Die Chinesin

Klaus K.

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Die Chinesin

Hervorragend, wirklich hervorragend. Das hatte geklappt, endlich, und gerade im richtigen Moment. Ein paar Unterschriften von mir, das Blabla von dem Rechtsverdreher, der vor mir saß, hatte ich kaum wahrgenommen. Endlich! Ich hatte geerbt, und wie!
Irgendein Cousin aus Frankreich von mir, völlig unbekannt, vielleicht hatten wir uns als Kinder auf einer der damals noch zelebrierten Familienzusammenkünfte bereits mal gesehen.
Und ich war jetzt der einzige Erbe, alles überprüft, alles rechtens.
So die Kunde der Notar-Fraktion, die Paragraphenbieger hatten über ein Jahr gebraucht, um das wasserdicht bestätigen zu können, alle Behörden waren einverstanden. Alle? Das Finanzamt stand noch aus, die Beutelschneider vom Vater Staat zückten wahrscheinlich bereits ihre Bleistifte, um mich dann bald mit ihrer Erbschaftssteuer zu beglücken! Ist mir jetzt aber egal, denn dieser Cousin aus einem Nebenzweig unserer ehemals weitläufigen Familie hatte richtig viel angehäuft. Bares, hehe. Und Aktien. Und dazu noch irgendein größeres Stück Land im Perigord. Den Schätzwert hatte ich gesehen, das darauf befindliche Gebäude auch. Eher eine Scheune, denn mein Erblasser hatte selbst äußerst feudal in Paris zur Miete gewohnt. Das Mobiliar dort ging dann in eine Auktion, ich hatte keine Lust auf derartige Aktivitäten. Bares ist Wahres. Und das hatte ich jetzt wieder, die Gerechtigkeit hatte gesiegt. Mein Bankkonto wurde bereits vollgepumpt. So ist es recht, so muss das sein. Das ist Gerechtigkeit. Schließlich hatte ich bis jetzt über zehn Jahre Verzicht auf standesgemäßen Luxus üben müssen.

Charles, mein treuer Butler, wartete draußen im Wagen auf mich.
Mein Wagen? Ein Mercedes-Benz Diesel, Baujahr 1992. Na, das würde ich wohl zuerst ändern, demnächst. Unter einem Bentley ging dann nichts mehr, von wegen "Alter westfälischer Landadel, total verarmt". Die Zeiten waren jetzt vorbei, verarmt, das war einmal. Zuerst würde ich mein halb verfallenes Schlösschen mal auf Vordermann bringen lassen. Wer hat, der hat.

Zuhause angekommen prüfte Charles zuerst den Posteingang.
"Durchlaucht, da ist eine Anfrage von einem chinesischen Botschaftsmitglied, er bittet um eine Audienz!"
Ich hatte es mir gerade auf meinem Lieblingssessel bequem gemacht, meinem leicht erhöht angebrachten Thron. Erstmal entspannen, aber es ging ja sofort wieder los.
"Hä? Chinesische Botschaft? Ich kaufe keinen Reis von denen, weiß Er, was der hier bei uns will?"
"Man bittet nur um einen passenden Termin, Durchlaucht. Sonst geht aus dem Schreiben nichts weiter hervor."
"Von mir aus, soll er halt kommen! Suche Er einen passenden Tag aus! Und nicht zu früh dann, ich brauche meinen Schlaf!"
"Sehr wohl, Eure Durchlaucht!"
Charles würde es schon richten, ich konnte mich auf ihn verlassen.

