die autorin

mondnein

Mitglied
die autorin


experimentelle gedichte
sie leben von experimenten
der leser mit dem was sie lesen
die tauchen hinein in die zeichen

und deuten verborgene worte
sie lösen der frau in den versen
die fesseln sie öffnet die augen
und singt das gedicht der gedichte

der leser vernimmt ihre rede
und antwortet ganz von alleine
in lockerem fluss seine sätze
sind tanzende versmelodien

gespräche sind sprüche sind wechsel
des du mit dem wir mit der allheit
vom leser entdeckt der die nachricht
im radio hört und versteht sie

die stimme die sachlich verkündet
den weltuntergang und die rettung
die dichterin prustet im leser
den abgesang auf die geschichte

schalt aus sagt sie ihm schalt den kasten
jetzt aus und komm zeig mir dein leben
darin will ich schwimmen wo wohnst du
in dir lebt mein leben dein leben

der leser folgt ihr doch sie springt schon
hinein in sein zimmer und küsst ihn
er kommt ihr entgegen und schlüpft schon
hinein in ihr sein und ihr wesen

und gleitet und fällt durch die meere
des endlosen sinns ihres singsangs
und weisz er schon was es bedeutet
so ist es doch neu und verwirrend

denn nie hat er früher vernommen
gedanken die sie ihm verkündet
doch kennt er das lied ihres hierseins
ich immer bin allgegenwärtig

ich bin ja mein leser wer wäre
denn sonst gegenwärtig und fänd mich
wenn ich mir nicht zeigte die wahrheit
so wahr wie mein ich nur ein ich ist
 

Marcson

Mitglied
Hi Mondnein, wie schön das zu lesen
und doch hab ich meine Probleme.
Das Handwerk ist kaum zu bemängeln,
nur fängt es dadurch an zu leiern.
Die Stärke des Textes, die Metrik
wird plötzlich zur Schwäche. Und Ende.

Also eigentlich finde ich das richtig richtig gut, eben in Bezug auf den handwerklichen Unterbau und hier und da finde ich auch Zugang zu einem Bild oder einem schönen Denkanstoß. Das Technische ist mir aber irgendwie so präsent, dass ich hier und da abglitsche und nur noch darauf achte. Das ist natürlich ein Problem, das erstmal nur mein Lesen betrifft. Ich wollte dir das aber da lassen und vielleicht stößt es ja eine Diskussion an. Weil die verdient der Text allemal, finde ich. Sie würde mich interessieren.
LG
 

mondnein

Mitglied
eigentlich fließen mir solche Verse einfach so aus der Feder, fern von aller Technik, allem Leistungssport und aller Architektur.

Das mit dem "Leiern" wäre natürlich zu bemängeln. Betrifft, wenn damit der regelmäßige Iambus gemeint ist, bestimmt über sechs Siebtel aller deutschen Gedichte, von den gesungenen Liedern ganz zu schweigen.
Und leiern Goethe, Schiller und Benn nicht im Iambus oder im Trochäus, tanzen sie in epischen Hexametern, wo wenigstens die Spondeen, die jeden Hexameter ersetzen können, das Gewalzer synkopieren (musikalischer Ausdruck: die beiden Längen des Spondeus bilden eine Synkope zum schwingenden Dreiertakt der Daktylen).

Aber ich lese gerne Goethe und Benn, und den Vorwurf des "Leierns" scheue ich nicht, es sei denn, mein müder Vortragsstil brächte einen Hörer zum Einschlafen, wenn ich denn einen Hörer hätte.
Aber ich habe nur sehr wenige, geradezu seltene, irgendwie von der Leichtigkeit solcher Gedankenspiele abgeschreckte Leser,
und ich vermisse den Einzelstern von KlausKuckuck mit schmerzendem Herzen.

Danke, Marcson,
fürs Lesen und Kommentieren,

grusz, hansz
 

Marcson

Mitglied
Ich wollte dir nicht auf die Füße treten, habe nun aber das Gefühl das getan zu haben. Ich meine, den Vergleich mit Goethe, Schiller, Benn zu suchen, ist ambitioniert. Mein Ohr sagt: sie tun etwas, das ihre Texte eher nicht leiern lässt, trotz strikter Metrik. Ist es eine andere, vielleicht klangliche Führung? Ist es, dass ein konkretes Bild hier und da aufgerufen wird, das mehr Gewicht hat und vom versprachlichten wegführt? Vielleicht variieren sie doch noch mehr?
Fest steht für mich nur, die machen dann doch oft etwas anders (ohne jetzt den ganzen Katalog intus zu haben, zumindest im Regal stehen alle drei und verstauben nicht) und ich würde nicht jeden metrisch korrekt gesetzten Text als leiernd bezeichnen.
Was ist ein Einzelstern von KlausKuckuck?
 



 
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