Die Altweibermühle (Übersetzung eines Mundartmännermärchens)

3,00 Stern(e) 1 Stimme

Pinky

Mitglied
Es lebte einmal ein einfacher Bauer, der war fleißig und arbeitete hart, so wie es sich eben für einen typischen Vertreter seines Standes gehören sollte, wenn er auch regelmäßig seine Felder brachliegen ließ, um sich die großzügigen Föderungen nicht entgehen zu lassen. Dieser Bauer konnte nun also ganz zufrieden sein: Er hatte keinen allzugroßen Hof, von dem er gut leben konnte, keinerlei Tiere, die ihn Sonntagmorgen zum Aufstehen zwangen, und wenn die Felder brach lagen, ging sich mit den Subventionen ein netter, kleiner Urlaub aus. Er konnte also, wie gesagt, zufrieden sein, oder sogar glücklich, wäre da nicht eine Sache gewesen: Seine Frau.
Er liebte seine Frau, oder sagte es zumindest, oder wenigstens hatte er sie früher geliebt, als sie noch jung, schlank und mit dem Leben als Agrarökonomin zufrieden gewesen war, doch die Jahre seit ihrer Hochzeit waren vorübergezogen wie Eilzüge und nicht nur das Alter hatte seine Spuren hinterlassen, auch die Schlankheit war flöten gegangen. Und sie kebelte. Sie schimpfte und jammerte, zeterte und warf ihm Dinge vor, für die selbst der fleißigste Bauer nichts konnte. Sie war das geworden, was man in manchen Landen als schreckliche Schreckschraube bezeichnete. Gegen sie waren böse Schwiegermütter wie harmlose Waisenkinder und hämische Stiefmütter versteckten sich beschämt, wenn sie kam, und kochten sich Kompott aus ihren vergifteten Äpfeln. Kurz: Sie war zu einem wahren Alptraum geworden, wie es jeder ehrbare Ehemann zu erleben fürchtete.
Eines Tages jedoch, als es wieder einmal besonders schlimm war und der Bauer frustriert ein brachliegendes Feld ackerte, nur, um nicht im Haus sein zu müssen, dachte er an die Worte, die sein Vater einmal zu ihm gesagt hatte. Seit Generationen wurden sie in ihrer Familie vom Vater an den Sohn weitergegeben, um die Erinnerung aufrecht zu erhalten. Und immer, am vierzehnten Geburtstag, am Ende des Tages, kam der Vater zum Sohn, nahm ihn beiseite und sprach zu ihm: "Sohn, wenn es dir eines Tages so ergehen sollte wie mir, oder gar noch schlimmer, so denke stets an die Altweibermühle. Sie allein vermag dir zu helfen, denn nur sie vermag es, alte, häßliche Schreckschrauben in junge, hübsche und willige Maiden zu wandeln. Und wenn du es einmal nicht mehr erträgst, mach dich auf und suche sie." Dann ließ der Vater den Sohn in Gedanken versunken allein und dieser entschlummerte mit dem festen Vorsatz, sie nie suchen zu müssen, die Altweibermühle.
So dachte der Bauer, und da es zur Zeit nicht mehr zu ertragen war, fragte er sich, wie und wo man diese Altweibermühle wohl finden mocht. Und da es sich bei einem Krug Bier besser nachdenken ließ, machte er sich erst einmal auf ins Gasthaus.
Es war nicht viel los um diese Tageszeit, und da der Wirt nicht viel zu tun hatte und gleich sah, das der Bauer in tiefen Gedanken versunken war, fragte er ihn, was denn los sei.
"Ach, seufzte der Bauer, "hast du schon einmal von der Altweibermühle gehört?"
"Altweibermühle?" meinte der Wirt. "Nein, noch nie gehört."
"Mit ihr kann man alte, häßliche Schreckschrauben wieder in junge, hübsche und willige Maiden verwandeln."
"In junge, hübsche und willige Maiden? Tatsächlich?" sagte der Wirt interessiert.
"Ja", sagte der Bauer. "Und drum suche ich sie jetzt, denn zu Hause ist es kaum mehr auszuhalten mit meiner Frau."
"Tatsächlich", sagte der Wirt noch einmal. "Nun, ich kann dir leider nicht weiterhelfen, aber -" Und da unterbrach er sich und sah dich verschwörerisch in der Gaststube um, um dann leise fortzufahren: "- aber wenn du sie findest, sag mir doch wo sie ist. Ich könnt sie wohl auch ganz gut gebrauchen."