Drei Tage später fuhr dann eine Limousine vor. Groß, schwarz, Modell unbekannt. Ein wahres Schiff, mit einem klitzekleinen Fahrer, der ein lächerliches Käppchen trug. Im Fond saßen zwei Personen, die dann von Charles zu mir hereingelassen wurden.
Ein Mann, eindeutig ein Chinese, in einem mausgrauen Anzug.
Er war ungefähr fünfzig Jahre alt, schätzte ich. Dazu dann ein weibliches Wesen, auch erkennbar aus dem Land der aufgehenden Sonne, aber ... Ich schnappte förmlich nach Luft!
Sie war bildhübsch, vielleicht Ende vierzig, elegant gekleidet in eine Art Hosenanzug, dazu ein gelbes Oberteil. Weiterhin eine tolle Frisur, im schwarzen Haar eine kleine rote Blume. Und sie war so zierlich, so anmutig, dazu das Lächeln. Ich war hin und weg.

Ihr Begleiter stellte sich vor, ich verstand kein Wort. Chinesisch war das anscheinend, Mandarin, oder war das Orange oder Zitrone? Da fehlt doch ein "e"! Aber dann sprach sie, akzentfrei in einwandfreiem Hochdeutsch.
"Mein Bruder begrüßt Sie! Ich bin nur die Übersetzerin, mein Name ist Yuan TsePang! Er selbst ist Mao TsePang, er wird gleich sprechen, doch zuvor ein bescheidenes Gastgeschenk aus unserem Land für Sie!"
Ihr Bruder überreichte mir jetzt ein kleines Päckchen, welches er in der Hand gehalten hatte.
Ich vermutete Mandarinenlikör, denn er hatte den Deckel der Schachtel halb geöffnet, die er mir jetzt überreichte. Darin erkannte ich sofort eine Flasche mit versiegeltem Verschluss.
Ich bedankte mich, reichte das Gastgeschenk dann sofort an meinen Butler weiter. Dann bedeutete ich den Geschwistern mit einer höflichen Geste, auf dem Sofa in der Sitzecke am Kamin Platz zu nehmen und setzte mich ihnen gegenüber in einen Sessel.
"Was darf man Ihnen anbieten? Kaffee, Tee, Wasser, Fruchtsäfte?" fragte ich. Meine Gäste tauschten einige Worte aus, dann antwortete sie, diese Augenweide, dieses Wunderwerk der Zartheit, dieser Traum jedes dafür sensiblen Mannes!
"Bitte ein Wasser für meinen Bruder, und einen Kaffee für mich..."
"Selbstverständlich gerne! Charles! Kaffee auch für mich! Und subito, bitte!"
"Mit Vergnügen, Durchlaucht!"
Mein bezauberndes weibliches Gegenüber lehnte sich zurück.
"Darf ich fragen? Ist Ihre Frau nicht da?"
Holla, das war ziemlich direkt.
"Ich bin nicht verheiratet. Aber ich beschäftige einen exzellenten Butler. Sehen Sie, da ist er schon wieder, alles wird geliefert wie gewünscht! Kaffee, drei verschiedene Mineralwasser zur Auswahl, Milch und Zucker, Sahne....bitte bedienen Sie sich!"
Sie beugte sich jetzt etwas vor, wegen des silbernen Sahnekännchens. Ich war ihr dabei behilflich, indem ich den Untersetzer in ihre Richtung schob.
Wir kamen uns näher, sozusagen. Und ich roch dieses Parfum von ihr! Lotosblüten, vermutete ich, und atmete tief ein. Sie bemerkte das, lächelte mich an, sagte aber nichts.
"Nun zum Grund unseres Besuches, wenn Sie gestatten?"
"Aber ja, was führt Sie zu mir?" antwortete ich.
"Durch unsere chinesischen Kollegen in Frankreich hat mein Bruder erfahren, dass Sie über ein Stück Land im Perigord verfügen. Steht es zum Verkauf? Mein Bruder wäre sehr daran interessiert!"
Sie fixierte mich jetzt. Ich blickte zu ihr zurück, denn das gefiel mir. Aber dann wandte ich mich an ihren Bruder und schaute ihn an.
"Warum wollen Sie denn mein Land dort erwerben?"
Seine Schwester übersetzte. Dann antwortete er, und sie übersetzte sofort zurück.
"Mein Bruder meint, etwas Landeigentum in Europa sei eine vernünftige Entscheidung. Im Gegenzug ist es ja auch Ihnen möglich, dies in unserem Land zu tun."
"Da brauchen Sie in meinem Fall keine Befürchtungen zu haben! Ich bleibe hier! Und wenn eine hübsche und reizende Dame zu mir kommt, gehe ich hier keinen Zentimeter weg!"
Hallo, ganz aus der alten Kiste! Oder war das einfach alte Schule? Galant, galant, Ihro Durchlaucht!

