Liebe Vera S,
so recht schlau wird der einfache Leser aus dieser Elegie nicht, die sich recht wortreich an naturkundlichem Beiwerk abmüht, ohne dass dies aber tatsächlich und vor allem wesentlich mit zum Gegenstand eines „Geschehens“ beitrüge.
Offenbar treibt es hier eine junge oder jüngere Mutter mit einem Rentner, der, so lässt sie durchblicken, nicht unvermögend ist und seine senilen Bettfluchten im Verein mit anderen betagten Hundespaziergängern auslebt.
Die junge Mutter, die ihn zu verführen trachtet (oder umgekehrt?), will zu diesem Ambiente nicht recht passen. Einerseits bezeichnet sie sich als alleinerziehend und vollbeschäftigt, andererseits scheint sie nachmittags frei zu sein, um den missgeliebten Nachbarn in die Strandkörbe zu spechten.
Auch der Sex, von dem geraunt wird, scheint ein wenig obskur – der Greis wird erst oral befriedigt und lässt sie danach erst „kommen“. Eine reife Leistung, wenn man mit in Rechnung stellt, dass er ein angegriffenes Herz hat. Zu Beginn der Geschichte wird er uns als Handwerker vorgestellt, der seinen Job aufgegeben habe, um seine blinde Mutter zu betreuen; am Ende ist er plötzlich der fähige Händler einer Firma gewesen, der bereits so alt ist, dass er sich noch daran erinnern kann, wie man an der Küste vor hundert Jahren das Wasser aus den Prielen schöpfen musste, wenn man nicht verdursten wollte.
Was denn nun?
Fazit: Ein Stücklein, das sich ein wenig am Stile Miss Munros orientiert, ohne aber so souverän wie diese Zusammenhänge zwischen Menschen, Landschaften und Zeitgeistern herzustellen, nota bene so unterhältlich dabei zu sein, dass man sich nicht zwingen muss, es genau zu lesen. Was uns das lyrische Ich hier wirklich sagen möchte – vermutlich, dass es mit sich selbst nicht im reinen sei – bleibt leider recht ominös. Um auch ein Naturbild zu gebrauchen: hier wurde mit einer großkalibrigen, aber leider kaum geladenen Feldhaubitze an einem Spatzen vorbeigeschossen.
Tipp: Die Nummer plausibilisieren! Und die Oberlehrer-Ökoschiene stilllegen. Die wirkt, wie immer und überall, extrem Lustkeimtötend. Und das Kind ganz verschwinden lassen. Sonst denkt ein anthroposophischer Leserkreis womöglich an eine Rabenmutter, und das passt so gar nicht zu einem Lyrich, das sich über seine Nachbarn erheben möchte.
Liebe Grüße
lilaluna