Die Ausgeburt einer Gedankenfrucht (Sonett)

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Chandrian

Mitglied
Die Ausgeburt einer Gedankenfrucht

Der Kopf, er schreit in hellen Tönen
Weggesperrt hinter vergessnen Türen,
sei träge Verachtung doch zu spüren
und so die Angst vor dem Verhöhnen

Und soll die zweistimmige Stille
summend die Gedankenwelt zertrümmern
glänzender Rausch beginnt zu verkümmern
So bleibt nur noch der eigne Wille

So ruht da einzig unser Blangen,
wartend in den Hoffnungsburgen.
Noch während dröhnend tränen rinnen
beginnt die Welt, sich zu besinnen
Und am Horizont unsrer Verlangen
geht bald auf ein neuer Morgen
 

Chandrian

Mitglied
Vielleicht hat mir jemand einen Ratschlag:
Ich habe immer auf die Anzahl der Silben geachtet, nicht aber, ob sie sie betont oder unbetont sind (wie ich beim erneuten Durchlesen bemerkt habe)
Nun ist es schwierig, einen Lesefluss zu finden, wie zum Beispiel bei vers 2. Worauf sollte ich achten?
(Zu meiner Verteidigung; ich wage mich zum ersten Mal an ein Sonett ran, strenge Formen finde ich sehr schwierig einzuhalten. Die Alliterationen gefallen mir jedoch ganz gut.)

Danke für konstruktive Kritik ;)
 

Tula

Mitglied
Hallo Chandrian

Ich dachte beim erste Lesen, dass das Unmetrische daran sogar Absicht ist. Denn wenn ich auf den Seiten der augenscheinlich hochmodernen Poesie (signaturen?) mal ein Sonett finde, dann bricht es metrisch irgendwie und -wo mit der Tradition bzw. sprengt das Korsett selbst (fliegende Knöpfe der Sprache ... huuhh)

Das gleicht man dann mit sprachlichen Kapriolen aus. In dieser Hinsicht wäre hier mehr drin, obgleich der Titel ja vielversprechend klingt. Der schreiende Kopf z.B. ist ok, aber in hellen Tönen? Ist mir nicht dramatisch genug. Anderes, entschuldige mich, klingt eher schwulstig.

Fazit: ein paar metrische Korrekturen sind möglich. Das eigentliche Manko ist aber die unzureichende Verdichtung. Es braucht keine wilden Metaphern, aber mehr sprachliche Originalität insgesamt. Wie gesagt, der Titel weckte in mir die Erwartung für einen schrägen, leicht verrückten Text. Das muß er gewiss nicht unbedingt sein.

Soweit meine ehrliche Sicht und Kritik.

LG
Tula
 

Chandrian

Mitglied
Hallo Chandrian

Ich dachte beim erste Lesen, dass das Unmetrische daran sogar Absicht ist. Denn wenn ich auf den Seiten der augenscheinlich hochmodernen Poesie (signaturen?) mal ein Sonett finde, dann bricht es metrisch irgendwie und -wo mit der Tradition bzw. sprengt das Korsett selbst (fliegende Knöpfe der Sprache ... huuhh)

Das gleicht man dann mit sprachlichen Kapriolen aus. In dieser Hinsicht wäre hier mehr drin, obgleich der Titel ja vielversprechend klingt. Der schreiende Kopf z.B. ist ok, aber in hellen Tönen? Ist mir nicht dramatisch genug. Anderes, entschuldige mich, klingt eher schwulstig.

Also insgesamt: ein paar metrische Korrekturen sind möglich. Das eigentliche Manko ist aber die unzureichende Verdichtung. Es braucht keine wilden Metaphern, aber mehr sprachliche Originalität insgesamt. Wie gesagt, der Titel weckte in mir die Erwartung für einen schrägen, leicht verrückten Text. Das muß er gewiss nicht unbedingt sein.

Soweit meine ehrliche Sicht und Kritik.

LG
Tula
Vielen Dank für diese tolle Antwort

Der Titel kommt vom der Redewendung "Früchte tragen" und entstand im Zusammenhang mit meinen Gedanken zum Thema, die ich schriftlich festhalten wollte. Natürlich gefällt mir deine Idee des verrückten Textes auch gut, ich schreibe eh sehr gerne so.
Ich glaube, das "Schwulstige" ist Nebenprodukt meines Versuches, ein Sonett korrekt zu schreiben, auch wenn ich mir bewusst bin, dass dies nicht nötig ist. Einige Metaphern gefallen mir jedoch trotzdem, der Anfang, da stimme ich dir voll und ganz zu, ist nicht stark. Trotzdem würde ich gerne wissen, wie ich das mit der sprachlichen Originalität verstehen soll; eher wie eine "Selbstfindung" im Bezug auf den Schreibstil oder gibt es no go's die ich unwissentlich eingebaut habe?

Klar ist es schlussendlich absichtlich auf eben diese Weise unmetrisch, aber zuerst war meine Absicht, das Gedicht gänzlich in einheitlicher Metrik zu schreiben. Dies ist mir nicht so schön gelungen.
Generell bin ich mir nicht sicher, ob der Text für (im Zusammenhang mit dem Gedicht) Unwissende aussagekräftig genug ist.

Jedenfalls bin ich sehr dankbar für deine Antwort, deine Ehrlichkeit und die Zeit fürs lesen.

Mit lieben Grüssen
 

Tula

Mitglied
Hallo Chandrian
Danke auch dir für deine ausführliche Antwort.
Die sprachliche Originalität: nun ja, wie gesagt braucht es keine spektakulären Metaphern. Außerdem findet jeder Autor seine eigene Sprache, oder sollte es zumindest versuchen, man kann nichts schreiben, was einem selbst nicht gefällt. Meinerseits als Leser ist es der Wunsch, 'etwas Neues' zu lesen, keine verreimte normale sondern eben lyrische Sprache. Das kann sehr subtil sein. Umschreiben, Bilder, welche das direkte, 'gewöhnliche' Bild (z.B. rinnende Tränen) ersetzen. Ich weiß, das ist stets sehr schwer.

LG
Tula
 

Chandrian

Mitglied
Meinerseits als Leser ist es der Wunsch, 'etwas Neues' zu lesen, keine verreimte normale sondern eben lyrische Sprache. Das kann sehr subtil sein. Umschreiben, Bilder, welche das direkte, 'gewöhnliche' Bild (z.B. rinnende Tränen) ersetzen. Ich weiß, das ist stets sehr schwer.
Ich verstehe… ich glaube auch, dass mir dies bei Gedichten, die nicht in ein so strenges Schema passen müssen, ein wenig besser gelingt. Aber man lernt ja auch stetig dazu, noch gebe ich nicht auf :)

danke nochmal
Liebe Grüsse
 

Patrick Schuler

Foren-Redakteur
Teammitglied
Aber man lernt ja auch stetig dazu, noch gebe ich nicht auf :)
Ja, warum auch? Potenzial hast du ja reichlich ... Begegnungen machen Menschen, Begegnungen machen Gedichte. Denk einfach immer dran, nicht nur Menschen zu begegnen, sondern auch Gedichten. Dann bin ich mal gespannt, wie deine Gedichte in zwölf Monaten aussehen ;)
 
G

Gelöschtes Mitglied 24194

Gast
Die Ausgeburt einer Gedankenfrucht

Der Kopf, er schreit in hellen Tönen
Weggesperrt hinter vergessnen Türen,
sei träge Verachtung doch zu spüren
und so die Angst vor dem Verhöhnen

Und soll die zweistimmige Stille
summend die Gedankenwelt zertrümmern
glänzender Rausch beginnt zu verkümmern
So bleibt nur noch der eigne Wille

So ruht da einzig unser Blangen,
wartend in den Hoffnungsburgen.
Noch während dröhnend tränen rinnen
beginnt die Welt, sich zu besinnen
Und am Horizont unsrer Verlangen
geht bald auf ein neuer Morgen
da ist ahnung.
 
G

Gelöschtes Mitglied 24194

Gast
Danke fürs Rating und Kompliment.

Mich würde jedoch interessieren, wo du da Ahnung erahnst.
Klar, der Inhalt des Gedichts stimmt für mich nach wie vor - es scheiterte an der Form. War aber sehr lehrreich für mich.

Liebe Grüsse,
Chandrian
chandrian, es ist das klein geschriebene (warum?)
 



 
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