die erfindung des steins

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  • Ersteller Gelöschtes Mitglied 15780
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G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
[ 4]die erfindung des steins


wer ist von dem stein hier der steinte
[ 4]gesteinemann der ihn erfand?
sieht aus wie ein handwerker der sich
[ 4]das wasser den wind über land
als instrumente bereit
[ 4]gelegt mit nem wipp seiner hand

den einzelnen stein erfand
[ 4]der plante den kern im system
dann stellt er ihn her – oder nicht
[ 4]danach sondern immer: indem
er denkt gestaltet er ihn
[ 4]im wind sand strahl – indem

er fühlt spült er ihn schon
[ 4]zum küsten saum da vorn
wo er sich den kleinen kern
[ 4]erspürt und den nachbar korn
planeten und menschen die ihn
[ 4]umkreisten – im all verlorn
 
G

Gelöschtes Mitglied 18005

Gast
Grüsze Hänszel

Hier meine Gedankenfetzen:

Enjambements, fehlende Satzzeichen, alles klein geschrieben ...
Inhalt durch Titel erklärt ...
Ein eher philosophisches Stück?
Ein im Zimmermannschen Labor angefertigtes eigenes, sehr eigenartiges Werk - im Sinne von eigentlich und eigentümlich ... eigen eben ... "zimmermannsch" das in Zukunft zu verwendende Adjektiv zur Beschreibung seines/deines Stils ...
steintrocken, wie immer ... hier aber besonders, allein des Steines wegen ...
Gott als der "Gesteinemann" und "Handwerker" ... Wasser und Wind als seine Instrumente, um den Stein zu erfinden ...
Fraglich ist, wie dieser "Handwerker" aus "Wind", "Sand" und "Strahl" (wohl Sonnenstrahlen) Steine formen kann ...

Herz,
Peter

PS: Hoffe nicht zu frech zu erscheinen, durch diese meine Knappheit an Worten bzw die Wortwahl ... vielleicht hilft dir das aber zur Reflexion ... Was ist im übrigen Dein Ziel mit der Leselupe, was treibt dich voran, auch mit dem Schreiben, worauf hoffst du, was erwartest du, was sind Deine Ambitionen? (Evtl PN) :)

PPS: Formal frage ich mich außerdem, wieso du jeden zweiten Vers reingerückt hast ... das scheinst du öfter zu tun ...
 

Tula

Mitglied
Hallo

Meine Auslegung war eher religiös, die erste Strophe erinnert an die Bibel. Die zweite daher Schöpfungsakt (plante den Kern in System).
Die dritte überzeugt mich zunächst weniger (in meiner Auslegung), der Abschluss ist dann wieder stark. Trifft gut den Kern der um Gott kreisenden Menschheit, die auf einem kleinen Planeten in einem Nebenarm eines von Billiarden galaktischer Systeme usw.

Pfingstgrüße
Tula
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Hallo, Peter!
Was ist im übrigen Dein Ziel mit der Leselupe, was treibt dich voran, auch mit dem Schreiben, worauf hoffst du, was erwartest du, was sind Deine Ambitionen?
Vor zwei Monaten hat doch irgendwer (revilo?) diese Frage gestellt, wie sie sich für bzw. in die Diskussionsrunden des Forum Lupanum gehörte. Aber das war schon geschlossen, bevor ich dazu was schreiben konnte.
Die Antwort ist sehr schlicht: Ich will gelesen werden. Die Gedichte sollen gelesen werden. Sonst nichts. Der Rest, also ob jemand etwas dadurch genießen oder begreifen will, hängt daran und folgt von allein. Es ist nicht anders als bei einem Gartenstück oder einer Musikkomposition. Wer ein Musikstück schreibt, will gehört werden. Es kann sich dadurch ein Stück Welt öffnen. Ein geistiges oder seelisches Ereignis in physischer Konkretion.