"Das will ich schon tun", versicherte der Bauer solidarisch, "aber erst muss ich sie einmal finden."
"Altweibermühle, was?" meinte da der Hirte am Nebentisch, der ihr Gespräch mitangehört hatte. Warum er um diese Tageszeit nicht bei seiner Herde war, war etwas schleierhaft, aber auf entsprechende Fragen des Wirts meinte er immer nur: "Die kommen schon allein zurecht."
"Ja. Weißt du etwa wo sie ist?" fragte der Bauer hoffnungsvoll.
"Nein, aber gebrauchen könnt ich sie wohl auch. Aber frag doch den Müller. Wenn's um Mühlengeht, sollte er doch am besten Bescheid wissen."
Dankbar für den Vorschlag und verärgert darüber, dass er nicht gleich selbst draufgekommen war, erhob sich der Bauer, trank sein Bier aus, zahlte und machte sich auf den Weg zur Mühle.
Dort traf er den Müller, hart arbeitend, ganz im Gegensatz zu manchen anderen.
"Grüß dich, Müller!" rief der Bauer schon von ferne. "Sag, weißt du vielleicht, wo ich die Altweibermühle finde?"
"Altweibermühle? Was ist denn das?" wollte der Müller wissen.
"Damit vermag man alte, häßliche Schreckschrauben in junge, hübsche und willige Maiden zu verwandeln", erklärte der Bauer.
"Pscht, nicht so laut!" zischte der Müller und sag sich erschrocken um, ob auch sein geliebtes Eheweib nicht in Hörweite war. Dann meinte er heimlich: "Nein, davon hab ich noch nie gehört, aber weiß Gott, ich könnt sie wohl besser gebrauchen als meine Getreidemühle hier. Am besten fragst du den Baumeister, drüben hinterm Wald. Der hat mir meine Mühle gebaut und vielleicht weiß er was. Und", fügte er noch hinzu und beugte sich verschwörerisch zum Bauern, "wenn du was rauskriegst, sag mir doch Bescheid."
Der Bauer bedankte sich und versicherte dem Müller, ihm alles zu sagen, sobald er mehr wüßte. Dann machte er sich auf den Weg durch den Wald, um den Baumeister aufzusuchen.
Er war noch nicht lange gegangen, da traf er auf den Bären. Trübsinnig und unglücklich saß der am Wegesrand und bemerkte den Bauern gar nicht.
"Guten Tag, Bär!" grüßte ihn der Bauer freundlich, denn er schien ihm recht friedlich zu sein. Sozusagen. "Was ist denn los?"
"Ach", seufzte der Bär, "der Haussegen hängt wieder einmal gar fürchterlich schief in der Höhle."
"Ja", meinte der Bauer, "das kenne ich wohl. Darum bin ich auch auf der Suche nach der Altweibermühle. Sie soll häßliche, alte Schreckschrauben in hübsche, junge und willige Maiden verwandeln können."
"Ach, ein Segen wär's, wenn's das gäbe!" träumte der Bär. "Doch leider habe ich noch nie davon gehört. Aber solltest du sie tatsächlich finden ..:"
"Jaja, dann sage ich dir Bescheid." versprach der Bauer und verabschiedete sich.
Nicht lange war er gegangen, da traf er auf den Wolf, der voller Unlust durch den Waldstreunte, auf der Suche nach einem Mittagessen, das er seiner Frau nach Hause bringen konnte. Auch er hatte noch nie von etwas ähnlichem wie einer Altweibermühle vernommen, doch musste ihm der Bauer versprechen, auch ihm zu sagen, wo sie zu finden sei, denn wahrlich gut könnte er sie gebrauchen.
Der Bauer wanderte weiter, bis er schließlich auf den Hasen traf, der mürrisch an einer Blume nagte.
"Guten Tag, Hase!" grüßte der Bauer auch ihn. "Sag, du wirst doch nicht auch Ärger mit deinem lieben Weib haben?"
"Ja, wenn's nur das wäre!" jammerte der Hase. "Aber da sind ja auch noch unsere fünfzehn Kinder! Wahrlich, goldene Engelchen, aber ein Radau können die machen ..."
"Dann wünscht du dir wohl auch, dass deine Frau jung und hübsch und willig wäre, so wie damals bei eurer Hochzeit."
"Nun, dann wär' ich wenigstens eine meiner Sorgen los."
"Dann kannst du mir vielleicht helfen. Ich bin nämlich auf der Suche nach der Altweibermühle, die alle Frauen wieder in junge, hübsche Maiden verwandeln kann."
