Deutschland im Herbst 2.0

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17.09.2016: Anschwellendes Echo

01/2016: Kein Generalverdacht!
02/2016: Kein Generalverdacht!
03/2016: Kein Generalverdacht!
04/2016: Kein Generalverdacht!
05/2016: Kein Generalverdacht!
06/2016: Kein Generalverdacht!
07/2016: Kein Generalverdacht … Verdacht …
08/2016: Kein Generalverdacht … Verdacht … Verdacht …
09/2016: Kein Generalverdacht … Verdacht … Verdacht … Verdacht …



18.09.2016: Merkel buchstabiert man so:

Mutti
Entnervt
Ratlos
Kanzlerdämmerung
Ende vom Lied
Land unter
 
G

Gelöschtes Mitglied 4259

Gast
Lieber Arno,

was soll ich mit solchen Zeilen anfangen? Auch der zweite Teil, der Vorschlag für ein Buchstabieren des Kanzlerinnen-Namens: Was soll uns das sagen? Vor allem: trifft das zu? Ich glaube, Merkel ist weder ratlos noch das Land "unter". Verschiedene Feuilletonisten spekulieren seit Wochen darauf, dass die Situation M. eher in die Hände spielt...

P.
 
Liebe Penelopeia,

Anlass für Teil 1 meiner privaten Tagebuch-Reflexion waren die vorgestern bekannt gewordenen Vorwürfe dreier Bundesländer gegen das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (massenhaft falsche Pässe, Fälschungen nicht erkannt, Brandenburger Generalstaatsanwalt bemüht Justiz gegen das Amt). Inhaltlich geht es um die allmähliche Abnutzung einer an sich nicht unzutreffenden allgemeinen Beschwichtigungsformel.

Anlass für Teil 2 ist das Berliner Wahlergebnis, das ich als dort Wahlberechtigter primär auf die Bundespolitik zurückführe. Beleg dafür: Das Abschmelzen von früher deutlich besseren Wahlergebnissen zieht sich für die davon betroffenen Parteien seit dem Frühjahr wie ein roter Faden durch alle Landtagswahlen. Merkel aus der Schusslinie zu bringen, indem man den Berliner Verhältnissen die Hauptschuld gibt, ob sich damit die von künftiger Abwahl bedrohten Funktionsträger in der Union beruhigen lassen? Wohl kaum.

"Land unter" bezieht sich auf die CDU.

Freundlichen Morgengruß
Arno Abendschön
 
G

Gelöschtes Mitglied 4259

Gast
Lieber Arno,

ich verstehe Deine Anmerkungen und verstehe sie auch wieder nicht: Wenn Du "private Tagebuch-Reflexionen" veröffentlichst: sind die dann noch privat?
Wenn Du im erklärendem Komm. einschränkst, die Formulierung "Land unter" beziehe sich auf die CDU: hätte man dann die Erklärung nicht besser vorher in den Text einarbeiten sollen?

Wie auch immer: Wer Merkel und die hinter ihr stehende Riege für entnervt hält, unterschätzt sie möglicherweise. Im letzten Jahr spielte nicht nur Mitleid und vorgebliches christliches Selbstverständnis eine Rolle, mit großer Wahrscheinlichkeit war es auch ein ganz pragmatisches Kalkül, mit dem die "Macher" der Wanderungsbewegung durchaus dem Zeitgeist entsprachen. Aber genau bewerten wird man das erst können, wenn die Gegenwart Vergangenheit ist...

Ansonsten spielst Du offenbar im ersten Teil Deiner Notizen auf den bekannten Essay vom "anschwellenden Bocksgesang" an, ein für meine Begriffe gut geschriebenes, aber irgendwie leicht querulantiges Stückchen, das gekonnt mit recht romantischen bis rechtsromantischen Klischees spielt, man zähle mal, wie oft das Wort "Blut" da auftaucht. Muss das sein, frage ich mich...

Schöne Grüße

P.
 
Liebe Penelopeia,

hier genau an dieser Stelle eine politische Diskussion zu führen, lag nicht in meiner Absicht. Sie ist ja ohnehin vielfach in Gang gekommen und Merkels Auftritt gestern mit direktem Bezug zur Berlin-Wahl ausreichend aussagekräftig.

Beschränken wir uns also auf Textarbeit. Zunächst will ich den nicht ganz zutreffenden Begriff "privat" in meiner gestrigen Erwiderung durch "subjektiv" ersetzen. Dann mag es wohl sein, dass bei derart verknappter Form "Land unter" auf unser Land bezogen werden kann, statt auf die Partei und Merkels eigene politische Macht. Diese Schwäche sehe ich auch. Mir ist einfach unter "L" nichts anderes eingefallen. Schließlich ist das Ganze nur eine rasche Übung unter strenger formaler Vorgabe.

Ja, der Anklang des 1. Untertitels an jenen Essay ist gewollt. Allerdings bin nicht ich es, der hier etwas Anschwellendes produziert, es ist der Ablauf der Ereignisse selbst. Die immer dichtere Abfolge negativer Nachrichten mit immer derselben Beschwichtigungsformel in den Griff kriegen zu wollen, das wirkt auf Dauer kontraproduktiv.

Der Gesamttitel bezieht sich einmal auf den Episodenfilm von 1978. Um Einwänden zuvorzukommen: Der Anklang soll eher bewusst machen, wie radikal sich alles in diesen knapp vierzig Jahren verändert hat und dass wir die Gegenwart mit Blicken zurück ins vorige Jahrhundert nicht bewältigen werden. Zum anderen sind eben mit den beiden Herbsten jene von 2015 und 2016 gemeint. Die moralische Hochrüstung des vorigen Herbstes hat sich als das herausgestellt, was sie von Anfang an war: heiße Luft. Wenn Moral und Humanität vor einem Jahr die treibenden Kräfte gewesen sein sollten, stellt sich doch sofort die Frage: Warum dann in der Gegenwart nicht mehr? Die äußere Lage - Migrationsdruck und millionenfaches Elend außerhalb von Europa - hat sich in keiner Weise verändert. Darin liegt ja die eigentliche Schwäche der Rechtfertigung von Merkels Politik: sich auf Moral als Richtschnur damals zu berufen und sie inzwischen durch reine Interessenpolitik ersetzt zu haben. Das ist zumindest intellektuell höchst unsauber.

Arno Abendschön
 



 
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