Tenebrula
Mitglied
Die Betrügerin (2.Version)
Er betritt die alte Kneipe im Hafen, die sich Zeit seines Lebens nicht verändert hat. Ein paar Jahre ist er nicht mehr hier gewesen, doch nun empfangen ihn wieder die dunkel lasierten Thekenstühle, das allgegenwärtige Gemurmel der Gäste und der Tabakrauch unter den bleiverglasten Lampenschirmen.
Auf dem Weg zum Stammtisch seiner Freunde kommt er an zwei auffällig geschminkten Frauen vorbei. Eine davon ist jung und hat ein hübsches Gesicht, die Ältere lächelt ihn an, als sich ihre Blicke begegnen. Ihre spitzen Zähne erinnern ihn entfernt an eine Ratte; er schaut weg.
Seine Freunde kommen, sie spielen Karten, philosophieren und machen Witze über die Hure mit den Rattenzähnen. Die Kneipe füllt sich, ein Bierglas fällt von der Theke, ein Gast vom Stuhl. Irgendjemand stimmt ein derbes Lied an. Als die Nacht zu Ende geht, wird es wieder stiller, er spielt immer noch und beobachtet dabei die beiden Frauen aus den Augenwinkeln. Dann geht die Jüngere mit einem Fremden fort, die Ältere bleibt sitzen und hört nicht auf, Wodka zu trinken. Der Wirt öffnet die Tür, um frische Morgenluft hereinzulassen. Seine Freunde gehen nach Hause. Nun sitzt niemand mehr zwischen ihm und der seltsamen Frau. Abermals sieht er zu ihr herüber, doch sie lächelt nicht mehr. Sie nickt.
Als die Kneipe schließt, geht sie mit ihm auf die Straße. Sie bleibt bei ihm. Es ist ganz kalt.
Einmal reden sie. Er fragt: „Alle hassen dich. Haben sie Angst vor dir?”
Sie bleibt stehen und schaut ihn an: „Du weißt, warum.” Ihre Augen sind voller Leben.
Er packt sie. "Alle halten dich für eine Hure und du gehst mit ihnen und tust so, als verkauftest du dich. Aber du bist eine Betrügerin, denn du suchst sie dir aus. Und nun hast du mich ausgesucht, denkst vielleicht, dass ich anders bin. Du willst mich! -- Aber so läuft das nicht. Was bildest du dir ein?”
Und er schlägt sie, schlägt sie mitten ins Gesicht und läuft durch die kalten, nebligen Straßen davon.
(1999 - 2021)
Er betritt die alte Kneipe im Hafen, die sich Zeit seines Lebens nicht verändert hat. Ein paar Jahre ist er nicht mehr hier gewesen, doch nun empfangen ihn wieder die dunkel lasierten Thekenstühle, das allgegenwärtige Gemurmel der Gäste und der Tabakrauch unter den bleiverglasten Lampenschirmen.
Auf dem Weg zum Stammtisch seiner Freunde kommt er an zwei auffällig geschminkten Frauen vorbei. Eine davon ist jung und hat ein hübsches Gesicht, die Ältere lächelt ihn an, als sich ihre Blicke begegnen. Ihre spitzen Zähne erinnern ihn entfernt an eine Ratte; er schaut weg.
Seine Freunde kommen, sie spielen Karten, philosophieren und machen Witze über die Hure mit den Rattenzähnen. Die Kneipe füllt sich, ein Bierglas fällt von der Theke, ein Gast vom Stuhl. Irgendjemand stimmt ein derbes Lied an. Als die Nacht zu Ende geht, wird es wieder stiller, er spielt immer noch und beobachtet dabei die beiden Frauen aus den Augenwinkeln. Dann geht die Jüngere mit einem Fremden fort, die Ältere bleibt sitzen und hört nicht auf, Wodka zu trinken. Der Wirt öffnet die Tür, um frische Morgenluft hereinzulassen. Seine Freunde gehen nach Hause. Nun sitzt niemand mehr zwischen ihm und der seltsamen Frau. Abermals sieht er zu ihr herüber, doch sie lächelt nicht mehr. Sie nickt.
Als die Kneipe schließt, geht sie mit ihm auf die Straße. Sie bleibt bei ihm. Es ist ganz kalt.
Einmal reden sie. Er fragt: „Alle hassen dich. Haben sie Angst vor dir?”
Sie bleibt stehen und schaut ihn an: „Du weißt, warum.” Ihre Augen sind voller Leben.
Er packt sie. "Alle halten dich für eine Hure und du gehst mit ihnen und tust so, als verkauftest du dich. Aber du bist eine Betrügerin, denn du suchst sie dir aus. Und nun hast du mich ausgesucht, denkst vielleicht, dass ich anders bin. Du willst mich! -- Aber so läuft das nicht. Was bildest du dir ein?”
Und er schlägt sie, schlägt sie mitten ins Gesicht und läuft durch die kalten, nebligen Straßen davon.
(1999 - 2021)
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