Die Chroniken von Lavern

radebar

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Hallo!
Auf der SF-Seite habe ich schon zwei kleine Sachen eingestellt, aber ich würde Euch gerne auch einen Ausschnitt einer langen (!) Fantasy-Geschichte vorstellen. Hier wird einer der Protagonisten eingeführt, und vielleicht könnt Ihr mir ja sagen, wie Ihr den Auftritt findet ... Hoffentlich ist es nicht zu lang. Viel Spaß!


Calwin von Argon sah zur fahlen Sichel des zweiten Mondes hinauf, die dicht über den Dächern der Stadt hing. Es musste schon lange nach Mitternacht sein, und der dichte, weiße Nebel, der vom Meer hinaufstieg und Windgart mit seinen einsamen Straßen langsam einzuhüllen schien, nahm den beiden Männern, die mürrisch dem Wetter trotzten und sich dem Marktplatz der alten Hafenstadt näherten, fast die Sicht. Die wenigen Fackeln, die noch dem Nebel widerstanden, warfen flackernde Schatten auf das feucht glitzernde Pflaster, und wie aus alter Gewohnheit hielten Calwin und sein Knappe Syllable sich wann immer sie konnten in diesen Schatten. Der junge Ritter und sein Begleiter führten ihre Pferde am Halfter hinter sich her, als sie zu dieser späten Stunde auf das einzige Licht zuhielten, das aus einem Haus am Marktplatz noch in die Dunkelheit drang, und die Hufe der Tiere, die klackend auf das Pflaster schlugen, machten ein ungewohnt lautes Geräusch in der stillen Nacht.
[ 5]Andere Reisende als Calwin hätte dieser Umstand sicher beunruhigt, denn Windgart war am Tage gewiss so harmlos und geschäftig wie jede andere Stadt, und es gab auch nicht mehr Überfälle als anderswo, doch nachts gab es mehr als eine Räuberbande, die aus dem Norden in die Stadt kam, um in den engen, dunklen Straßen der Stadt das Einkommen ihrer Mitglieder etwas aufzufrischen. An die beiden grimmig dreinblickenden Männer, die mit langen Schwertern und Lederpanzern gewappnet waren, würde sich jedoch so schnell niemand heranwagen, dazu war die hohe, blonde Gestalt Calwin von Argons zu bekannt, und die meisten Straßenräuber wussten, manche gar aus eigener, schmerzhafter Anschauung, dass sie sich mit ihm im Kampf nie würden messen können.
[ 5]Als die beiden an dem Haus, das sie gesucht hatten, angekommen waren, warf Calwin einen raschen Blick durch ein paar dicke, verschmierte Fensterscheiben, durch die das schwache Licht nach außen drang. Zufrieden nickte er, als er gesehen hatte, was er sehen wollte.
[ 5]“Sie sind noch da", brummte er. "Lass uns reingehen."
[ 5]Syllable nickte knapp und nahm ohne ein weiteres Wort seinem Herren die Zügel seines Pferdes ab, um die beiden Tiere in die Stallungen auf dem Hof des Hauses zu bringen. Ralin Arna, ein alter Freund Calwins, führte das Wirtshaus Zum alten Matrosen schon seit vielen Jahren, Calwin und Syllable hatten es schon oft besucht, und Calwins Knappe musste nicht erst fragen, wo er die Tiere lassen konnte. In der Schankstube selbst herrschte noch reger Betrieb, das hatte Calwin gesehen, und im Alten Matrosen war das nicht überraschend, denn Arna schenkte nicht nur das beste Bier der Stadt aus, er war auch einer der wenigen Wirte, die ihr Haus bis nach Mitternacht offen hielten.
[ 5]Calwin strich noch einmal seinen Mantel glatt und fuhr sich mit einer raschen Geste durchs Haar, dann betrat er mit einem breiten Lächeln die Wirtsstube. Das große Feuer im Herdplatz in der Mitte des Raumes und die Öllampen auf den Tischen verbreiteten nur ein spärliches, zähes Licht, das den verräucherten Raum zu einem großen Teil in Dunkelheit ließ, so dass nur Arna, dessen geübter Blick rasch zur Tür gewandert war, Calwin erkannte, während die anderen Gäste den Neuankömmling kaum zur Kenntnis nahmen. Arna nickte Calwin kurz zu, der ihm daraufhin mit einem kurzem Zeichen signalisierte, wo er sich hinzusetzen gedachte.