Das waren meine Gedanken. Ich blickte sie dabei jetzt wieder an. Kann es sein, dass sie sogar leicht errötete? Zumindest bemerkte ich ein Lächeln, ein starkes Lächeln bei ihr. Dann strahlte sie mich an, ich konnte dabei ihre perlweißen Mausezähnchen sehen! Hallelujah, was für eine Frau!
Mir wurde leicht schwindelig, ich musste vorsichtig sein. Und ich musste sie unbedingt wiedersehen, der Kontakt musste vertieft werden, denn ich saß bereits fest in der Mausefalle! So verblödet bin ich ja auch noch nicht, dass ich das nicht merkte!
Ich musste jetzt erst einmal mehr über sie erfahren. Also langsam, Hubertus Moritz von und zu Wackenhorst! Ganz langsam!

"Tja, mein Grund und Boden in Frankreich. Hmm. Wollen Sie und Ihr Bruder dann dort gemeinsam leben?"
"Nur mein Bruder, mit seiner Familie, später dann vielleicht. Ich bin nicht verheiratet, wissen Sie, habe auch keine Kinder. Er will dort eine Art Altersruhesitz, darum geht es ihm."
Ich hörte die Glocken läuten! Unverheiratet! Ledig! Ein hoffentlich erfolgreicher Eroberungszug stand mir bevor!
"Ich verstehe, also ein reines Privatinteresse. Ja, was soll ich sagen ..."
Ihr Bruder schaltete sich jetzt wieder ein und sprach sie leise von der Seite an.
"Mein Bruder fragt, ob Sie grundsätzlich zu einem Verkauf bereit wären?"
"Das könnte ich mir eventuell vorstellen. Allerdings muß ich gestehen, dass ich soeben überfordert bin, denn damit hatte ich nicht gerechnet. Ich muss mich also erst selber über meinen Besitz informieren, bevor ich dazu mehr sagen kann. Sie verstehen das sicherlich, oder?" Sie übersetzte.
"Haben Sie denn eine ungefähre Größenordnung, wie hoch Ihre Preisvorstellung ausfallen könnte? Mein Bruder meint, die Größe und die Lage Ihres Besitzes könnte Ihnen doch sicher bereits bekannt sein?"

Vorsicht jetzt, Hubertus Moritz! Meine Unterlagen hatten einen Wert von cirka 800.000 Euro ausgewiesen.

"Ich schätze, unter einer Million Euro werde ich es nicht abgeben können. Das Gelände ist extrem groß, reine Natur, die Scheune ist dabei ohne Belang, kein Ackerbau, keine Felder, nur Wald und Wiesen, dazu der kleine Flusslauf. Wie gesagt, ich muß mich erst einmal selber kundig machen, es tut mir leid, aber mehr kann ich im Moment dazu nicht sagen!"