Hallo, Tula!
Ja, den religiösen Ansatz sehe ich auch. Nun bin ich seit fünfzig Jahren, seit meinem vierzehnten Lebensjahr, viel zu philosophisch gesinnt, als daß ich den Gedanken einer handwerklich wirkenden Persönlichkeit als "Schöpfer" für selbstverständlich halten könnte. Oder anders gesagt: Ich bin immer ein zorniger Gegner solcher anthropomorphistischen Gottesvorstellungen gewesen. Nun, langsam älter (aber nur wenig weiser), spiele ich doch wenigstens im Gedicht mit Personalisierungen, da sind sie ja auch als Stilmittel möglich, als Spielmittel, und ich hebe das Bastelbild von dem stonedten Steinemann ja in der Mitte des Liedes auf, indem ich den Gott durch sein Denken und "Spüren" den Stein "machen" lasse. Wobei mir der Gedanke, daß das All-Ein-Sein Sinnesorgane und Gefühlsfärbungen haben kann, mir doch ziemlich menschlich-phantasiegenährt erscheint. Ist schon hochinteressant: Was das für eine Welt ist, die aus Farben, Empfindungen, Lust, Schmerz, Sehnsucht und Melancholie gestaltet ist. Unsere, die real-erscheinende, unerklärliche, sich zeigende.
Der "Stein" ist (ohne auf Heideggers "Geworfenheit" abzuzielen, die ich gerade mit diesem Stein-Bild hier ziemlich lustig finde) so etwas wie die Hauptaufgabe eines Gottes, der sich eine unlösbare Aufgabe stellt. Das Geistfremdeste im All-Ein-Sein des Geistes. Individualisiertes Stoffzeug, hart, widerständig, anstößig.

Aber der Gral ist ein Stein.

grusz, hansz
 

Tula

Mitglied
Hallo Mondnein

nun ist's schon wieder etwas spät und mein zweiter Kommentar kurz. Der Stein als Objekt der Anbetung steht ja für mehrere Religionen. Das Gedicht verfällt nicht in Erklärungen (bei philosophisch angelegten Werken ja nicht einfach), lässt dem Leser und seinen Gedanken freien Raum, ohne unbedingt kryptisch zu wirken. Gern gelesen.

LG
Tula
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Ja, dankeschön, Tula.

Es ist mir schon wichtig, ob oder daß das Gedicht "nicht in Erklärungen verfällt", ein Lied soll ja über die Bildhaftigkeit und (bei mir weniger, aber bei anderen) den Gefühls-Strom wirken. Natürlich liebe ich auch die Gefühlsfarben, habe sie aber lieber in musikalischen Strukturen. So wie mir andererseits die Witzigkeit zuwider ist, wenn sie mir zu selbstbesoffen in die lesenden Augen schlägt. Ich habe ein Problem mit Satiren, ich lasse die Schrägheiten der Bilder lieber traumhaft stehen, als sie lächerlich zu machen. Das nur nebenher.

Also ein bißchen Kryptonit gefällt mir schon. Das findet sich hier vielleicht im anthropomorph Religiösen, was auch Peter angesprochen hat.
Vor allem aber in der - wie kann man es beschreibend nennen? - räumlichen Verzerrung: Der Sprung vom kleinen Kern zum Nachbarkornplaneten, auf dem sich Menschen (oder der stonedte Demiourg die Menschen) im All verlieren (bzw. verliert). Die alte Idee, von Blake schlicht formuliert, daß die Welt sich im Sandkorn findet:

[ 4]To see a World in a Grain of Sand
[ 4]And a Heaven in a Wild Flower
[ 4]Hold Infinity in the palm of your hand
[ 4]And Eternity in an hour

William Blake: Auguries of Innocence (in: The Pickering Manuscript)

"A grain of sand" ist auch Titel des berühmten Mandalas von Mati Klarwein:
http://12koerbe.de/phosphoros/z-fische/kunst-69.htm

grusz, hansz
 



 
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