Die Erbtante
Meist schneite sonntags sie herein,
dann hatten gastlich wir zu sein,
mussten katzbuckeln, ihr hofieren,
jede Marotte tolerieren;
denn ihre Gunst im Sog der Zeit
war von enormer Wichtigkeit.
Vom klugen Elternhaus belehrt,
dass, wer gut schmiert, auch bestens fährt,
sorgten wir fünf als brav’ Quintett
für Speise, Trank und weiches Bett;
der Tante Wohl lag uns am Herzen,
streng galt, uns dies nicht zu verscherzen.
Wenn sie ins Zeitgeschehen griff,
vernehmlich durch die Zähne pfiff,
forsch ihren Po, der gegenlenkte,
tollkühn in einen Sessel zwängte,
hing in der Luft die bange Frage:
Bleibt sie auch diesmal vierzehn Tage?
Die Tante blieb, ließ sich zwei Wochen
bis unter’s Doppelkinn bekochen;
sie langte zu, schnappte geschwind
Fettes vom Schwein, Edles vom Rind
Und rann der Schweiß ihr auf den Teller
schaufelte sie ‘nen Zacken schneller.
Und wenn sich hinter ihren “Dritten”
beengte Speisereste stritten,
nahm sie die Zahnprothese raus,
schabte geschickt das Übel aus,
setzte - denn Ordnung musste sein -
seufzend das Prunkstück wieder ein.
Begehrlich reckte sie den Hals,
denn durstig war sie ebenfalls,
mochte der kühle Tafelwein
auch eine Billigmarke sein;
sie klopfte ans geleerte Glas,
Nachschubsignal, wir wussten das.
Sie hielt den Kopf schief, wenn sie trank,
der schließlich müd’ auf’s Tischtuch sank;
dann schob man sanft, doch dienstbeflissen
unter ihr Haupt ein Ruhekissen;
ihr Schnarchen war kein Ohrenschmaus,
doch hier schlief Gold, wir harrten aus.
Kaum, dass der Schlummer sie erfrischt,
ward starker Kaffee aufgetischt,
den schlürfte sie mit Hochgenuss,
erst nach fünf Tassen kam der Schluss;
sie klagte über Herzbeschwerden,
wollte von uns bedauert werden.
Wir taten prompt ihr den Gefallen,
sie ward gehätschelt von uns allen;
ihr Bankbuch grüßte schon von fern,
weckte mit Macht den guten Kern;
bezwungen wich die Atemnot,
doch nicht die Lust auf’s Abendbrot.
Durch Zufall sollten wir erfahren,
die Tante linkte uns seit Jahren;
von Schmuck und Barem nicht die Spur,
nur ‘ne verstaubte Kuckucksuhr,
die sie zurückließ, als sie türmte,
bevor die Schuldenburg man stürmte.
Wir schluckten und begriffen jetzt,
dass wir auf’s falsche Pferd gesetzt;
vergeblich unser zähes Ringen,
ihr Scheinvermögen auszuwringen.
So leb' denn wohl, teu're Verwandte,
und Gruß an Deine hohe Kante!
Meist schneite sonntags sie herein,
dann hatten gastlich wir zu sein,
mussten katzbuckeln, ihr hofieren,
jede Marotte tolerieren;
denn ihre Gunst im Sog der Zeit
war von enormer Wichtigkeit.
Vom klugen Elternhaus belehrt,
dass, wer gut schmiert, auch bestens fährt,
sorgten wir fünf als brav’ Quintett
für Speise, Trank und weiches Bett;
der Tante Wohl lag uns am Herzen,
streng galt, uns dies nicht zu verscherzen.
Wenn sie ins Zeitgeschehen griff,
vernehmlich durch die Zähne pfiff,
forsch ihren Po, der gegenlenkte,
tollkühn in einen Sessel zwängte,
hing in der Luft die bange Frage:
Bleibt sie auch diesmal vierzehn Tage?
Die Tante blieb, ließ sich zwei Wochen
bis unter’s Doppelkinn bekochen;
sie langte zu, schnappte geschwind
Fettes vom Schwein, Edles vom Rind
Und rann der Schweiß ihr auf den Teller
schaufelte sie ‘nen Zacken schneller.
Und wenn sich hinter ihren “Dritten”
beengte Speisereste stritten,
nahm sie die Zahnprothese raus,
schabte geschickt das Übel aus,
setzte - denn Ordnung musste sein -
seufzend das Prunkstück wieder ein.
Begehrlich reckte sie den Hals,
denn durstig war sie ebenfalls,
mochte der kühle Tafelwein
auch eine Billigmarke sein;
sie klopfte ans geleerte Glas,
Nachschubsignal, wir wussten das.
Sie hielt den Kopf schief, wenn sie trank,
der schließlich müd’ auf’s Tischtuch sank;
dann schob man sanft, doch dienstbeflissen
unter ihr Haupt ein Ruhekissen;
ihr Schnarchen war kein Ohrenschmaus,
doch hier schlief Gold, wir harrten aus.
Kaum, dass der Schlummer sie erfrischt,
ward starker Kaffee aufgetischt,
den schlürfte sie mit Hochgenuss,
erst nach fünf Tassen kam der Schluss;
sie klagte über Herzbeschwerden,
wollte von uns bedauert werden.
Wir taten prompt ihr den Gefallen,
sie ward gehätschelt von uns allen;
ihr Bankbuch grüßte schon von fern,
weckte mit Macht den guten Kern;
bezwungen wich die Atemnot,
doch nicht die Lust auf’s Abendbrot.
Durch Zufall sollten wir erfahren,
die Tante linkte uns seit Jahren;
von Schmuck und Barem nicht die Spur,
nur ‘ne verstaubte Kuckucksuhr,
die sie zurückließ, als sie türmte,
bevor die Schuldenburg man stürmte.
Wir schluckten und begriffen jetzt,
dass wir auf’s falsche Pferd gesetzt;
vergeblich unser zähes Ringen,
ihr Scheinvermögen auszuwringen.
So leb' denn wohl, teu're Verwandte,
und Gruß an Deine hohe Kante!