Der Zuhörer

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Der Zuhörer

Die alte Dame stieg aus der U-Bahn, drehte sich in meine Richtung und winkte mir zu. Ich grüßte zurück und schaute ihr hinterher, bis sie an der Rolltreppe verschwand.
Letzten Freitag hielt sich die Frau zum ersten Mal vor meinem Glashäuschen auf. Sie starrte hinein, während ich gerade einen jungen Mann vor der Tür verabschiedete, und fragte: „Entschuldigung. Ist das jetzt ein An- und Verkauf? Führen Sie keine Zeitungen?“
„Nein, ich verkaufe nichts.“ Ich wollte ausholen, um von dem Projekt zu erzählen, doch sie unterbrach mich. „Oh, gut. Dann gehe ich oben zum Kaufhof.“

Am nächsten Tag stand sie erneut vor dem Häuschen und studierte eines der kleinen Plakate, die ich an den Fenstern angebracht hatte. Sie zögerte einen Moment, bevor sie durch die geöffnete Tür trat.
„Guten Tag. Sie müssen entschuldigen. Ich dachte gestern, der Kiosk hätte wieder aufgemacht. Erzählen Sie mir bitte von Ihrer … Arbeit. Sind Sie Pastor oder Psychologe?“
„Keins von beiden.“
Mit zusammengekniffenen Augen schaute sich die alte Dame im Inneren um. Ich bot ihr einen Stuhl an, schloss die Tür und befestigte das Bitte nicht stören-Schild.
Eine Viertelstunde dauerte das Gespräch. 78 Jahre, ehemalige Bibliothekarin. Pension und Witwenrente reichen vorne und hinten nicht, notierte ich mir.
„Wenn ich nicht zustimme, bleibt alles unter uns, richtig?“
„Ja. Und die Seiten aus dem Notizbuch reiße ich gerne raus.“
„Lassen Sie, lassen Sie, falls ich wiederkomme. Ich wollte heute noch zum Friedhof. Darf ich denn wiederkommen?“
„Ich würde mich freuen.“

Nach den Gesprächen notierte ich mir immer Besonderheiten, die mir aufgefallen waren. Ein nervöses Augenzucken, das Knibbeln mit den Fingern, ein Hüsteln oder etwas anderes, das mehr als Worte zu sagen vermochte. Bei der alten Dame war es der Moment, als sie Friedhof sagte. Ich bildete mir ein, eine Art Unbehagen, eine Bürde erkannt zu haben, und war mir sicher, dass sie mir noch mehr erzählen würde.

Am nächsten Morgen stand die Dame hinter mir, als ich gerade die Rollläden hochzog.
„Hallo“, sagte sie und warf einen Blick über den Bahnhof. „Anonym würde auch gehen?“
„Wie Sie möchten. Einige wollen mit Klarnamen und Foto, andere unter Pseudonym, das Foto verfremdet, ... ganz ohne Foto. Es liegt an Ihnen.“
Sie trat ein und ich schloss die Tür.
Vornübergebeugt saß sie da am Tisch, die Handtasche auf dem Schoß, während ich das Schild anbrachte und Kaffee aufsetzte.
„Ich möchte Ihnen etwas erzählen.“ Sie prüfte den roten Lack auf ihren Nägeln, druckste, bevor sie sagte: „Wir waren dreißig Jahre verheiratet … Ein einziges Mal habe ich ihn betrogen. Seitdem trage ich es mit mir herum.“
Nach dem Gespräch hielt sie meine Hand. „Vielen Dank.“
Auf dem Weg zur Rolltreppe schnäuzte sie in ein Taschentuch und drehte sich nicht mehr um.

