Die Falle

„Lass dir das nicht gefallen!" Britta hatte ihren missbilligenden Gesichtsausdruck aufgesetzt. Klaus wusste, was das bedeutete: „Mach gefälligst, was ich sage!" Mit Widerspruch ging er sehr dosiert um. Er hatte viel zu viel Angst, Britta zu verlieren.
„Ich meine, was bildet sie sich ein?", fuhr Britta fort. „Mehr Unterhalt für die Kinder zu verlangen! Das steht ihr gar nicht zu. Du hast dich an die Düsseldorfer Tabelle gehalten und zahlst pünktlich jeden Monat. Sie kann froh darüber sein. Statt dessen beschwert sie sich!"
„Angeblich ist ihre Miete erhöht worden", sagte Klaus und bereute seinen Einwand sofort, als Britta ihm einen eisigen Blick zuwarf.
„Ständig hast du Ärger mit dieser Frau", begann Britta nun einen ihrer Monologe, die Klaus auswendig kannte. Er hatte Britta vor einem Jahr kennengelernt und war sofort hin und weg gewesen - von ihrem Charme, ihrer Ausstrahlung, ihrem Aussehen, ihrem Charakter - so sehr, dass er Ellen Hals über Kopf verlassen hatte und mit Britta zusammengezogen war. Dass Britta auch eine völlig andere Seite zeigen konnte, hatte sich erst im Nachhinein herausgestellt. Klaus akzeptierte es; viel mehr als Brittas gelegentliche schlechte Laune fürchtete er, sie zu verlieren.
Er ließ sie ein paar Minuten reden und nickte beifällig, dann verabschiedete er sich mit einem „Oh, schon so spät? Tut mir leid, Schatz, aber ich muss weg."

Im Auto dachte er nach. Im Prinzip hätte er Ellen freiwillig mehr Unterhalt zahlen können, seine Kinder sollten ihm das wert sein. Aber - es ging nicht. Britta würde es nicht verstehen. Und er hatte keine Lust, einen Riesenkrach mit Britta zu provozieren.

„Du glaubst es nicht, wer angerufen hat", schleuderte Britta ihm abends entgegen, kaum dass er die Haustür aufgeschlossen hatte. „Deine Ex-Frau hat mir tatsächlich am Telefon etwas vorgeheult. Sie könne die Miete nicht mehr bezahlen. Und in ihrem Job machen sie immer noch Kurzarbeit. Als ob wir etwas dafür könnten!"
Sie auch nicht, dachte Klaus, wagte aber nicht, den Satz laut auszusprechen.
„Ich habe eine Idee", verkündete Britta ihm mit triumphierendem Gesichtsausdruck. „Du sagst ihr, wir würden die Kinder zu uns nehmen, wenn sie so weiter macht."
„Was?" Klaus starrte sie überrascht an. Britta hatte für Kinder doch gar nichts übrig. Und sie hatte keine Ahnung davon, wie stressig der Alltag mit zwei Kindern im Alter von sieben und fünf Jahren sein konnte.
„Mach nicht so ein Gesicht", sagte Britta ungeduldig, „natürlich will ich sie nicht wirklich nehmen" - Klaus registrierte das Wort „ich" in diesem Satz mit Unbehagen - „ich denke nur, wir jagen ihr einen gehörigen Schrecken ein. Dann lässt sie uns mit ihren Forderungen endlich in Ruhe."
Klaus lehnte sich entspannt zurück. Es sollte alles nur ein Fake sein. Britta bemerkte seinen Stimmungsumschwung, lächelte ihn an und setzte sich auf seinen Schoß. „Natürlich könnte ich nie einer Mutter ihre Kinder wegnehmen. Hast du das etwa wirklich von mir gedacht?"
Klaus schüttelte den Kopf.

Am nächsten Tag fuhr er in seiner Mittagspause zu Ellen und eröffnete ihr, dass Britta und er die Kinder nehmen würden, sollte sie weiterhin mehr Unterhalt verlangen. Das Gespräch war kurz und unerfreulich.
„Du willst mir die Kinder wegnehmen?", war Ellens ganze Reaktion. Danach saß sie zusammengesunken auf ihrem Stuhl und sagte kein Wort mehr, bis er ging.
„Sie hat es eingesehen", erzählte er Britta am Abend.
„Das hast du gut gemacht." Britta sah ihn zufrieden an und berührte ihn flüchtig.
Klaus zog sie in seine Arme. Es versprach eine schöne Nacht zu werden...

Tags darauf stand er auf dem Weg zur Arbeit im Stau. Ungeduldig trommelte Klaus mit den Fingern aufs Lenkrad und hupte schließlich ein paarmal, bis ihm ein Blaulicht in der Ferne vor der nächsten Brücke auffiel. Es hatte wohl einen Unfall gegeben.
Der Autofahrer hinter ihm stieg aus seinem Fahrzeug aus, kam zu ihm und klopfte gegen seine Scheibe. Widerwillig ließ Klaus das Fenster herunter. Dass die Leute immer so sensationlüstern sein mussten ...
„Haben Sie das eben im Radio gehört?", fragte der Mann aufgeregt. „Sie haben drei Leichen im Wasser gefunden. Eine Frau und zwei Kinder. Die Identität steht noch nicht fest."
Der Mann sprach weiter, aber Klaus hörte nichts mehr. Wie in Trance schaute er in die Ferne, dort, wo das Blaulicht zu sehen war.
 
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G

Gelöschtes Mitglied 23262

Gast
Wie gruselig, liebe SilberneDelfine.
Wir sollten nicht vergessen: Es gibt nicht nur Brittas! Es gibt auch Brittos! Genauso verführerisch, genauso toxisch.
Dass der Autofahrer hinter dem Mann aussteigt, finde ich persönlich etwas unrealistisch. Könnte der Typ vielleicht selbst Radio hören?
Starke Geschichte.
Viele Grüße
Judith
 
Hallo SilberneDelfine,

Mensch, war für ein tragisches Ende.

Zunächst etwas zu den Gesichtern bzw. den Gesichtsausdrucken:

Britta hatte ihren missbilligenden Gesichtsausdruck aufgesetzt und sah ihn forschend an.
Missbilligend und forschend zugleich stelle ich mir schwierig vor.

Dann folgen ein eisiger, ein triumphierender, ein überraschender, ein zufriedener Blick:
als Britta ihm einen eisigen Blick zuwarf.
mit triumphierendem Gesichtsausdruck.
Klaus starrte sie überrascht an.
Britta sah ihn zufrieden an
Das sind ziemlich viele Blicke in dem kurzen Text.
Ich bin aber sowieso der Meinung, dass man versuchen sollte so zu schreiben, dass die Beschreibungen gar nicht notwendig sind. Das die Worte allein schon alles aussagen.
Oder man umschreibt nicht immer die Mimik, sondern auch mal die Stimme oder Gestik.

Vorschläge:
Klaus starrte sie überrascht an.
--> Klaus schnappte nach Luft/blinzelte/fand die Sprache wieder

Britta sah ihn zufrieden an
--> Bitte lehnte sich grinsend zurück/trällerte fröhlich vor sich hin/verzog die Lippen zu einem dünnen Lächeln

„Haben Sie das eben im Radio gehört?", fragte der Mann aufgeregt. „Sie haben drei Leichen im Wasser gefunden. Eine Frau und zwei Kinder. Die Identität steht noch nicht fest."
Das finde ich ehrlich gesagt ein wenig realitätsfern. Als ob im Radio tatsächlich so schnell darüber berichtet wird, wo er gerade noch im Stau steht.
Ich stehe oft im Stau und habe das – und gerade auch so detailliert – noch nie erlebt.

Schlimmes Ende. Warum hat sie das getan, frage ich mich.

Schönen Tag noch und
LG, Franklyn Francis
 
Bitte lehnte sich grinsend zurück/trällerte fröhlich vor sich hin/verzog die Lippen zu einem dünnen Lächeln
Hallo Franklyn,

wieso findest du das besser? