Die Eingeschlossenen

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Man ist auf der Hut und passt gewöhnlich auf: bloß nicht sich selbst aussperren und ohne Schlüssel vor verschlossener Tür stehen. Andersherum ist man noch übler dran: sich einschließen und dann nicht mehr herauskommen. Nun, irgendwann schaffen es die meisten doch. Oder es kommt Hilfe …

… wie im folgenden Fall. Eine Mutter hängte auf dem Balkon Wäsche auf, ihr Kleinkind blieb in der Wohnung. Dann folgte es der Mutter bis hinter die Balkontür und drückte sie von innen zu. Noch reichte es nicht bis zum Türgriff hinauf. Das Kind hatte also sich selbst in der Wohnung und die Mutter auf dem Balkon gefangen gesetzt und begriff es nicht einmal. Fröhlich juchzend patschte es von innen gegen die Scheibe, während die Mutter sich schon nach Passanten umsah. Endlich kam einer vorbei und rief die Feuerwehr. Die Wohnungstür musste aufgebrochen werden. Besser nie ohne Wohnungsschlüssel auf den Balkon gehen.

Aber was nützt so ein Rat, wenn man in einer Burg gefangen sitzt? Das war so: Auf Burg Landeck in Tirol gibt es ein kleines Museum, das natürlich auch über eine Toilette verfügt. Ein Besucher benutzte sie und kam dann nicht mehr heraus. Das Schloss ließ sich von innen nicht öffnen. Laut rief er, ohne dass ihn einer hörte. Das Museum war wohl nur schwach besucht und die Toilette abgelegen. Später schrie er dann „Hilfe, Hilfe!“ durch das kleine Guckloch in der Mauer, er brüllte über die Stadt und das Inntal hinweg. Und er wurde, man muss schon sagen: erhört. In einem Haus am gegenüberliegenden Berghang vernahm einer seinen Ruf. Rettung nahte bald. - Diese hätte ich selbst auch einmal nötig gehabt ...

... als ich damals auf der Toilette eines Amsterdamer Hotels gefangen saß. Ja, ich gebe es zu, es war eine Absteige. Mein Zimmer und die Sanitärräume lagen im Keller und hatten kein Tageslicht. An einem schönen Sommernachmittag ruhte ich dort auf dem Bett – allein. Alle anderen Gäste waren fort, zum Beispiel am Strand von Zandvoort. Das Personal werweißwo. Und dann klemmte die Verriegelung der Toilettentür und ich kam nicht heraus. Rufen war zwecklos. Bald fiel auch noch das Licht in meinem kleinen Gefängnis aus. War es eine Zeitschaltung? Versuchen Sie einmal, eine Türblockade zu beheben, wenn es stockdunkel ist. Ich schaffte es damals - allerdings erst nach einer Dreiviertelstunde.

Das alles kann einen ins Grübeln bringen. Verschwindet nicht jedes Jahr eine gewisse Zahl von Menschen spurlos? Einige von ihnen haben sich, wie ich glaube, versehentlich in einer Kammer, einem Verlies, einem Keller- oder Bodenversteck eingeschlossen. Eines Tages wird man ihr Skelett finden, spätestens beim Abriss des Hauses.
 
Danke, Andreas, für die weiteren zwei Vorschläge. Sie waren so plausibel, dass ich gar nicht anders konnte als ihnen sogleich zu folgen. Über deine gesamte konstruktive Kritik unter diesem Text habe ich mich durchweg gefreut.

Bei dieser Gelegenheit bedanke ich mich auch für die beiden weiteren anonymen Wertungen (nun wohlwollend), deren Quellen ich natürlich vermuten kann.

Freundliche Grüße
Arno Abendschön
 



 
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