"Ach, meinst du, so wie der Alte bei den Hügeln eine hat?/so eine, wie sie der Alte bei den Hügeln hat? Ein schrecklicher alter Kerl, aber eine Frau so jung und hübsch und knusprig, dass man sich als Hase glatt vergessen könnte."
"So, tatsächlich!" sagte der Bauer erfreut, der einen Hoffnungsschimmer am Horizont erblickte. "Womöglich hat der die Altweibermühle gefunden und kann mir sagen, wo sie ist. Wo finde ich diesen alten Mann?"
"In den Hügeln hinterm Wald. Er wohnt in einer Höhle im höchsten der Hügel."
So verabschiedete sich der Bauer vom Hasen, dankte ihm herzlich und machte sich auf zu den Hügeln.
Es war nicht weit bis zu den Hügeln und auch der höchste von ihnen war rasch gefunden. Als sich der Bauer der Höhle des alten Mannes näherte, bemerkte man ihn und eine Frau trat heraus. Nicht nur, dass sie jung war, sie war auch wunderschön anzusehen: Langes, blondes Haar und ein Gesicht so hübsch wie ein Frühlingsmorgen. Mit freundlichen Worten empfing sie den Bauern und geleitete ihn in die Höhle zu ihrem Gemahl.
"Guten Tag, alter Mann!" grüßte ihn der Bauer freundlich.
"Auch dir einen guten Tag!" erwiderte der alte Mann ebenso freundlich. Er schien einen glücklichen Eindruck zu machen. Nur ein kurzer Blick genügte und seine Frau eilte und brachte ihnen Speis und Trank, um sich dann bescheiden in einen anderen Teil der Höhle zurückzuziehen, jedoch nicht zu weit weg, um nicht die Wünsche ihres Gemahls erfüllen zu können. Es schien als lese sie ihm seine Wünsche nicht erst von den Lippen ab, sondern bereits von den Augen.
"Was führt dich zu mir?" fragte der alte Mann den Bauern. Dieser war noch so verwirrt von der Schönheit und Dienstbarkeit der jungen Maid, dass er seit seinem Gruß noch kein Wort gesagt hatte.
"Auf der Suche bin ich nach der sagenhaften Altweibermühle, die häßliche, alte Schreckschrauben in junge, hübsche und willige Maiden zu verwandeln mag, und ich hoffte, Ihr könntet mir helfen."
"Ah, die Altweibermühle", sagte der alte Mann wissen und warf einen Blick zu seinem Weib, das daraufhin demütig die Augen senkte. "Auch ich habe sie einmal gesucht."
"Und habt Ihr sie gefunden?" wollte der Bauer wissen, neugierig und drängend.
"Sieh meine Frau an!" lachte der alte Mann. "Du magst dir nicht vorstellen, wie sie war, bevor ich mich auf die Suche machte."
"Dann könnt Ihr mir also sagen, wo ich sie finde?"
"Natürlich kann ich das und gerne will ich es auch tun, denn wir Männer müssen zusammenhalten."
So erfuhr der Bauer den Weg zur Altweibermühle und sofort machte er sich auf. Doch es war ein langer Weg und viele Tage brauchte er, bevor er endlich ankam.
In voller Pracht stand sie da vor ihm, die Altweibermühle, doch schien sie dennoch unerreichbar, den nicht unbewacht war sie: Ein grauenhaftes, schlangenartiges Ungetüm mit unzähligen Köpfen lauerte davor und würde jeden in Fetzen reißen, der es wagte, sich zu nähern. Dick geschminkte Lippen hatten die Köpfe und lange Locken, wie Stahlfedern, so fest.
Aber der Bauer war nicht feige, ging es doch um mehr als bloß sein Leben, ging es doch um seinen Seelenfrieden. Also nahm er einen großen Stock und erschlug das Ungeheuer, einen Kopf nach den anderen. Dann endlich war der Weg zu der sagenhaften Altweibermühle frei. Der Bauer eilte nach Hause, holte seine Frau und jagte sie durch die Mühle hindurch. Als sie dann wieder jung und hübsch vor ihm stand, da nahm er sie glücklich und zufrieden wieder mit nach Hause.
Und auch allen anderen, dem Müller, dem Wirt, dem Hirten, dem Bären, dem Wolf und ganz besonders dem Hasen, erzählte er, wo sie die Altweibermühle finden konnten. Von da an lebten alle Männer im Tal glücklich und zufrieden mit ihren jungen, hübschen und willigen Frauen.
Das Geheimnis von der Altweibermühle jedoch ward nie mehr vergessen.
 



 
Oben Unten