Mit dem Kaufpreis runtergehen konnte ich immer noch. Zuerst einmal will ich dich wiedersehen, meine Schöne! Und dazu musst du wiederkommen, damit ich dich einfangen kann. Dein Bruder und mein Grundstück sind mir egal, sobald ich dich in meinem Schlösschen habe, kann er es umsonst haben.
Sie hatte wieder übersetzt.
"Das klingt gut, meint mein Bruder. Mit Ihrer Preisvorstellung ist er auch einverstanden, er hat damit gerechnet. Wie verbleiben wir jetzt?"
"Geben Sie mir ein paar Tage Zeit, bitte! Ich melde mich dann. Hauptsache, Sie kommen wieder, und ich meine dabei nicht nur Sie beide ..."
Hallo, war das zu deutlich? War das zuviel des Guten?
Nein, sie strahlte jetzt über das ganze bildhübsche Gesicht!
"Aber ja, ich freue mich, wenn wir uns wiedersehen können! Vielen Dank für den Moment, und ich warte auf Ihren Anruf!"
Sie wartet auf meinen Anruf! Und nicht "Wir warten auf Ihren Anruf!"! Ja, man sollte immer zwischen den Zeilen lesen!

Wir verabschiedeten uns. Dann war ihr Wagen weg, dann war unsere Eingangstür erst einmal zu.
"Charles!"
"Durchlaucht wünschen`"
"Cognac! Doppelt! Für Sie und für mich!"
"Subito, Durchlaucht!"

"Was wissen wir über mein Stück Land mitten in Frankreich, außer dass es sich im Perigord befindet, Charles?"
"Lascaux fällt mir ein, Durchlaucht. Diese Höhle mit den unglaublichen steinzeitlichen Wandmalereien! Wir sind doch von Clermont-Ferrand über die Route Nationale damals nach Biarritz gefahren, da kamen wir durch Orte wie Brive-la-Gaillarde, dann Perigueux....das ist die Gegend, da liegt auch irgendwo Lascaux dazwischen. Trüffel gibt es da, dafür ist die Gegend auch bekannt."
"Genau! Trüffel. Von mir aus. Ist die Schätzung bezüglich des Wertes denn seriös?"
"Ich habe das überprüft, Durchlaucht. Absolut, wenn nicht sogar etwas zu optimistisch. Die Preise dort sind sehr niedrig, da man von der Regierungsseite in Paris jede Ausweisung als Bauland untersagt hat. Man kann dort jagen, fischen, Trüffel suchen, das war es dann aber auch. Natur pur."
"Und warum will der Chinese es dann haben, wenn er dort nicht bauen darf? Die alte verfallene Scheune ist dann dafür kein Freibrief, oder?"
"Auf gar keinen Fall! Die ist nicht einmal im Grundbuch verzeichnet, die wurde schwarz hingestellt, vor ewigen Zeiten."
"Seltsam, sehr seltsam. Das sollte unser Mann aus China doch eigentlich auch wissen. Seltsam."

Bereits am nächsten Tag hielt ich es nicht mehr aus. Ich rief an, denn ich musste sie wiedersehen. Es lief alles nach Wunsch, bereits morgen würden wir uns wieder treffen. Ja, mein Herz klopfte, und ich war nervös. Verdammt nervös.
"Willkommen zurück! Sie sehen bezaubernd aus!"
Ihr Bruder stieg gerade auf der anderen Seite aus dieser riesigen Limousine, es konnte bei ihr daher kein Mißverständnis aufkommen. Zudem würde man ja niemals einen Mann so begrüßen.
"Vielen Dank!"
Es gibt Frauen, denen steht einfach alles.Vielleicht war mein Blick inzwischen etwas verklärt, was sie anbelangte. Sie hätte auch in Sack und Asche kommen können, aber nun, das hellblaue Kleid stand ihr einfach ausgezeichnet. Ja, ihr Frauen! Es soll noch wirklich Männer geben, die das alles registrieren. Der Anteil der depperten Trolle wird zwar immer größer, achtet also umso mehr auf den verbliebenen Rest!