Die morgendliche Rushhour begann. Anzugträger stiegen aus, liefen zum Aufgang oder warteten auf ihren Anschluss. Smartphones, Aktentaschen; Schlips und Kragen.
Dazwischen beobachtete ich einen Mann in zerschlissener Kleidung, der die Mülleimer nach Brauchbarem durchforstete. Mit voller Plastiktüte schlich er auf mich zu.
„Nehmen Sie Pfand an?“
„Tut mir leid, das ist kein Kiosk mehr. Wenn Sie möchten, können Sie sich gerne drinnen im Warmen ein wenig ausruhen. Ich habe frischen Kaffee."
Der Mann folgte mir, legte beim Hinsetzen die Tüte ab. Glas klimperte. Er schaute auf den Boden, fragte: „Wo ist eigentlich Ali geblieben?“
„Sie meinen den Vorbesitzer? Kann ich Ihnen nicht sagen. Der Kiosk stand schon lange leer.“
„Ach so.“
Während ich Kaffee eingoss, Zucker und Milch hinüberschob, wanderte sein Blick über die Glasregale. Dort, wo früher Zigaretten, Süßigkeiten oder Zeitungen lagen, hatte ich nicht mehr benötigte Alltagsgegenstände und Erinnerungsstücke positioniert: Spielzeug aus meiner Kindheit, eine TV-Fernbedienung, ein Bilderbuch, eine zerknüllte Zigarettenpackung.
„Sie sind aber kein Streetworker oder vom Amt?“
„Nein.“ Ich reichte ihm einen Flyer.
Er warf einen unsicheren Blick drauf, drehte ihn um, überflog mehrmals Vorder- und Rückseite. „Doch von der Stadt?“, sagte er.
„Stadt und Land finanzieren es nur. Und der Erlös ist für einen guten Zweck.“
Er steckte den Flyer in seine Tasche, nippte am Kaffee.
„Ich möchte Ihnen einfach nur ein Ohr schenken und die Gelegenheit, ihre Geschichte auch anderen zugänglich zu machen … Wenn Sie möchten.“
Er kratzte sich am weißen Bart und zeigte auf den kleinen Plüschhund, der auf dem Regal zwischen Bibel und Autoschlüssel stand. „Darf ich?“
Ich nickte und er nahm den Hund. Streichelte mit seiner großen, schwieligen Hand über das samtweiche Fell. „Ricky war auch ein Schäferhund“, seufzte er.
„Erzählen Sie mir mehr von Ricky, wenn Sie möchten.“
„Im Sommer ist er gestorben. Ihm geht es jetzt gut.“
Im Sommer, dachte ich. Ihm geht es gut.
Anschließend unterschrieb er die Einverständniserklärung für Text und Fotos. Das Schicksal von Werner P., 57, der seinen Job im Metallwerk verloren hat. Scheidung, Schulden, Alkohol. Seit vier Jahren machte er Platte.
Beim Verabschieden sagte ich noch: „Honorar kann ich leider nicht zahlen“, und schenkte ihm den Plüschhund. Er bedankte sich mehrmals, wünschte mir und dem Projekt viel Erfolg für das Buch und fragte, wann es herauskäme.
„Oben, in der Buchhandlung, stehen im Schaufenster die Neuvorstellungen. Schauen Sie ab dem Frühjahr einfach mal vorbei.“

Ich packte Notizbuch und Kamera ein, schloss die Tür und schaute nochmal durch die Scheibe. Ging wieder hinein und steckte das Bilderbuch in die Tasche.
Am Gleis, zwischen all den Wartenden, war ich selbst Teil einer Geschichte, die noch aufzuschreiben wäre.
Drei Monate war der ehemalige Kiosk mehr Zufluchtsort als Arbeitsplatz für mich. Eine Woche lag noch vor mir. Ich hatte es mir einfacher vorgestellt.

„Es sind oft die Alleingelassenen, die sonst keinen haben, der ihnen zuhört“, sagte ich. „Deren Geschichten habe ich niedergeschrieben.“
Mein Nachwort.
Ich legte das Buch zur Seite, bedankte mich für den gedämpften Applaus der Umstehenden.
Die alte Dame stand als erste am Tisch, beugte sich vor. „Haben Sie vielen Dank für alles. Sie haben mit großem Mitgefühl erzählt. Und vielleicht hilft meine Geschichte ja anderen.“
Sie nahm ein Buch vom Stapel, schlug es auf und reichte es mir. „Diese eine Geschichte … mit dem Jungen. Schrecklich. Es tut mir so leid.“
Ich nickte vor mich hin, setzte den Füller an.
„Ach so, ja … Schreiben Sie bitte Für Amelie und Egon.“

Ich verstaute mein Exemplar, Brille und Füller; Mitarbeiter des Buchladens begannen, die Stühle wegzuräumen. Von hinten schritt ein Mann nach vorne, der eine Plüschfigur in der Hand hielt.
„Ich möchten Ihnen das wiedergeben.“
Er legte das Plüschtier auf den Tisch. „Ich muss schnell runter. Habe Ricky vor der Tür angebunden. Meinen neuen Ricky.“
Ich schaute ihm hinterher, nahm den Plüschhund und packte ihn in das Seitenfach der Tasche. Dorthin, wo das Bilderbuch steckte.
 
