die erste bank

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die erste bank bleibt immer leer
als schütze abstand vor
zu großer nähe und dem
akribischstrengen blick
der gottheit und des pfarrers

die erste bank bleibt immer leer
und auch die andern plätze
sind selten nur belegt
selbst zu den großen festen

die erste bank bleibt immer leer
und die die doch noch kommen
haben geerbte reihen

die erste bank blieb immer leer
nun ist auch sie verschwunden

es bleibt geschichtenlosigkeit



aus dem buch »großgrimma - fotograpoetische erinnerungen an einen abgebaggerten ort« mit fotografien von christian melms und gedichten von mir.
auf dem bild zu diesem gedicht ist ein blick von der seite in die kirche geworfen. die erste bankreihe schon kaputt wie alles im raum und auch im ganzen dorf. eigentlich nur noch schatten des vielleicht nie gewesenen. die fotos berühren mich sehr und ich versuche, den ort, den moment zu erspüren.
das buch soll demnächst auch in anderort - verlag für lyrik erscheinen und ich bin froh, dass ich gefragt worden bin, ob ich mitmache.
 

Perry

Mitglied
Hallo charlotte,
dass viele Kirchen zunehmend leerbleiben, hat viele Gründe von Landflucht bis zum Missbrauchskandal.
Wenn dann auch noch die "geerbten Plätze" freibleiben bleibt wohl nur noch die Kirche zuzumachen.
Durch die Wiederholungen wird die "Geschichtenlosigkeit" gut spürbar.
LG
Manfred
 

Tula

Mitglied
Hallo charlotte
Freut mich auch für dich :)
Ganz nebenbei: Poesie der DDR-Braunkohle-Landschaften, da fällt mir sofort Thomas Böhme ein. Da passt diese Idee als zusätzlicher Rückblick.

LG
Tula
 
lieber Manfred,
diese kirche ist nicht leer, sondern weggebaggert. mit dem ganzen dorf, das dort seit 1240 stand.
wie viele generationen, damit eine generation ein bisschen kohle aus der erde kratzt, um die zukunft
zu verbrennen?
es geht viel verloren, wenn kirchen verschwinden. und dörfer. und landstriche.
natürlich hast du auch recht mit dem, was du sagst.

lieber tula,
vielen dank - für mitfreude und hinweis.
stimmt, das war ja im osten ein thema.
und die dichter*innen allzu oft auch in
der produktion.

liebe grüße
charlotte
 

Franke

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Charlotte,

mich macht das Bild auch immer traurig in Südtirol, wo nur noch der Kirchturm aus dem Reschensee ragt.

Liebe Grüße
Manfred
 
lieber Manfred,
ich trauere um die geschichten und die hoffnungen der menschen,
die darin gewohnt haben. und all das für ein bisschen kohle.

lieber revilo,
danke.
ich fand das immer lustig, wenn wir mal unterwegs waren und in einen gottesdienst gingen. selbst, wenn alle plätze frei waren - du wusstest genau, dass du auf dem falschen platz sitzt :).
liebe grüße
charlotte
 

Franke

Foren-Redakteur
Teammitglied
ich fand das immer lustig, wenn wir mal unterwegs waren und in einen gottesdienst gingen. selbst, wenn alle plätze frei waren - du wusstest genau, dass du auf dem falschen platz sitzt :).
Als meine Mutter noch lebte, bin ich immer mal mit ihr in den Gottesdienst gegangen, natürlich auf "unseren" Platz. Und auch ganz wichtig: Gut gekleidet, denn darauf wird geachtet auf dem Dorf.
 

revilo

Verboten
"unsere plätze" gab es bei uns nicht..........wohl aber mussten wir in der grundschule jeden donnerstag morgen in der ersten stunde zum gottesdienst antanzen.......
 
lieber Manfred, lieber revilo,
auch das ist eine welt, die untergeht. und ich bin da ein bisschen traurig, weil es etwas bedeutet hat.
aber die kirchen sind auch ein bisschen selber daran schuld.
schade
liebe grüße
charlotte
 



 
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