Deutschlands Markenkern: Selbstüberschätzung Eine Satire

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petrasmiles

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Spät Berufene sind bekanntermaßen die pietistischsten Pietisten – oder katholischer als der Papst – aber so recht glaubhaft wirken sie nicht in der jeweiligen Rolle.
Das Selbstbewusstsein der ‚Grande nation’ oder ‚God’s own country’ (ganz zu schweigen von den Großen Briten) bekommen wir nicht hin, darum müssen wir unser Ansehen umso verbissener und an jeder Milchkanne (wahlweise Mülltonne) verteidigen. Aber ich greife vor.

Was mir durch den Sinn ging als ich mir diesen Namen auf der Zunge zergehen ließ: ‚Die letzte Generation’ … der Inbegriff des Narzissmus? Ein neuer Höhepunkt des Tiefstandes?
Nein, ein Kreis schließt sich, es ist die gute alte Selbstüberschätzung und hat mit Wilhelm II mehr zu tun, als den Initiatoren lieb sein kann.

Ich habe mal gelesen – man mag mir verzeihen, wenn ich die Quelle nicht nennen kann (aber nach Heisenberg ist ja Bildung, was übrig bleibt, wenn man alles vergessen hat, was man gelernt hat) – dass Deutschlands Sonderstellung eng verwoben sei mit der späten Reichsgründung oder auch ‚Nationenbildung’. Während die ganze Welt sich schon glücklich hinter ihren Führern scharen durfte, musste sich der deutsche Michel mit einem Flickenteppich an Autoritäten zufrieden geben. Und so bewegte Generationen diese Sehnsucht nach, nein, nicht den Rockschößen der Mutter, der sinnstiftenden, allein selig machenden 'Nation'. Und so rief Emmanuel Geibel 1861 ‚Am deutschen Wesen mag die Welt genesen’ und da ging es um nichts weniger als das Selbstbestimmungsrecht der Völker und die Erhaltung des europäischen Friedens. Ach diese Romantiker.

Nur wenige Jahre später schaffte es diese Parole als Schlachtruf in den Kopf des letzten deutschen Kaisers unter Abänderung von ‚mag’ in ‚soll’. Der Rest ist Geschichte und es brauchte einen österreichischen Schlächter, um den Deutschen diese Faxen auszutreiben, gründlich? Danach zogen wir die Köpfe ein, schauten nicht nach rechts oder links, arbeiteten uns den Rücken krumm und nickten nur, wenn die Großen was sagten – und wiederholten, was wir sagen sollten.

Das ging dann ein, zwei Generationen gut. Die einen suhlten sich noch öffentlich in Schuld und Schande, während andere meinten, nun muss es doch langsam gut sein.
Die dazwischen lebten relativ unauffällig und genossen den Status quo: Keine Verantwortung, keine Atomwaffen, keine Angriffskriege. Das ‚dritte Reich’ war ein ziemlich guter Grund, zum Pazifisten zu werden. Und es sah so aus, als würde das lange, sehr lange vorhalten. Mit einem schlechten Ruf lebt es sich ganz gut – und mit Geld kann man viel diskreter Macht ausüben.

Aber da ja wenig wirklich von Dauer ist, wurde dieses kleine große Land überrollt von den Zeitläufen und die Wiedervereinigung stand an. Da hatten wir den Salat. Was viele lange heimlich gehofft hatten, schien zum Greifen nah: Wir sind wieder wer! Souveränität!
Anfangs ging es den Mächtigen noch um das europäische Gleichgewicht – Deutschland solle danach nicht zu mächtig werden dürfen, nie wieder ‚Meister’, wieder nur Schüler, aber dann doch wenigstens Musterschüler.

Und dann kam die Globalisierung und damit verschoben sich die Akzente. Wirtschaftsmacht war nicht mehr die heimliche, sondern die offizielle, und die Rufe auch von außen wurden lauter, Deutschland möge doch seiner Rolle gerecht werden und Verantwortung übernehmen.

Und seither übernehmen wir wieder Verantwortung.

Und weil das so ein schön offener Begriff ist, kann sich jeder aussuchen, was damit gemeint sei.

Ab da hatte dann auch die Jugend wieder einen Ansatzpunkt, die Jahrzehnte hauptsächlich an viel Life Style, ein bisschen Umwelt und diversem Sozialen interessiert war.
Viel rigider als je eine Nachkriegsgeneration zuvor – schließlich waren sie auch mittlerweile eine Wirtschaftsmacht, wenn auch alimentiert – forderten sie ein und setzen durch, dass diese guten und richtigen Werte, geronnen aus der Zeit, die sie weder kennen noch etwas wissen wollen, Allgemeingültigkeit bekommen. Dieser Anspruch wurde global. Die ersten Bemühungen richteten sich noch in die Vergangenheit – geächtet wurde, was nicht den heutigen Maßstäben entsprach. Danach traf es alle öffentlichen Verlautbarungen, ob sie politisch korrekt seien. Und sie wissen auch allein, was das Korrekte ist am Politischen. Und das gilt nicht nur für uns Deutsche, es gilt für Europa und morgen schon für die ganze Welt.

Als der Europa-Chef von ‚Extinction Rebellion’ in England sich erdreistete, die umweltbedingte Auslöschung von Arten und Völkern in einem Satz mit dem Holocaust zu nennen und so etwas wie eine Vergleichbarkeit andeutete, gebärdeten sich deutsche Aktivist*innen wie toll. Man forderte – und erreichte – seinen Rücktritt. Ich dachte nur, der darf das. Aber nein. Aus der deutschen Schuld ergibt sich auf einmal die einzig wahre Kompetenz in der Beurteilung, was geht und was nicht. Chapeau! Das wird doch den (Ur-) Großvätern die Tränen in die Augen getrieben haben.

Wir haben es nicht nur geschafft. Wir geben wieder den Ton an. Wir sagen den Brasilianern, wie sie mit ihrem Urwald umzugehen haben, erklären anderen Ländern was Rechtsstaatlichkeit ist, polen die Wissenschaft auf politisch korrekt um und die Krönung: Wir erklären allen, auch den Juden, was Antisemitismus sei.

Ach übrigens, souverän sind wir natürlich noch immer nicht. Es liegen noch die amerikanischen Atomraketen in Deutschland rum, amerikanische Soldaten werden in der ehemaligen DDR stationiert (2+4 Verhandlungen?), die einzig wahre deutsche Errungenschaft der Nachkriegsgeschichte, die Politik des Wandels durch Annäherung, landete auf dem Müllhaufen der Geschichte wo die Errungenschaften der DDR schon liegen, und der American Way of Ausbeutung tröpfelt auf allen Ebenen und jetzt erst recht in unser Gemeinwesen ein, aber solange richtig gegendert wird, mutmaßlich anrüchige Personen von Straßenschildern entfernt und people of color gleichberechtigt Müsli-Riegel anpreisen dürfen, kann es nicht so schlimm werden, oder?
Wenn dann auch noch ein ehemaliger Bundespräsident zu den Waffen greifen würde, dann stehen wir doch ganz dicht davor, dass die Welt genesen kann, oder mag, oder soll.
 
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petrasmiles

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Lieber Klaus K.,

danke für die Rückmeldung.
Manchmal muss man einen größeren Zeitraum überblicken, um Zusammenhänge begreifen zu können.
Aber ob das was rüttelt? Man tut was man kann.

Liebe Grüße
Petra
 



 
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