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G

Gelöschtes Mitglied 21924

Gast
Hallo @Franklyn Francis - ich habe mal ein Interview mit einem Autor gesehen, der im Bahnhof einen Kiosk bezog und, wie Du es schilderst, Menschen zuhörte.
Ich gehe mal davon aus, dass Du nicht dieser Autor bist, oder?
Womit ich bei der Story - wie auch beim beschriebenen Autor - ein Problem habe: Er hört (nur) Menschen zu, um ihre Geschichte(n) hinterher zu "vermarkten".
Das gefällt mir nicht. Und würde mir auch nicht gefallen, wenn ich so einsam wäre, dass ich meine Probleme einem Fremden anvertrauen möchte.
Wenn Dein Prota wirklich ein "Zuhörer" wäre, dürfte er weder Kamera noch Notizbuch dabei haben - so sucht er nur "Material" für sein Buch, also macht er dies irgendwie auf Kosten jener Menschen, die sich ihm anvertrauen.
Bei "professionellen" Zuhörern, wie Psychologen, Therapeuten etc. gibt es zumindest die Schweigepflicht, die gewahrt bleibt.
Auch wenn die Menschen selbst entscheiden, ob sie im Buch erscheinen wollen:
„Wenn ich nicht zustimme, bleibt alles unter uns, richtig?“
Für mich bleibt es ein fragwürdiges Unterfangen, auf diese Art "Material" für ein Buch zu sammeln.
Was mir fehlt bei der Schilderung sind: Emotionen. Diese ältere Frau bedrückt ihr einmaliger Seitensprung ... aber warum? Und ist es tatsächlich das alleinige Erzählen, dass sie bereits "erleichtert"? Warum? Hatte sie nie eine gute Freundin? Niemanden, der ihr Zuhörer war, einen guten Rat hatte/ der sie nicht verurteilte? Die Story lässt (leider) viele wichtige Fragen offen.
Beispielsweise auch hier:

Anschließend unterschrieb er die Einverständniserklärung für Text und Fotos. Das Schicksal von Werner P., 57, der seinen Job im Metallwerk verloren hat. Scheidung, Schulden, Alkohol. Seit vier Jahren machte er Platte.
Was macht das mit ihm? Mit seinem Zuhörer? Wie sieht der Mann aus, wie riecht er?

„Es sind die Alleingelassenen, die sonst keinen haben, der ihnen zuhört“, sagte ich. „Deren Geschichten habe ich niedergeschrieben. Glückliche Leute habe ich nicht kennengelernt.“
Mein Nachwort.
Das ist der entscheidende Satz - und sollte meiner Meinung nach am Ende stehen. Als Resümee, auch als Erklärung der Intention des Protas: War es für ihn nur ein "Experiment", war er eigentlich nur auf Sensationsgeschichten aus - und hat dann mehr einsame Menschen gefunden, als er geglaubt hat?

Mich lässt diese Geschichte etwas ratlos zurück: Sollte es tatsächlich so sein, dass es nur unglückliche, kranke, einsame ... Menschen waren, die der Prota dort kennengelernt hat, verbietet es sich eigentlich von selbst, das noch als Buch zu "verwursten", oder?
Fragen über Fragen ...
 

lietzensee

Mitglied
Hallo Franklyn,
ich schließe mich Isbahan an, so ganz geht der Plot noch nicht auf. Aber das lässt sich sicher leicht zurecht biegen. Das Angebot im Kiosk könnte vielleicht generell sein, dass die Leute ihre Geschichte anonym veröffentlichen können. Sozusagen eine öffentliche Beichte, ohne das Gesicht zu verlieren. Du könntest auch mehr betonen, dass die Leute ihre Geschichte bekannt machen wollen und nur selber die Möglichkeit nicht haben. Dann steht der Prot besser da.
Alternativ könntest du die Ambivalenz auch in der Geschichte zum Thema machen. Vielleicht wird ihm bei der Buchvorstellung ja selbst bewusst, dass vom Leid der Anderen auch profitiert. Das würde den Prot für meinen Geschmack interessanter machen.