[ 5]Der Tisch, den er daraufhin ansteuerte, stand in einer Ecke des niedrigen Raumes, nahe einem der Fenster, und um ihn herum saß ein halbes Dutzend Männer, die in ein Kartenspiel vertieft waren, das schon seit einiger Zeit im Gange zu sein schien. Ohne sich die Mühe zu machen, eine Erlaubnis abzuwarten, zog Calwin sich einen Stuhl heran und gesellte sich zu der Runde. Interessiert verfolgt er den Spielzug, der gerade beendet wurde, und erst als einer der Männer die Karten auf dem Tisch eingestrichen hatte, schienen die Spieler Calwin überhaupt zur Kenntnis zu nehmen.
[ 5]“Du bist spät, Argon", brummte der bärtige Mann, der Calwin gegenübersaß. "Musstest du erst dein Pferd vom Pfandleiher erbetteln, ehe du herkommen konntest?"
[ 5]Calwins Lächeln blieb so breit, wie es schon die ganze Zeit gewesen war. "Hallo, Kúlan", erwiderte er fröhlich. "Ich wusste gar nicht, dass man dich schon wieder freigelassen hat. Oder ist Unzucht mit Pferden nur ein geringes Delikt in Windgart?"
Jetzt wurde das Lächeln Kúlans so breit, wie das von Calwin. "Wir haben dich vermisst, Argon", erklärte er. "Willst du noch mitmachen?"
[ 5]Calwin sah auf die schon recht unterschiedlichen Geldhaufen der Spieler und schüttelte dann den Kopf. "Du scheinst heute ein zu glückliches Händchen zu haben", meinte er, "da will ich dich nicht verdrießen, indem ich dir alles wieder abnehme."
[ 5]Kúlan nickte knapp, da auch er es offenbar nicht schätzte, dass er es an diesem Abend nur mit Amateuren zu tun hatte. "Wie du willst, Argon. Vielleicht ist es wirklich schon zu spät ..." Dann schob er gemächlich einen Stapel Münzen in die Mitte des Tisches, der vier der fünf anderen Mitspieler ohne Probleme auskaufen musste. "Halber Stand gegen freie Einsätze", kündigte er an. "Geht jemand mit?"
[ 5]Zweifelnd sahen die anderen ihn an, doch alle bis auf einen brachten den Mut auf, ihre letzten Münzen gegen Kúlans Stapel zu setzen.
[ 5]“Ich glaube nicht einen Moment, dass ihr beide Magier habt", stellte einer der Männer widerborstig fest. "Und wenn, die Reihe könntet ihr trotzdem nicht durchziehen."
[ 5]“Ja?" fragte Kúlan mit hochgezogenen Brauen, als er gesehen hatte, dass alle ihren Einsatz gemacht hatten. "Selbst dann nicht, wenn ich zu den Magiern noch eine Dreierphalanx habe?"
[ 5]“Bei den Mächten! Das habt ihr nicht!"
[ 5]“Leider doch", grinste Kúlan und blätterte seine letzten fünf Karten auf den Tisch. "Seht selbst ..."
[ 5]Völlig fassungslos starrte der andere Mann auf die Kartenfolge. "Aber ihr habt vorhin meine Zweierkombination nicht erwidert und den Zug verloren!"
[ 5]“Hätte ich ihn gewinnen müssen?" staunte Kúlan und strich dann mit einem breiten Grinsen das Geld der anderen ein, die ihrerseits missmutig ihre wertlos gewordenen Karten auf den Tisch warfen.
[ 5]“Eine Zweierkombination, die nach einem Magier gespielt wird, ist eine klassische Kampfansage!" beschwerte der glücklose Spieler sich.
