Wiesen. Ich erinnere mich an Wiesen. Wie alt mag ich damals gewesen sein? Sechs? Sieben? Allerhöchstens sieben Jahre alt. Es muß in dem Jahr gewesen sein, nachdem ich in die Schule gekommen bin. Wir fuhren in die Ferien, und da lagen sie vor mir: Wiesen. Saftig grün, voller Gras, Blumen und Insekten. Wenn man sich hinhockte und nur still zuschaute, dann begann es irgendwo ganz sicher zu krabbeln. Wenn man aber einmal die Krabbler entdeckt hatte, dann war es vorbei mit der Ruhe, dann konnte man überall die Bewegung sehen. Wie winzige Zivilisationen. Zivilisationen, die man mit einem einzigen Fußtritt zerstören konnte. Wie leicht das ging, als ich ein Kind war. Heute muß man schon mit Zerstörern, mit Gewehren und Detonationsgeräten auffahren, um den Kampf zu gewinnen.
Damals lag ich im Gras, die Sonne schien, und vom Waldrand her konnte ich die Vögel singen hören, und meine Mutter, die rief: Geh nicht zu weit weg! Jetzt liege ich in den Trümmern einer Stadt, die Fremde gebaut und bewohnt haben, aber ich habe sie zerstört. Meine Wange preßt sich gegen kalten Beton, während meine Hände die Waffe umklammern, die sie mir gegeben haben, damit ich die Stellung halten kann. Die Stellung halten! So wie meine Mutter nicht wollte, daß ich zu weit von unserer Picknickdecke fortlaufe, wollen sie nicht, daß ich die Stellung, diesen bedeutend unbedeutenden Flecken hier im Stich lasse. Keine Angst, ich werde sie nicht verlassen. Wie sollte ich auch. Keine dreißig Schritt entfernt von hier, hinter den rauchenden Ruinen des alten Krankenhauses, werden sie vermutlich schon lauern. Warten sie auf mich? Warten sie darauf, mich, gerade mich umzubringen? Das kann ich nicht glauben. Ich bin doch höchstens eine Ameise, und wer kann sich schon jemanden denken, der sich in mitten einer blühenden Wiese stellt, um dann eine einzige Ameise zu zertrampeln? Das wäre aufwendig, teuer und eine Verschwendung von Zeit. Zeit... Wer hat sie schon zu verschwenden? Ich habe es mit vollen Händen getan, wird mir bewußt. Damals, als ich in der Wiese lag und diese krabbelnden Insekten beobachtet habe, habe ich vielleicht das erste und einzige Mal in meinem Leben keine Zeit verschwendet. Aber danach? Es ging so schnell, daß mir keine Zeit blieb, und jetzt, wo die Kälte langsam in meine Beine klettert, erscheint es mir, als sei ich nicht zurück zu meiner Mutter gelaufen, die auf der Picknickdecke auf mich gewartet hat, sondern als wäre ich aufgesprungen und geradewegs hierher gelaufen. Wen kümmert es, daß ich dabei ein ganzes Stück gewachsen bin. Mich nicht, und die hinter der Ruine auch nicht. Besser wäre es gewesen, ich wäre noch so klein wie damals, denn dann gäbe ich ein schlechteres Ziel ab.
Meine Mutter stand auch auf dem Flughafen, an dem Abend, an dem ich in den Helikopter geklettert bin. Ich hatte sie gebeten, nicht zu kommen, weil es doch Winter war. Die Straßen waren so verdammt glatt, und auf dem Bürgersteig wäre ich beinahe auf einer Pfütze ausgerutscht, die mit Eis überzogen war. Aber meine Mutter wollte es sich nicht nehmen lassen, mir Auf Wiedersehen zu sagen. Sie sagte nie mehr zu mir als diese zwei Worte: Auf Wiedersehen. Und damit war alles gesagt. Ich kann sie vor mir stehen sehen, die Wangen vom schneidenden Wind gerötet, Tränen in den Augen. Ihr grauer Mantel weht, ihr braunes Haar weht, ihr grüner Schal flattert im Wind. Ich habe ihn ihr vor zwei Jahren zu Weihnachten geschenkt, weil er so gut zu ihren Augen paßte. Grünen Augen mit Tränen. Auf Wiedersehen. Nur zwei Worte.
Mein Hauptmann sagt nie Auf Wiedersehen. Er sagt, daß wir unsere Pflicht erfüllen müssen, er erteilt die Befehle, Befehle wie: Haltet die Stellung.
Ich werde die Stellung halten, weil es mir befohlen worden ist. Werde weiter hier auf den Steinen liegen und mich darum bemühen, eine bequemere Lage zu bekommen. Gerne würde ich einen Blick auf die Uhr werfen, aber meine Armbanduhr habe ich im Camp liegen lassen, weil sie mich an Danny erinnert. Danny hat sie mir geschenkt, damit ich die Zeit nicht vergesse. Das stand auf der Karte, die bei der Uhr lag, und ich mußte lächeln, weil mich die gelbe Uhr an blondes Haar erinnert. Sie erinnert mich an die Zeit, die ich mit Danny verbracht habe. Auch damals schien die Sonne, zwar meist von Wolken verdeckt, denn es war im Herbst, aber ich erinnere mich an die Sonne. Sie hat mich geblendet, weil ihr Licht ständig in meine Augen fiel, wenn die Wolken mal wieder einen Spalt ließen.