Sprachlich finde ich die Geschichte gekonnt erzählt. Dein Tonfall passt gut zu diesem seltsamen Schritsteller und die Figuren hast du treffend gezeichnet. Der Obdachlose und vor allem die Oma werden plastisch durch das, was sie tun und sagen. Meiner Meinung nach ist das effektiver, als Aussehen und Geruch zu beschreiben.

Die Geschichte von der alten Frau finde ich besser als die des Obdachlosen. Die Oma hat ihren eigenen kleinen Spannungsbogen und der Reveal "Ich hab meinen toten Mann betrogen." ist klasse. Vielleicht kannst du was Ähnliches ja auch noch für den Obdachlosen finden. Zb könntest du erst am Schluss verraten, dass Ricky ein Hund war. (Oder eine Katze, oder ein Eichhörnchen)

Noch was Kleines:
„Sie sind aber kein Streetworker oder vom Amt? Mit denen habe ich keine guten Erfahrungen gemacht.“
Dass der Obdachlose kein Freund von Streetworkern ist, steckt schon in seiner Frage drin. Ich würde den zweiten Satz entweder streichen oder durch eine konkretere Beschreibung ersetzen.

Viele Grüße
lietzensee
 
G

Gelöschtes Mitglied 21924

Gast
@Franklyn Francis, ich habe noch einmal drüber nachgedacht: "Der Zuhörer" suggeriert bereits eine bestimmte Zugewandtheit, Interesse am Menschen ... und genau das fehlt mir bei diesem Prota. Falls Du ihn sympathischer darstellen möchtest: Er müsste - ähnlich wie Domian - diesen Aufforderungscharakter in seiner besonders einfühlsamen Persönlichkeit, seiner Menschlichkeit, seiner Zugewandtheit zum Ausdruck bringen, dass viele ihm "ihre" Geschichte, Sorgen, Nöte etc. erzählen wollen.
Für mich besteht dieser Aufforderungscharakter nicht darin: Hey, ich hör dir (nur) zu, weil ICH ein Buch schreiben will.
Ich hab`s auch nochmal gegoogelt: Der Autor, den ich meinte, heißt Christoph Busch, der am Hamburger Bahnhof seinen Kiosk "Das Ohr" nannte ...
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Hallo Isbahan,

danke für deinen Besuch.

Ich weiß, der Text ist stark komprimiert und lässt Fragen offen. Ich habe ihn auch nach und nach immer mehr gekürzt. Wahrscheinlich sogar zu viel.

Ich gehe mal davon aus, dass Du nicht dieser Autor bist, oder?
Bin ich nicht.

Er hört (nur) Menschen zu, um ihre Geschichte(n) hinterher zu "vermarkten".
Das gefällt mir nicht. Und würde mir auch nicht gefallen, wenn ich so einsam wäre, dass ich meine Probleme einem Fremden anvertrauen möchte.
Wenn Dein Prota wirklich ein "Zuhörer" wäre, dürfte er weder Kamera noch Notizbuch dabei haben - so sucht er nur "Material" für sein Buch, also macht er dies irgendwie auf Kosten jener Menschen, die sich ihm anvertrauen.
Raus gekürzt hatte ich (und jetzt muss ich vielleicht auch "leider" sagen), dass es sich nicht um sein Experiment, sondern um ein zeitlich befristetes Projekt handelt, das durch Kommune/Land gefördert ist. Er selbst macht es ehrenamtlich und die Erlöse aus dem Buch sind für einen guten Zweck. Welcher genau, ist nicht so wichtig, vielleicht für die Streetworker, für die Suppenküche, Tafel. Bahnhofsmission etc.

Mein "Experiment" war, dies alles nicht explizit zu erwähnen, Fragen offen zu lassen, ... wohl zu viele.
Die Nicht-Kommerz. hätte ich wahrscheinlich besser einbauen müssen.

Was mir fehlt bei der Schilderung sind: Emotionen. Diese ältere Frau bedrückt ihr einmaliger Seitensprung ... aber warum? Und ist es tatsächlich das alleinige Erzählen, dass sie bereits "erleichtert"? Warum? Hatte sie nie eine gute Freundin? Niemanden, der ihr Zuhörer war, einen guten Rat hatte/ der sie nicht verurteilte?
Ja, es einem Fremden zu erzählen, kann befreiend wirken. Es bleibt zudem anonym und sie muss sich nicht so sehr oder gar nicht schämen, als würde sie sich einer Freundin o.ä. anvertrauen.