Nach der Begrüßung setzten wir uns wieder an meinen Kamin, Charles besorgte die Getränke, Kaffee und Wasser, alles wie gehabt. Das bezaubernde hellblaue Wesen räusperte sich.
"So, mein Bruder hat ebenfalls etwas recherchieren können in der Zwischenzeit. Primär in Frankreich. Leider kann Ihr Land per Gesetz auf gar keinen Fall bebaut werden, das wurde jetzt erst eindeutig klar. Das ist sehr schade, denn damit bliebe immer nur der Aufenthalt in einem Wohnmobil übrig."
"Ich habe die gleiche Auskunft erhalten. Und was bedeutet das jetzt hinsichtlich Ihres Kaufinteresses?"
Sie übersetzte, er antwortete ihr.
"Mein Bruder meint, er hätte noch Interesse. Aber dann nur zu einem erheblich reduzierten Kaufpreis. Denn jetzt handelt es sich nur noch um ein Spekulationsobjekt. Bei einem Regierungswechsel in Frankreich, vielleicht ändern sich die Bestimmungen dann, vielleicht können die Departements dann darüber eigenständig entscheiden...aber es bleibt eine Spekulation."
"Das stimmt. Wieviel würde Ihr Bruder jetzt noch dafür investieren wollen?"
Die Antwort kam dann von ihm sehr schnell. Eine Übersetzung erübrigte sich, da er diesmal englisch sprach.
"300.000 Euro."
"Sagen Sie ihm bitte, dass es sogar eine Möglichkeit gäbe, bei der er es umsonst bekäme - also überhaupt nichts dafür bezahlen bräuchte!"
"Bevor ich das übersetze: Wie soll das gehen, wie meinen Sie das?"
Sie schaute mich dabei an wie ein waidwundes Reh!
Jetzt oder nie! Niederlage? Niemals!
"Ganz einfach! Indem er mein Schwager würde!"

Das hatte ich gut gemacht. Sehr gutes Timing, perfekt argumentativ auf mein Ziel ausgerichtet. Ich bin eben ein wahrer Stratege!

Bei ihr musste kein Groschen erst einmal fallen, dafür war sie viel zu intelligent. Sie verstand sofort. Dass ein so zartes Wesen so rot werden kann, das hatte ich nicht erwartet. Und wie sie sich dann bei der Übersetzung gegenüber ihrem Bruder mit ihrem hochroten Köpfchen verhaspelte, das merkte sogar ich. Dann drehte sie sich zu mir um.
"Mein Bruder sagt, er wolle seine Entscheidung immer nur völlig losgelöst von mir treffen. Sie wollen verkaufen, er will kaufen. Er bietet 300.000 Euro, und er muß in ein paar Tagen für einige Wochen ins Ausland. Daher möchte er dieses Geschäft mit Ihnen möglichst noch vorher abwickeln. Ich bin dabei für ihn komplett außen vor, und ich muß ihn auf seiner Reise begleiten."
"Und was ist mit Ihnen? Ich möchte Sie unbedingt noch näher kennenlernen, wenn Sie das erlauben. Und mein Vorschlag gerade, das war kein Spaß. Ich meine das ernst. Sie wissen das, Sie spüren das."
"Geben Sie mir noch etwas Zeit. Wir werden das gemeinsam angehen, sobald ich zurück bin. Einverstanden?"
"Sie machen mich sehr glücklich. Aber mehr werde ich jetzt nicht mehr sagen. Gute Reise, ich freue mich auf Sie und wünsche mir nur, dass Sie bereits zurück wären!"
Wir verabschiedeten uns. Ich hatte einen Kloß im Hals. Hatte sie Tränen in den Augen?

Zwei Tage später trafen sich ihr Bruder und ich bei meinem Notar, zwecks des Kaufvertrages und der Übertragung meines Besitzes. Dabei war dann ein offiziell vereidigter Dolmetscher zugegen, sie leider nicht. Alles lief glatt, das Geld war umgehend auf meinem Konto und ich war mein französisches Engagement los. Ich hatte etwas veräußert, was ich selber noch niemals vorher gesehen, geschweige denn betreten hatte.

