die Bestätigung

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Patrick Schuler

Foren-Redakteur
Teammitglied
Sie hatte gar nicht geschrien, dachte er. Sie hat gar keinen Mucks von sich gegeben, sie hat ja nur geschaut. Er wälzte sich im Bett auf die Seite, in seiner Kleidung, denn er hatte sie nicht ablegen wollen als er zu Bett ging, da er unruhig war und vielleicht noch vor die Tür treten wollte. Nur geschaut, mit diesen großen, leeren Augen, ausdruckslosen Augen, großen ausdruckslosen Augen. Wenn sie wenigstens geschaut hätte, wie man eine Spinne anschaut, die im Tührrahmen hängt, ja, das wäre ein Blick, ein richtiger, ein hasserfüllter Blick, als sei die Spinne schuldig, einfach weil sie da hängt, ja, einfach weil sie da hinge, wäre sie schuldig, die Spinne! Aber sie hat bloß geschaut, mit großen, leeren Augen geschaut und sich gar nicht gewehrt, nein sie hatte sich gar nicht gewehrt, dabei hätte sie sich doch wehren müssen, wenigstens ein bischen, wenigstens zu Anfang. Dann hätte sie schnell gemerkt, dass sie schwächer ist, aber sie hätte sich gewehrt, hätte mir gesagt, was für eine schändliche Tat ich begehe, was für ein Mensch ich bin, das hätte sie mir gesagt. Jetzt weiß ich gar nicht, was für ein Mensch ich bin, jetzt weiß ich ja gar nicht, was ich getan habe.


Er wälzte sich im Bett auf. Ich will es wieder tun, dachte er, härter diesmal, unbamherziger, ja, ich werde sie schon dazu bringen, dass sie sich wehrt, dass sie mich anschaut wie ein Insekt, wie eine Spinne, die im Türrahmen hängt. Er zog seine Schuhe an und trat auf die Straße vor das Nachbarhaus. Er klingelte. Als sie ihm die Tür öffnete, standen sich die beiden eine Weile gegenüber, da lächelte sie und flüsterte: "ich vergebe dir". Er aber drehte auf dem Absatz um und weinte bitterlich.
 
Zuletzt bearbeitet:

Blumenberg

Mitglied
Hallo Patrick,

das ist zwar ein kurzer, aber trotzdem sehr gelungener Prosatext. Mir gefällt die Textstruktur sehr gut. Sprachlich zögerlich, wiederholdend und immer leicht variierend, wie ein Taumeln oder der Griff nach etwas, was sich doch immer wieder entzieht. Das passt hervorragend zu der Reflexion des Protagonisten, der selbst nicht so recht zu wissen scheint, was denn dort genau mit ihm passiert ist. Auch das Ende finde ich überraschend und gelungen.

Liebe Grüße

Blumenberg
 
G

Gelöschtes Mitglied 14616

Gast
Hallo Patrick,
dein Text hat mich mitgerissen, wie ein Strudel. Sehr intensiv, dieser innere Dialog.

LG
Cellist
 

Patrick Schuler

Foren-Redakteur
Teammitglied
Cool, dass ihr euch gemeldet habt, weil ich selber doch irgendwie unzufrieden bin mit dem Text, ohne dass ich genau sagen könnte warum. Umso mehr freut mich euer Lob. :)

L.G euch beiden
Patrick
 



 
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