[ 5]“Ich weiß, aber man muss nicht jede Herausforderung annehmen, die einem angetragen wird. Das ist die Lektion, die ihr heute gelernt habt, und wenn ich es recht bedenke, dann habt ihr einen geringen Preis dafür bezahlt." Ohne Zeremoniell verstaute Kúlan seinen Gewinn in einer alten ledernen Börse und nickte dann den anderen zu.
[ 5]“Vielen Dank für einen angenehmen Abend", sagte er, "doch wie ihr an der Anwesenheit Calwin von Argons seht, habe ich jetzt andere Verpflichtungen, so dass ich euch leider verlassen muss." Mit einem letzten Nicken stand er auf und wandte sich dann an den Neuankömmling. "Calwin, hast du Lust, mir an Ralins Theke Gesellschaft zu leisten?"
[ 5]“Gewiss", bestätigte Calwin und folgte Kúlan in den hinteren Teil des Raumes, in dem Ralin Arna damit beschäftigt war, den Nachschub für die rasch leer werdenden Bierkrüge seiner Gäste sicherzustellen. Ein kleine Gruppe eifriger Trinker, die offenbar gerade beschlossen hatte, dass sie für diesen Abend genug getrunken hatte, suchten ihren Weg durch die Wirtsstube zu finden, ohne all zu oft die anderen Gäste anzurempeln, was ihnen sichtbar schwer fiel. Immerhin aber wurden so einige Plätze an der Theke frei, die Kúlan so gleich für sich und Calwin beanspruchte. Syllable, der nur wenige Augenblicke zuvor durch die Hintertür hereingekommen war, gesellte sich still zu den beiden Männern, die es sich an der einfachen Holztheke gemütlich machten. Kúlan begrüßte Calwins Knappen mit einem Nicken und bestellte mit einem einfachen Wink bei Ralin ein Runde Bier.
[ 5]“Du hast wirklich nicht viel verpasst dort drüben", erklärte er, als er sich schließlich wieder Calwin zuwandte. "Bis auf Gana, den du kennst, waren alles Stümper, und ich hätte ihnen ihr Geld viel eher abnehmen können, hätte ich gewusst, was sonst mit dem Abend anzufangen gewesen wäre. Euch hätte ich viel lieber ausgenommen."
[ 5]“Du bist zu bedauern, Kúlan", grinste Calwin, als Ralin drei Krüge mit Bier vor ihnen aufstellte. Calwin prostete dem anderen mit seinem Becher zu, ehe er fortfuhr. "Hier in Windgart sollte man für jede Gelegenheit dankbar sein, ein Spiel zu machen, selbst wenn es ein mittelmäßiges ist. Deswegen wollte ich dich auch sprechen. Hast du mehr über das große Spiel bei Gelan gehört?"
[ 5]Kúlan nickte bedächtig. "Das habe ich, aber es gibt bislang nur Gerüchte. Aber wenn die stimmen, dann wird es ein wirklich großes Spiel werden. Karat Kanta hat schon jetzt zugesagt, und Bol Ara ebenso. Auf deine Anwesenheit zählt man auch, wenn ich es recht gehört habe, und die Mächte mögen wissen, warum. Selbst mich hat man gefragt, und nur Kerwan hat noch niemand erreicht, er wird erst spät wieder in Svarna zurückerwartet. Aber er hat seine Wunsch, dabei zu sein, schon signalisiert, und man wird gewiss auf ihn warten. Dann würde nur noch Kol Tatat fehlen, um die Runde der Besten komplett zu machen. Dazu kommen dann noch die üblichen Amateure, dicke Geldverleiher mit zuviel Gold, und reiche Händler, die den Nervenkitzel suchen."
[ 5]“In der Tat eine erlesene Runde ...", überlegte Calwin. "Und das Limit?"
[ 5]“Das ist noch nicht bekannt, aber zum Einstieg wirst du gewiss zehntausend brauchen."
[ 5]“Talente?" staunte Calwin.
[ 5]Amüsiert sah Kúlan ihn an. "Mach dich nicht lächerlich. Es geht um Karidor, in Gold."
Jetzt schluckte selbst Calwin. "Das ist wirklich eine Menge ..."
[ 5]“Die der Sohn Caldor von Argons gewiss aufbringen kann", grinste Kúlan, der sehr wohl wusste, wie wenig Calwins Vater daran dachte, die Vergnügungen seines Sohnes zu finanzieren.
[ 5]“Mach dir darum nur keine Sorgen", winkte Calwin etwas nervös ab. "Doch wann wird das Spiel stattfinden?"
Kúlan zuckte mit den Schultern. "Was weiß ich? Zur Jahreswende, denke ich, aber das ist nur eine Vermutung."
[ 5]“Es würde jedenfalls zu Gelan passen", meinte Calwin. "Aber wir müssen ..." Er unterbrach sich, als plötzlich mit einem lauten Krachen die Tür der Schankstube aufgestoßen wurde und vier schwarzgekleidete Gestalten mit Fackeln den Raum betraten.
[ 5]“Ramaker", zischte Kúlan erbost, als er die typische Kleidung und die scharfgeschnittenen Gesichter der Männer erkannte, und es sprach wenig Sympathie aus diesem einen unwillig geäußerten Wort.
[ 5]“Der Nacht zum Gruß", bellte der einzige Ramaker ohne Fackel, der der Anführer der Truppe zu sein schien, mit heiserer Stimme, als alle Aufmerksamkeit sich auf ihn gerichtet hatte.
Ralin Arna, der sich, kaum dass er die Ramaker gesehen hatte, mit einem Dolch bewaffnet hatte und hinter der Theke hervorgekommen war, baute sich vor dem Anführer auf. "Was wollt ihr?" fauchte er die Männer an. "Wenn ihr was trinken wollt, dann setzt euch und haltet keine Reden. Wenn nicht, dann verschwindet."
[ 5]“Warum so unfreundlich?" erkundigte sich der Ramaker mit einem hinterhältigen Grinsen. [ 5]“Wir haben nur eine einfache Frage, die die Anwesenden gewiss beantworten können."
Ralin maß den Ramaker und seine Begleitung mit einem raschen Blick, und ihm war klar, dass er nichts zu gewinnen hatte, wenn er ihm seine Bitte abschlug.
[ 5]“Also fragt", zischte er, "dann verschwindet."
[ 5]“Na also", flüsterte der Ramaker, "es geht doch." Dann hob er die Stimme. "Wir suchen einen Mann, einen Deserteur. Er hat an diesem Nachmittag auf einem unserer Schiffe, auf dem er diente, zwei Offiziere ermordet und ist dann geflohen. Das Schiff kreuzte im Golf, und der Mann könnte nach Windgart geflohen sein. Er ist gefährlich, ein Mörder, und jeder, der ihn sieht, oder gar hilft, ist in Gefahr. Der Mann ist leicht zu erkennen, denn seine Kleider haben keinen Zuschnitt, den man in diesen Breiten kennen würde, und er spricht mit einem starken fremdländischen Akzent. Wer ihn gesehen hat, oder etwas über ihn weiß, ist willkommen, in unserer Handelsmission vorzusprechen, wo eine beträchtliche Belohnung auf ihn wartet." Aufmerksamkeit heischend sah der Ramaker sich um, als hoffe er, dass sich gleich jemand erhöbe, um den Flüchtling zu verraten, aber ohne Erfolg.
[ 5]“Ihr habt kein Glück", bemerkte Ralin mit kaum verhohlener Verachtung. "Verräter sind hier auch nicht willkommen. Und jetzt gehabt euch wohl."
[ 5]Der Ramaker funkelte den Wirt böse an, doch er verkniff sich jeden Kommentar, war er doch Gast im Haus dieses Mannes, und es gab zu viele Zeugen für alles, was er jetzt sagen würde. Er ließ die Angelegenheit also auf sich beruhen und machte mit seinen Leuten kehrt, nicht ohne Ralin noch einen verächtlichen Blick zugeworfen zu haben. Ein spürbare Erleichterung machte sich im Raum breit, als sie schließlich gegangen waren.
[ 5]“Ein widerliches Geschmeiß", knurrte Kúlan wütend, als sich die erste, laute Aufregung wieder gelegt und Ralin sich zu ihnen gesellt hatte.
Calwin nickte zur Bestätigung, doch etwas anderes schien ihn zu beschäftigen.
[ 5]“Was ist?" fragte Kúlan, als er seinen nachdenklichen Blick bemerkte.
[ 5]“Diese Geschichte, die der Ramaker erzählte ... Sie klingt irgendwie seltsam, nicht wahr? Aus ramakischen Diensten desertiert sonst niemand, und ich würde gerne wissen, was dahinter steckt. Es klingt wirklich unwahrscheinlich, dass irgendwelche Fremdländer auf ramakischen Schiffen landen, Mörder zumal, um dort zu Meuterern zu werden ..."
Kúlan sah ihn mit einem Blick an, der seinen Hass auf die Ramaker kaum verbarg. "Du weißt doch, wie es mit diesen ramakischen Banden ist", grollte er. "Sie pressen jeden zum Dienst auf ihren Galeeren, der auch nur einmal gewagt hat, dem Bild Gunracks nicht zu huldigen. Ihre Flotte muss gewiss nie unter Personalmangel leiden."
[ 5]“Ich weiß. Es ist abscheulich."
[ 5]“Abscheulich sagst du? Es ist mehr als das", stellte Kúlan zornerfüllt fest.
[ 5]“Du sagst es. Doch es sind meist Ramaker, und Nomroker, die auf ihren Schiffen landen, keine Männer aus dem Westen. Und genau deshalb werde ich mir auch heute nacht noch dieses Schiff der Ramaker ansehen. Es liegt gewiss noch im Hafen."
[ 5]“Keine gute Idee", brummte Syllable, der jetzt zum ersten Mal etwas sagte.
Calwin sah ihn nachdenklich an, denn ein derart entschiedener Einwand seines Knappen gab ihm zu denken. "Ich misstraue den Ramakern", meinte er schließlich. "Ich möchte wissen, was es mit dieser Geschichte auf sich hat, und so schwierig kann es nicht sein, ein paar Erkundungen anzustellen."
[ 5]“Das sagst du. Ich hingegen sage, Syllable hat recht. Es ist gewiss gut, die Ramaker zu überprüfen, aber dies klingt wieder nach einer deiner spontanen Eingebungen, Calwin, und die haben dir noch nie gut getan", mahnte Kúlan.
[ 5]“Wir werden ja sehen", murmelte Calwin, und im nächsten Augenblick war er bereits auf dem Weg nach draußen, begleitet von den hilflosen Blicken Kúlans und Syllables.

Kulan schüttelte den Kopf. "Warum tut er sowas nur?" erkundigte er sich bei Syllable, der neben ihm schlich. "Ich habe ihm immer wieder gesagt, dass er sich damit nur in Schwierigkeiten bringt."
[ 5]Statt einer Antwort hob Syllable nur die Schultern, eine Geste, sie bei ihm schon beredt genug war.
[ 5]“Sage ich ja, und niemand weiß, was dabei herauskommt."
[ 5]Sie arbeiteten sich noch ein wenig weiter vor, ehe sie am letzten der Lagerhäuser, zwischen denen sie sich bewegten, angekommen waren.
[ 5]“Ich halte das hier noch immer nicht für eine gute Idee", bekundete Kúlan gegenüber Calwin, als sie schließlich hinter einem Stapel Fässer auf dem steinernen Pier in Deckung gingen.
[ 5]“Ich weiß", bestätigte Calwin. "Aber jetzt sei ruhig, sie könnten uns hören."
[ 5]“Das ist es ja gerade, was mich beunruhigt ..."
Nur noch ein paar Meter vor ihnen lag das ramakische Schiff, das sie gesucht hatten. Es war nicht schwer zu finden gewesen, denn es war die einzige Galeere im Hafen, da nur noch die Ramaker diese Schiffe, die mit menschlicher Kraft und menschlichem Leid über die Meere getrieben wurden, überhaupt besaßen. Vom Schiff her wehte ihn jetzt der Geruch eingesperrter, zusammengepferchter Leiber entgegen, doch auf dem Deck des Schiffes konnten sie nur ein paar vereinzelte Wachen erkennen. Offenbar mussten die Ruderer es auch des nachts unter Deck auf ihren schmalen Bänken aushalten. Calwin ballte wütend die Fäuste, als er dies erkannte, und es bedurfte Syllables beruhigender Hand, dass er nicht loslief, um die Sklaven im Handstreich zu befreien. Ein Krieg wäre noch die mindeste Reaktion Ramaks, wenn es ein Sohn Caldor von Argons, des Ersten von Calron, wagen würde, im Hafen der Hauptstadt Dalmunds ein ramakisches Schiff zu überfallen. Auch Calwin sah dies schließlich ein und steckte sein Schwert wieder weg.
[ 5]“Ansehen werde ich es mir trotzdem", erklärte er dennoch, sehr zum Missbehagen seiner Begleiter. "Sehen wir zu, dass wir ein Boot finden."
[ 5]Mit einer verzweifelten Geste folgte Kúlan dem jungen Ritter, und nur Syllable bewahrte noch die Gleichmut, die er selbst in den gefährlichsten Situationen nicht zu verlieren schien. Aufrecht und nobel, in einen hellroten Mantel gehüllt, war der blonde Ritter gewiss keine unauffällige Erscheinung auf dem Pier, und so war es reines Glück, dass er beinahe sofort ein kleines Boot entdeckte, dass unten am Pier vertäut war, und das er problemlos stehlen konnte, so dass die Ramaker kaum Gelegenheit hatten, ihn zu bemerken.
[ 5]“Es ist reiner Wahnsinn", erklärte Kúlan erneut, als sie im Schatten des Piers bis auf wenige Längen an die Galeere herangerudert waren.
[ 5]“Ja", brummte Calwin, "und jetzt rudere weiter."
[ 5]“Womit habe ich das verdient?" erkundigte Kúlan sich bei niemand bestimmten.
[ 5]“Das solltet du dich selbst fragen", antwortete Calwin unbarmherzig. "Aber jetzt sei still."
In der Tat hatten sie sich jetzt bis auf wenige Ruderschläge dem Schiff genähert. Calwin wies auf eine der Ankerketten, die fast in Reichweite im Wasser verschwand, und im nächsten Moment legte Syllable, der am Steuer saß, die Pinne um, und schon hielt das kleine Boot direkt auf die Kette zu. Calwin sah, dass er von der Kette ohne allzu große Schwierigkeiten eine der Ruderpforten erreichen konnte, und von da aus würde er, wie er meinte, genug sehen können, um sich eine Meinung zu bilden, was in dem Schiff vorging.
[ 5]Syllable steuerte also das Boot direkt unter die Ruderkette, und nachdem er Mantel, Lederpanzer, Schwert und Stiefel im Boot gelassen hatte, sprang Calwin beherzt an die Kette, wo er sich nach einigem Geschaukel festklammerte. Schließlich hatte er eine gute Position gefunden, um sich die eiserne Kette hoch zu hangeln.
[ 5]Halb ärgerlich, halb besorgt verfolgte Kúlan, wie Calwin sich geschickt voranarbeitete und rasch bis auf Armeslänge an den Schiffsrumpf herankam. Einen unschönen Augenblick lang schien er abzustürzen, als er versuchte, auf das Schiff zu kommen, doch dann hatte er einen sicheren Griff gefunden, und einen Augenblick später hing er bereits an der Ruderpforte. Vorsichtig stemmte er sich hinauf, um ins Schiff zu spähen. Doch in diesem Moment ertönte an Bord des Schiffes ein furchtbares, unmenschliches Heulen, das ihnen durch alle Knochen ging, und das, wie Kúlan glaubte, von einem Tier kommen musste, das nicht von dieser Welt war. Dann sah er plötzlich, wie Calwin eine Hand nach oben riss, als wolle er seinen Kopf schützen, und dann ließ er seinen Griff ganz fahren. Einen Moment lang versuchte er noch, wieder Halt zu finden, dann stürzte er in das Hafenbecken und entschwand in den kalten, dunklen Fluten.
 



 
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