"Charles! Wir fahren ins Perigord, nach Lascaux! Packen, volltanken, und ab geht es! Ich muß auf andere Gedanken kommen, es sind erst zwei Wochen vorbei, seit sie weg ist!"
"Sehr wohl, Durchlaucht! Das wird dann gleich die Jungfernfahrt für den neuen Bentley!"
"Die Karte nicht vergessen!"
"Auf keinen Fall, Durchlaucht. Gut, dass wir die Kopien noch haben!"

Wir fuhren direkt nach Brive-la-Gaillarde, in einem Rutsch. Dort übernachteten wir dann in einem Hotel. Am nächsten Morgen ging es weiter nach Lascaux. Seltsam, da war gar nicht viel los. Zahlreiche Schilder wiesen den Weg zur "Cave prehistorique". Kulturerbe überall, aber keine Besucher. Der Eingang war versperrt. Restlos gesperrt. In allen möglichen Sprachen. Und da gab es dann die Hinweise auf Höhlen an anderen Orten. Eigenartig!

Was war hier los? Die Polizei war auch vor Ort, zum Glück. Ich fragte also nach. Hier die originalen Antworten von offizieller Seite:

"Die ursprünglich entdeckte steinzeitliche Höhle mit ihren einzigartigen Wandmalereien ist selbstverständlich immer noch hier. Der Zugang ist aber nur noch den untersuchenden Wissenschaftlern erlaubt. Der Hintergrund dafür ist, dass sich durch die täglichen Unmengen von Besuchern in der Höhle die Parameter wie Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Lichteinfall, Beleuchtung schädlich ausgewirkt haben. Die Felszeichnungen hatten derart stark gelitten, dass man den Zugang für die Öffentlichkeit sperren musste um die Bemalung zu schützen.
Man hat daher weitere, identische Höhlenformationen gesucht und dann gefunden. So auch gerade jetzt erst wieder, denn nicht alle sind dafür geeignet. In diesen Höhlen werden exakte Kopien der originalen Höhle angefertigt, sowohl hinsichtlich der Motive, als auch deren Größe und deren Farbgebung. Diese Kopien werden gegen die äußeren Einflüsse der durch die Besucher verursachten Einflüsse imprägniert. Die Höhlen sind somit sozusagen das Spiegelbild des Originals. Sie können dadurch jederzeit betreten werden, unabhängig von der Anzahl der Besucher."
"Und diese neuen Lascaux-Höhlen? Wo sind die?"
"Hier ganz in der Nähe, folgen Sie einfach den Hinweisschildern. Das umgebende Land dazu gehörte einem chinesischen Investor. Der französische Staat hat ihm gerade erst das gesamte Gebiet einschließlich weiterer unbedeutender Höhlen abgekauft. Für sechs Millionen Euro."
"Weiß man mehr über diesen chinesischen Investor?"
"Es handelt sich um ein Ehepaar. Ein Pärchen, das jetzt international gesucht wird. Sie geben vor, Angehörige der chinesischen Botschaft zu sein. Man wird sie nicht zu fassen bekommen, denn sie sind längst wieder in China."

Charles meinte nur:"Ist sie noch so schön und kommt gar aus dem fernen Osten, sei ja vorsichtig, denn sie verursacht nichts als üble Kosten." Und dann: "Ich habe Sie nicht geduzt, Durchlaucht!"

"Die Karte, Charles! Wo ist meine Karte? Diese Kopie von meinem ehemaligen Grund und Boden!"
"Hier, Durchlaucht!"
"Nein! Mein Gott, nein! Hat Er den Cognac mitgenommen?"
"Selbstverständlich, Durchlaucht!"
"Doppelt, Charles! Für Sie auch! Subito!"
 

onivido

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Klaus, Klaus,was fuer eine krimminelle Phantasie. Wieder sehr gerne gelesen, wie alle deine Geschichten.
Gruesse///Onivido
 



 
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