Sie sind inzwischen sehr selten geworden, die kleinen traditionellen Läden, deren Inhaber die letzten Hüter ihrer alten Handwerkskunst sind. Doch wer mit offen Augen durch die verwinkelten Seitenstraßen der Altstadt bummelt, kann sie noch hier und da entdecken. Beim Betreten überkommt einem das überwältigende Gefühl, in die Vergangenheit zu reisen. Die Perlen Manufaktur in der Turmgasse ist eine solche Zeitkapsel.
Ein helles Glöckchen an der Ladentüre kündigt freudig neue Kundschaft an. Gemächlich öffnet der alte Mann hinter dem Theresen seine Augen. Ein junges Mädchen mit zwei liebevoll geflochtenen Zöpfen schreitet fröhlich über die breiten Holzdielen auf ihn zu.
„Guten Tag, kleines Fräulein“, begrüßt sie der Inhaber und schiebt seine Drahtbrille den Nasenrücken hoch.
„Guten Tag. Ich möchte bitte eine bunte Perle kaufen“, antwortet das Mädchen und breitet stolz auf Zehenspitzen ihr Taschengeld auf dem Tresen aus.
„Eine bunte Perle?“, überlegt der Alte erstaunt.
„Ja, eine Bunte. Mit Blau, Grün, Weiß und Gelb ... Sowas gibt es doch, oder?“, fragt sie verunsichert nach.
„Ohja, gewiss, gewiss...“, kann er sie beruhigen, „Ich sehe die junge Dame ist eine echte Kennerin. Das sind in der Tat die Schönsten. Aber auch die Aufwändigsten ... Lebendige Kunstwerke und begehrte Sammlerstücke...“, der Meister hält einen kurzen Moment inne und fährt sich mit der Hand durch sein weißes, zerzaustes Haar, ehe er fortfährt, „Und deshalb auch die Teuersten ... Ich befürchte, dafür wird dein Geld nicht ausreichen. Ich selbst habe nur ein paar erlesene Exemplare hier ... Aber zahllose andere. Sieh dich um!“, er lässt seinen Blick auffordernd durch den Raum gleiten. Vorbei an zahlreichen Vitrinen aus Holz und Glas, mit goldenen Verzierungen. Doch sie will seinen Blick nicht folgen und lässt stattdessen ihren Kopf wieder enttäuscht sinken. „Wie wäre es denn mit einer rot-braun marmorierten?“ Er deutet auf einen kleinen Aufsteller neben dem Tresen. „Was ist denn deine Lieblingsfarbe?“
„Das ist egal. Sie ist ja nicht für mich, sondern für Mama.“
„Achso, ich verstehe“, schmunzelt der Alte, „Und morgen ist Muttertag, nicht wahr?!“
„Genau. Und Mama hat gesagt, dass sie sich früherer immer eine bunte Perle gewünscht hat. Aber nie eine bekommen hat und deshalb sehr traurig war. Und ich will nicht, dass sie morgen traurig ist.“
„Aber keineswegs, meine Kleine!“, lächelt der Perlenverkäufer und erhebt sich. Er wendet sich zu seinem Arbeitstisch, der direkt an den Tresen anschließt und beginnt ihn hektisch zu durchsuchen. Das kleine Mädchen zieht sich erneut gespannt auf Zehenspitzen hoch, um ihn dabei zu beobachten, während er allerlei Utensilien von links nach rechts und erneut nach links schiebt, scheinbar willkürlich Schubladen aufzieht, durchwühlt und wieder schließt. Zusammenhanglose Halbsätze sprudeln dabei durch seine blassen Lippen.
Es liegt eine bedrückende Stimmung im Raum, bis sie der Inhaber mit einem freudigen: „Ha! Das ist es ja!“, erwartungsvoll kippt. Mit einer Mischung aus Stolz und Erleichterung schiebt er ihr Taschengeld beiseite und präsentiert seiner jungen Kundin ein Collier: Im Zentrum strahlt eine große, weiß-gelbliche Perle, um sie herum kreisen zahlreiche andere in verschiedenen Größen und Farben. Und mitten unter ihnen, zunächst unscheinbar, aber dennoch magisch anziehend, sticht eine bunte Perle hervor.
„Es ist wunderschön, nicht wahr?“ Das Mädchen nickt zustimmend. „Mein letztes Meisterwerk. Die Krönung meiner Schöpfung. Wunderschön... Aber leider völlig wertlos.“ Wehmut drückt auf seine Stimme. Auf die Frage nach dem warum, zieht er ein wuchtiges Vergrößerungsglas an einem Schwenkarm vor das Collier. „Siehst du die grauen Verfärbungen hier?“
Das Mädchen zieht sich mit aller Kraft hoch, um einen Blick durch das Glas zu werfen. Sie nickt: „Was ist das?“
„Das ist ein Tumor. Inzwischen breitet er sich explosionsartig aus“, erklärt er grämig.
„Kann man da nichts tun?“, fragt das Mädchen besorgt und lässt sich zurück, auf die Versen sinken.
„Hätte ich es früher bemerkt, sicherlich. Aber leider war ich in letzter Zeit etwas ... nachlässig. Jetzt hilft nur noch Bestrahlen. Aber das würde auch sofort die schönen Farben zerstören. Und es dauert Monate, bis sie langsam wieder zurückkehren... Und Muttertag ist ja schließlich schon morgen... Aber keine Sorge, ich habe da schon eine Idee“, versichert er ihren traurigen Augen, „Ich werde sie dir versiegeln. Dann wird sie noch lange ihre Schönheit bewahren.“
Wenig später verabschiedet das Glöckchen an der antiken Ladentüre freundlich das Mädchen. Überglücklich rennt sie der Turmgasse entlang. Und nur sie und der alte Mann wissen, welchen Schatz sie in ihrer Tasche trägt. Einen Schatz, der die ganze Welt bedeutet.