Was macht das mit ihm? Mit seinem Zuhörer? Wie sieht der Mann aus, wie riecht er?
Riechen wird der Obdachlose wahrscheinlich schon. Doch dem Prota interessiert das nicht. Es ist ihm unwichtig, er ist generell vorbehaltslos.

War es für ihn nur ein "Experiment", war er eigentlich nur auf Sensationsgeschichten aus - und hat dann mehr einsame Menschen gefunden, als er geglaubt hat?
Nein, nicht nur Sensationen. Es sind nur diese wenigen Geschichten hervorgehoben.

Sollte es tatsächlich so sein, dass es nur unglückliche, kranke, einsame ... Menschen waren, die der Prota dort kennengelernt hat, verbietet es sich eigentlich von selbst, das noch als Buch zu "verwursten", oder?
Anonym halt. Foto verfremdet.

Falls Du ihn sympathischer darstellen möchtest: Er müsste - ähnlich wie Domian - diesen Aufforderungscharakter in seiner besonders einfühlsamen Persönlichkeit, seiner Menschlichkeit, seiner Zugewandtheit zum Ausdruck bringen, dass viele ihm "ihre" Geschichte, Sorgen, Nöte etc. erzählen wollen.
Für mich besteht dieser Aufforderungscharakter nicht darin: Hey, ich hör dir (nur) zu, weil ICH ein Buch schreiben will.
Ja, stimmt. Eine besondere Eigenschaft. Ich denke drüber nach.

Ich überarbeite den Text heute Abend.

Vielen Dank schon mal.


Hallo lietzensee,

Schön, dass du dabei bist.

Das Angebot im Kiosk könnte vielleicht generell sein, dass die Leute ihre Geschichte anonym veröffentlichen können. Sozusagen eine öffentliche Beichte, ohne das Gesicht zu verlieren. Du könntest auch mehr betonen, dass die Leute ihre Geschichte bekannt machen wollen und nur selber die Möglichkeit nicht haben. Dann steht der Prot besser da.
Ja, genau.

Vielleicht wird ihm bei der Buchvorstellung ja selbst bewusst, dass vom Leid der Anderen auch profitiert. Das würde den Prot für meinen Geschmack interessanter machen.
Es wird noch dargestellt, dass es kein kommerzielles Projekt ist. Überarbeitung folgt.

Sprachlich finde ich die Geschichte gekonnt erzählt. Dein Tonfall passt gut zu diesem seltsamen Schritsteller und die Figuren hast du treffend gezeichnet.
Danke sehr.

Der Obdachlose und vor allem die Oma werden plastisch durch das, was sie tun und sagen. Meiner Meinung nach ist das effektiver, als Aussehen und Geruch zu beschreiben.
Sehe ich auch so. Der Obdachlose wird eingeführt als jemand in zerschlissener Kleidung.
Ist das deines Erachtens auch schon zu viel, @lietzensee ?

Zb könntest du erst am Schluss verraten, dass Ricky ein Hund war.
Mal sehen, denke drüber nach.

Dass der Obdachlose kein Freund von Streetworkern ist, steckt schon in seiner Frage drin. Ich würde den zweiten Satz entweder streichen oder durch eine konkretere Beschreibung ersetzen.
Gekauft!

Dankeschön.

Wünsche euch einen tollen Tag.
LG, Franklyn
 
Hallo @Isbahan und @lietzensee

ich habe erneut über eure Anmerkungen nachgedacht und einige Stellen im Text angepasst.
So, wie ich es oben in meiner erste Antwort schon angesprochen habe.
Und auch, dass er nicht nur Geschichten von Unglücklichen notiert hat.

Ich hoffe, es passt nur besser und ist schlüssiger.

Vielen Dank nochmal für die Denkanstöße und die tollen Hinweise und Tipps.

LG, Franklyn
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Die alte Dame stieg aus der U-Bahn, drehte sich in meine Richtung und winkte mir mit geröteten Wangen zu.

Hallo Franklyn,

mit geröteten Wangen kann man nicht winken. :)

Eher mit Händen.

Die neue Version ist gut, aber mir hat die alte besser gefallen. Sie war geheimnisvoller und der Leser konnte/wollte/musste sich einiges selbst zusammenreimen.