Hier ist es dunkel. Der schwarze Qualm von den Ruinen hebt sich gegen die Nacht ab. Ich würde mir gerne eine Zigarette anzünden, aber das Licht könnte man hinter den Ruinen sehen, und dann wäre ich ein entzückendes Ziel, ein Geschenk für die anderen. Keine Uhr und kein Schal, aber ein Geschenk.
Es muß schon später sein, als ich dachte. Ich höre Gewehre, Explosionen und Lärm. Sie kommen. Sie kommen! Ich muß die Stellung halten.
Damals lag ich im Gras, die Sonne schien, und vom Waldrand her konnte ich die Vögel singen hören, und meine Mutter, die rief: Geh nicht zu weit weg! Jetzt liege ich in den Trümmern einer Stadt, die Fremde gebaut und bewohnt haben, aber ich habe sie zerstört. Meine Wange preßt sich gegen kalten Beton, während meine Hände die Waffe umklammern, die sie mir gegeben haben, damit ich die Stellung halten kann. Die Stellung halten! So wie meine Mutter nicht wollte, daß ich zu weit von unserer Picknickdecke fortlaufe, wollen sie nicht, daß ich die Stellung, diesen bedeutend unbedeutenden Flecken hier im Stich lasse. Keine Angst, ich werde sie nicht verlassen. Wie sollte ich auch. Keine dreißig Schritt entfernt von hier, hinter den rauchenden Ruinen des alten Krankenhauses, werden sie vermutlich schon lauern. Warten sie auf mich? Warten sie darauf, mich, gerade mich umzubringen? Das kann ich nicht glauben. Ich bin doch höchstens eine Ameise, und wer kann sich schon jemanden denken, der sich in mitten einer blühenden Wiese stellt, um dann eine einzige Ameise zu zertrampeln? Das wäre aufwendig, teuer und eine Verschwendung von Zeit. Zeit... Wer hat sie schon zu verschwenden? Ich habe es mit vollen Händen getan, wird mir bewußt. Damals, als ich in der Wiese lag und diese krabbelnden Insekten beobachtet habe, habe ich vielleicht das erste und einzige Mal in meinem Leben keine Zeit verschwendet. Aber danach? Es ging so schnell, daß mir keine Zeit blieb, und jetzt, wo die Kälte langsam in meine Beine klettert, erscheint es mir, als sei ich nicht zurück zu meiner Mutter gelaufen, die auf der Picknickdecke auf mich gewartet hat, sondern als wäre ich aufgesprungen und geradewegs hierher gelaufen. Wen kümmert es, daß ich dabei ein ganzes Stück gewachsen bin. Mich nicht, und die hinter der Ruine auch nicht. Besser wäre es gewesen, ich wäre noch so klein wie damals, denn dann gäbe ich ein schlechteres Ziel ab.
Meine Mutter stand auch auf dem Flughafen, an dem Abend, an dem ich in den Helikopter geklettert bin. Ich hatte sie gebeten, nicht zu kommen, weil es doch Winter war. Die Straßen waren so verdammt glatt, und auf dem Bürgersteig wäre ich beinahe auf einer Pfütze ausgerutscht, die mit Eis überzogen war. Aber meine Mutter wollte es sich nicht nehmen lassen, mir Auf Wiedersehen zu sagen. Sie sagte nie mehr zu mir als diese zwei Worte: Auf Wiedersehen. Und damit war alles gesagt. Ich kann sie vor mir stehen sehen, die Wangen vom schneidenden Wind gerötet, Tränen in den Augen. Ihr grauer Mantel weht, ihr braunes Haar weht, ihr grüner Schal flattert im Wind. Ich habe ihn ihr vor zwei Jahren zu Weihnachten geschenkt, weil er so gut zu ihren Augen paßte. Grünen Augen mit Tränen. Auf Wiedersehen. Nur zwei Worte.
Mein Hauptmann sagt nie Auf Wiedersehen. Er sagt, daß wir unsere Pflicht erfüllen müssen, er erteilt die Befehle, Befehle wie: Haltet die Stellung.
Ich werde die Stellung halten, weil es mir befohlen worden ist. Werde weiter hier auf den Steinen liegen und mich darum bemühen, eine bequemere Lage zu bekommen. Gerne würde ich einen Blick auf die Uhr werfen, aber meine Armbanduhr habe ich im Camp liegen lassen, weil sie mich an Danny erinnert. Danny hat sie mir geschenkt, damit ich die Zeit nicht vergesse. Das stand auf der Karte, die bei der Uhr lag, und ich mußte lächeln, weil mich die gelbe Uhr an blondes Haar erinnert. Sie erinnert mich an die Zeit, die ich mit Danny verbracht habe. Auch damals schien die Sonne, zwar meist von Wolken verdeckt, denn es war im Herbst, aber ich erinnere mich an die Sonne. Sie hat mich geblendet, weil ihr Licht ständig in meine Augen fiel, wenn die Wolken mal wieder einen Spalt ließen.
Hier ist es dunkel. Der schwarze Qualm von den Ruinen hebt sich gegen die Nacht ab. Ich würde mir gerne eine Zigarette anzünden, aber das Licht könnte man hinter den Ruinen sehen, und dann wäre ich ein entzückendes Ziel, ein Geschenk für die anderen. Keine Uhr und kein Schal, aber ein Geschenk.
Es muß schon später sein, als ich dachte. Ich höre Gewehre, Explosionen und Lärm. Sie kommen. Sie kommen! Ich muß die Stellung halten.