonym halt. Foto verfremdet.Sollte es tatsächlich so sein, dass es nur unglückliche, kranke, einsame ... Menschen waren, die der Prota dort kennengelernt hat, verbietet es sich eigentlich von selbst, das noch als Buch zu "verwursten", oder?
Ja, stimmt. Eine besondere Eigenschaft. Ich denke drüber nach.Falls Du ihn sympathischer darstellen möchtest: Er müsste - ähnlich wie Domian - diesen Aufforderungscharakter in seiner besonders einfühlsamen Persönlichkeit, seiner Menschlichkeit, seiner Zugewandtheit zum Ausdruck bringen, dass viele ihm "ihre" Geschichte, Sorgen, Nöte etc. erzählen wollen.
Für mich besteht dieser Aufforderungscharakter nicht darin: Hey, ich hör dir (nur) zu, weil ICH ein Buch schreiben will.
Ja, genau.Das Angebot im Kiosk könnte vielleicht generell sein, dass die Leute ihre Geschichte anonym veröffentlichen können. Sozusagen eine öffentliche Beichte, ohne das Gesicht zu verlieren. Du könntest auch mehr betonen, dass die Leute ihre Geschichte bekannt machen wollen und nur selber die Möglichkeit nicht haben. Dann steht der Prot besser da.
Es wird noch dargestellt, dass es kein kommerzielles Projekt ist. Überarbeitung folgt.Vielleicht wird ihm bei der Buchvorstellung ja selbst bewusst, dass vom Leid der Anderen auch profitiert. Das würde den Prot für meinen Geschmack interessanter machen.
Danke sehr.Sprachlich finde ich die Geschichte gekonnt erzählt. Dein Tonfall passt gut zu diesem seltsamen Schritsteller und die Figuren hast du treffend gezeichnet.
Sehe ich auch so. Der Obdachlose wird eingeführt als jemand in zerschlissener Kleidung.Der Obdachlose und vor allem die Oma werden plastisch durch das, was sie tun und sagen. Meiner Meinung nach ist das effektiver, als Aussehen und Geruch zu beschreiben.
Mal sehen, denke drüber nach.Zb könntest du erst am Schluss verraten, dass Ricky ein Hund war.
Gekauft!Dass der Obdachlose kein Freund von Streetworkern ist, steckt schon in seiner Frage drin. Ich würde den zweiten Satz entweder streichen oder durch eine konkretere Beschreibung ersetzen.
Die alte Dame stieg aus der U-Bahn, drehte sich in meine Richtung und winkte mir mit geröteten Wangen zu.
Da ist was dran.mit geröteten Wangen kann man nicht winken.![]()
Danke für deinen Eindruck.Die neue Version ist gut, aber mir hat die alte besser gefallen. Sie war geheimnisvoller und der Leser konnte/wollte/musste sich einiges selbst zusammenreimen.
Dann noch:„Erzählen Sie mir mehr von Ricky, wenn Sie möchten.“
„Im Sommer ist er gestorben. Ihm geht es jetzt gut.“
Im Sommer, dachte ich. Ihm geht es gut.
Das Bilderbuch hat er bei sich die ganze Zeit im Laden liegen, packt es schließlich aber ein.Sie nahm ein Buch vom Stapel, schlug es auf und reichte es mir. „Diese eine Geschichte … mit dem Jungen. Schrecklich. Es tut mir so leid.“
Ich nickte vor mich hin, setzte den Füller an.
Ja, so ist das gedacht.Mir gefällt der Gedanke, dass er das eigentlich macht, um seine eigene Geschichte zu verarbeiten.
Da denke ich noch mal drüber nach.Ich würde das einfach noch deutlicher rausstellen. Vielleicht kannst du es am Schluss explizit aussprechen.
Ja, stimmt.Irgendwann steckt man als Autor so tief im Text, dass man schwer einschätzen kann, was der Leser errät und was nicht. Das Problem kenne ich auch ;-)