Ein helles Glöckchen an der Ladentüre kündigt freudig neue Kundschaft an. Gemächlich öffnet der alte Mann hinter dem Theresen seine Augen. Ein junges Mädchen mit zwei liebevoll geflochtenen Zöpfen schreitet fröhlich über die breiten Holzdielen auf ihn zu.
„Guten Tag, kleines Fräulein“, begrüßt sie der Inhaber und schiebt seine Drahtbrille den Nasenrücken hoch.
„Guten Tag. Ich möchte bitte eine bunte Perle kaufen“, antwortet das Mädchen und breitet stolz auf Zehenspitzen ihr Taschengeld auf dem Tresen aus.
„Eine bunte Perle?“, überlegt der Alte erstaunt.
„Ja, eine Bunte. Mit Blau, Grün, Weiß und Gelb ... Sowas gibt es doch, oder?“, fragt sie verunsichert nach.
„Ohja, gewiss, gewiss...“, kann er sie beruhigen, „Ich sehe die junge Dame ist eine echte Kennerin. Das sind in der Tat die Schönsten. Aber auch die Aufwändigsten ... Lebendige Kunstwerke und begehrte Sammlerstücke...“, der Meister hält einen kurzen Moment inne und fährt sich mit der Hand durch sein weißes, zerzaustes Haar, ehe er fortfährt, „Und deshalb auch die Teuersten ... Ich befürchte, dafür wird dein Geld nicht ausreichen. Ich selbst habe nur ein paar erlesene Exemplare hier ... Aber zahllose andere. Sieh dich um!“, er lässt seinen Blick auffordernd durch den Raum gleiten. Vorbei an zahlreichen Vitrinen aus Holz und Glas, mit goldenen Verzierungen. Doch sie will seinen Blick nicht folgen und lässt stattdessen ihren Kopf wieder enttäuscht sinken. „Wie wäre es denn mit einer rot-braun marmorierten?“ Er deutet auf einen kleinen Aufsteller neben dem Tresen. „Was ist denn deine Lieblingsfarbe?“
„Das ist egal. Sie ist ja nicht für mich, sondern für Mama.“
„Achso, ich verstehe“, schmunzelt der Alte, „Und morgen ist Muttertag, nicht wahr?!“
„Genau. Und Mama hat gesagt, dass sie sich früherer immer eine bunte Perle gewünscht hat. Aber nie eine bekommen hat und deshalb sehr traurig war. Und ich will nicht, dass sie morgen traurig ist.“
„Aber keineswegs, meine Kleine!“, lächelt der Perlenverkäufer und erhebt sich. Er wendet sich zu seinem Arbeitstisch, der direkt an den Tresen anschließt und beginnt ihn hektisch zu durchsuchen. Das kleine Mädchen zieht sich erneut gespannt auf Zehenspitzen hoch, um ihn dabei zu beobachten, während er allerlei Utensilien von links nach rechts und erneut nach links schiebt, scheinbar willkürlich Schubladen aufzieht, durchwühlt und wieder schließt. Zusammenhanglose Halbsätze sprudeln dabei durch seine blassen Lippen.
Es liegt eine bedrückende Stimmung im Raum, bis sie der Inhaber mit einem freudigen: „Ha! Das ist es ja!“, erwartungsvoll kippt. Mit einer Mischung aus Stolz und Erleichterung schiebt er ihr Taschengeld beiseite und präsentiert seiner jungen Kundin ein Collier: Im Zentrum strahlt eine große, weiß-gelbliche Perle, um sie herum kreisen zahlreiche andere in verschiedenen Größen und Farben. Und mitten unter ihnen, zunächst unscheinbar, aber dennoch magisch anziehend, sticht eine bunte Perle hervor.
„Es ist wunderschön, nicht wahr?“ Das Mädchen nickt zustimmend. „Mein letztes Meisterwerk. Die Krönung meiner Schöpfung. Wunderschön... Aber leider völlig wertlos.“ Wehmut drückt auf seine Stimme. Auf die Frage nach dem warum, zieht er ein wuchtiges Vergrößerungsglas an einem Schwenkarm vor das Collier. „Siehst du die grauen Verfärbungen hier?“
Das Mädchen zieht sich mit aller Kraft hoch, um einen Blick durch das Glas zu werfen. Sie nickt: „Was ist das?“
„Das ist ein Tumor. Inzwischen breitet er sich explosionsartig aus“, erklärt er grämig.
„Kann man da nichts tun?“, fragt das Mädchen besorgt und lässt sich zurück, auf die Versen sinken.
„Hätte ich es früher bemerkt, sicherlich. Aber leider war ich in letzter Zeit etwas ... nachlässig. Jetzt hilft nur noch Bestrahlen. Aber das würde auch sofort die schönen Farben zerstören. Und es dauert Monate, bis sie langsam wieder zurückkehren... Und Muttertag ist ja schließlich schon morgen... Aber keine Sorge, ich habe da schon eine Idee“, versichert er ihren traurigen Augen, „Ich werde sie dir versiegeln. Dann wird sie noch lange ihre Schönheit bewahren.“
Wenig später verabschiedet das Glöckchen an der antiken Ladentüre freundlich das Mädchen. Überglücklich rennt sie der Turmgasse entlang. Und nur sie und der alte Mann wissen, welchen Schatz sie in ihrer Tasche trägt. Einen Schatz, der die ganze Welt bedeutet.