Mit Gruß

DS
 
Hi Doc,

danke fürs Lesen und Kommentieren.

mit geröteten Wangen kann man nicht winken. :)
Da ist was dran.
Ich überlege, wie ich das mit den geröteten Wangen noch irgendwie anders einbauen kann.

Die neue Version ist gut, aber mir hat die alte besser gefallen. Sie war geheimnisvoller und der Leser konnte/wollte/musste sich einiges selbst zusammenreimen.
Danke für deinen Eindruck.
Ich halte beide Version vor. Mal sehen, ob dazu noch weitere Kommentare kommen bzw. ob die aktuelle Versionen zu viel erklärt.

Fertig ist der Text noch lange nicht.

Schönen Tag und
LG, Franklyn Francis
 

lietzensee

Mitglied
Hallo Franklyn,
ich finde die neue Version besser. Eigentlich bin ich immer dafür, dass der Leser sich Sachen selbst erschließen darf. Aber du beschreibst den Prot sehr nachdrücklich als selbstlosen Zuhörer. Da wäre es unfreiwillig komisch, wenn man bei ihm Eigennutz vermuten würde. Vielleicht ist das auch mein Zynismus.

Beim nochmaligen Lesen kam mir jetzt das Ende ein bisschen lang und ausgewalzt vor. Der letzte Satz mit dem Bilderbuch scheint als Pointe gemeint zu sein. Das Bilderbuch erwähnst du auch mehrmals. Aber die Pointe dazu verstehe ich nicht.

Viele Grüße
lietzensee
 
Hallo @lietzensee

Danke fürs erneute Lesen und Kommentieren.

Ja, stimmt, ihm Eigennutz vorwerfen zu können, wäre da echt falsch.

Die "Pointe" habe ich versucht, vorher vorzubereiten.
Scheint wohl nicht unbedingt funktioniert zu haben. Und wenn man es erklären muss, erst recht nicht. Hm ... was mache ich nun?

Diese Stelle hier, wo er die Worte in Gedanken (kursiv) wiederholt:
„Erzählen Sie mir mehr von Ricky, wenn Sie möchten.“
„Im Sommer ist er gestorben. Ihm geht es jetzt gut.“
Im Sommer, dachte ich. Ihm geht es gut.
Dann noch:
Sie nahm ein Buch vom Stapel, schlug es auf und reichte es mir. „Diese eine Geschichte … mit dem Jungen. Schrecklich. Es tut mir so leid.“
Ich nickte vor mich hin, setzte den Füller an.
Das Bilderbuch hat er bei sich die ganze Zeit im Laden liegen, packt es schließlich aber ein.
Es soll ein Andenken an seinen verstorbenen Jungen darstellen.
Die, seine Geschichte, die er erst jetzt erzählen konnte / in dem Buch veröffentlicht hat.

Schönen Abend und LG,
Franklyn
 

lietzensee

Mitglied
Hallo Franklyn,
ja, diese Pointe war wirklich zu versteckt für mich. Mir gefällt der Gedanke, dass er das eigentlich macht, um seine eigene Geschichte zu verarbeiten. Ich würde das einfach noch deutlicher rausstellen. Vielleicht kannst du es am Schluss explizit aussprechen.

Irgendwann steckt man als Autor so tief im Text, dass man schwer einschätzen kann, was der Leser errät und was nicht. Das Problem kenne ich auch ;-)

Viele Grüße
lietzensee
 
Hallo lietzensee,

habe mich sehr über deine Worte gefreut.

Mir gefällt der Gedanke, dass er das eigentlich macht, um seine eigene Geschichte zu verarbeiten.
Ja, so ist das gedacht.

Ich würde das einfach noch deutlicher rausstellen. Vielleicht kannst du es am Schluss explizit aussprechen.
Da denke ich noch mal drüber nach.

Mir fehlt da im Augenblick der richtige Ansatz, wie ich das rüberbringen könnte. Oder ob es doch nur so nebenbei angedeutet bleiben soll, mit der Gefahr, dass es übersehen wird.
Aber es muss ja vielleicht nur ein einziger Satz sein .... Hm ...

Irgendwann steckt man als Autor so tief im Text, dass man schwer einschätzen kann, was der Leser errät und was nicht. Das Problem kenne ich auch ;-)
Ja, stimmt. :)

Schönen Abend noch und
LG, Franklyn
 



 
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