Dichtersalat (Distichon)

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Scal

Mitglied
Schneidend fiel ein Dichter über einen Dichter her.
Indes, der wehrte sich mit einem Sehnsuchtsschrotgewehr.

Nun haben beide, leidend, Tränen im Gesicht
und schenken, staunend, sich ein Kampfgedicht.


Lieben Gruß
Scal
 

Wolke9

Mitglied
Hallo Scal,

wo Du recht hast, hast Du recht. Es hat ein bisschen was von "Sturm und Drang" :rolleyes:.

Vielen Dank für die Sterne.

Viele Grüße Wolke9
 

Scal

Mitglied
Pardon, es war natürlich etwas respektlos, auf ein Erstgedicht bei LL mit einem Gedicht zu reagieren. Dein Dichtersalat ist gewiss für alle, die gerne in feinen Restaurants speisen, ein Leckerbissen.
 

Wolke9

Mitglied
Hallo Scal,

respektlos? Nein. Bei mir ist das eher gut angekommen, wenn Du mit einem Gedicht antwortest; irgendwie passend, sag’ ich mal.

Aber ich glaube, ich sollte etwas zur Entstehungsgeschichte des „Dichtersalats“ erzählen. Es war nämlich so:
Ich habe nachgeschaut was ein Distichon ist. Und dann habe ich das ausprobiert. Und dabei rausgekommen ist der „Dichtersalat“.
Ich hoffe, es gefällt Dir trotzdem noch.

Aber natürlich hast du auch recht. Mir gefallen handwerklich gut gemachte Gedichte und Texte. Ich vermute, das wird den meisten LL-Leser*Innen so gehen.

Viele Grüße Wolke9
 

Wolke9

Mitglied
Hallo mondnein,

ha ja, so weiß ich das auch. Mit Hebeprall nach der dritten Hebung im zweiten Vers.
Vielleicht können wir uns darauf einigen, dass ich die Form gewahrt habe (erster Vers: Hexameter, zweiter Vers: Pentameter, Hebeprall nach der dritten Hebung, das auffälligste Merkmal eines Distichons), aber nicht das klassische Versmaß, weil's so einfach knackiger klingt. :)

Viele Grüße Wolke9
 

sufnus

Mitglied
Hey Wolke9,

also egal wie ichs lese, eine Hexameter-Pentameter-Abfolge bekomm ich beim besten Willen nicht wirklich hin. Dein Gedicht zeichnet sich für mich gerade dadurch aus, dass es sich einer gebundenen Lesart weitegehend verweigert und in natürlichem Sprachfluss gelesen werden will.
Die erste Zeile würd ich daher ganz und gar "unmetrisch" vortragen, ungefähr so:

Schneidend [p] fiel der Dichter [P] über grüne Tomaten her,

[p] bzw. [P] sollen ganz kurze bzw. kurze Sprechpausen andeuten und die fettgedruckten Silben sollen Betonungen andeuten, die aber nicht so deutlich akzentuiert zu denken sind, wie man das aus metrisch gebundener Sprache kennt. Meine Lesart wäre hier also ziemlich nah an einem schnoddrigen "Prosasprechen".

Würde ich versuchen, die erste Zeile doch metrisch gebunden zu sprechen, so käme ein sieben Hebungen umfassendes, etwas klapperndes Etwas heraus:

Schneidend fiel der Dichter | über grüne Tomaten her, (alternativ am Ende auch: über grüne Tomaten her)

Also ziemlich in the face trochäisch anhebend, um dann nach einer Zäsur (dem | ) etwas holperig entweder XxXxxXxX oder xxXxxXxX

Irgendwie hexametrisch wirds bei mir aber nicht. Die "Hexameter"-Zeilen tendieren beim etwas wackelnden Versuch eines metrischen Vortrags m. E. immer eher zu sieben Hebungen.

Diese formale Diskussion kann man als nebensächlich abtun - aber immerhin hast Du die Zeilen ja unter den festen Formen eingestellt und outest Dich als Kenner:in des Distichons. Insofern scheint mir die kurze Formdiskussion doch passend. :)

Davon abgesehen, mag ich alle Gedichte, in denen Salat vorkommt, für meinen Geschmack (!) gibt es bisher noch viel zu wenige lyrische Werke, die sich dieser Köstlichkeit annehmen. Grüne Tomaten, frische Salatblätter, Zwiebeln (hoffentlich entweder eine wirklich milde Sorte, die absolut untadelig gelagert wurde oder kurz blanchierte Zwiebeln) und reichlich hochwertiges Öl klingen schonmal nicht verkehrt. :)

LG!

S.
 

Wolke9

Mitglied
Hallo Snufus,

ich lese es schon, jetzt geht es ans Eingemachte.

Ich würde es so betonen:
Schneidend fiel der Dichter über grüne Tomaten her
1 2 3 4 5 6 Hexameter

In meinem Sprachrhythmus gehört „(über etwas) her-fallen“ beides betont, ein bisschen dramatisch halt. Aber ich verstehe was Du meinst. Undramatisch gelesen sind es fünf oder sieben Hebungen.
Ich habe die Distichen übrigens zuerst klassisch aufgesetzt „Dichter, und fiele er schneidend kopfüber Tomaten xy her, …“ und erst dann moduliert (damit’s knackiger klingt).

Ich? ein Distichon-Kenner? Nein, nicht wirklich. Mich hat es einfach gereizt mal selbst ein Distichon auszuprobieren. Naja, einen Versuch war es wert.

Danke! für’s Lesen und Erörtern.

Viele Grüße Wolke9
 

Wolke9

Mitglied
Hallo mondnein,

ehrlich gestanden weiß ich es nicht. Ich glaub' Dir das jetzt einfach.
Aber ich verspreche Dir, beim nächsten Distichon wird alles gut. :)

Viele Grüße Wolke9
 

sufnus

Mitglied
Hey!

Ich würde mondnein da formbezüglich zustimmen - und fand den Exkurs in die Gefilde der äußeren Form auch durchaus spannend. Jetzt käm ich dann aber doch nochmal auf den Inhalt zu sprechen. Den find ich nämlich (ich sprach ja schon von meiner Vorliebe für Salatgedichte) sehr schön.

Und bei deinem Gedicht ist offensichtlich von einem Salat die Rede, der, wie mir scheint, im Laufe der Jahrzehnte kulinarisch über all den Romana-Herzen, Babyleafs und bunten Salatmixen ein bisschen aus der Mode gekommen ist: Den guten alten Kopfsalat.

Klar ist auch, dass Du Dich hier der Salatsprache im metaphorischen Sinn bedienst. Mir gefällt aber, dass Du mit all den schönen Beizutaten doch auch im metaphorischen Reden bei der "Sache" bleibst und Dich nicht im Abstrakten der Ideen verlierst. Sehr schön ist auch wie Du dem Dichter Konturen verleihst, offenbar ist er beinahe zahnlos, was man Dichtern ja des öfteren nachsagt, aber so ein einzelner Zahn, noch dazu ein Reißzahn, ist schon ein ziemlich prominentes, mündliches Ereignis. Würd mich nicht wundern, wenn sich bei genauer Betrachtung in diesem Zahn auch noch ein Giftkanal fände.

Also das gefällt mir alles jedenfalls sehr gut! Vielleicht ein bisschen zu viel des Guten für meine Lesevorlieben ist hier in diesem speziellen Kontext das "rotzend". Ich mag grundsätzlich Ausflüge aus den Höhenlagen des lyrischen Tons in die Ebenen der Vulgarität ganz gerne, aber das hat natürlich immer auch ein bisschen was Effekthascherisches. Hier find ichs eine halbe Registernummer too much. "Schniefend" oder irgendwas in der Preislage fänd ich hier schöner.

Auf alle Fälle aber eine schöne Sache, diese Salaterei.

LG!
S.
 

Wolke9

Mitglied
Hallo Sufnus,

es lag wirklich nur am Zwiebel schneiden, Gemüsezwiebel!

Du meinst "Giftzahn"? :eek: Um Himmels willen! Nein, im Salat nie! (aber ein Heiligenschein steht mir auch nicht).

Es freut mich, dass es Dir gefällt, obwohl der Salat ein bisschen sauer geraten ist (vermutlich lag es am Senf. Alles Geschmackssache). Danke für's Lesen und Kommentieren.

Viele Grüße Wolke9
 



 
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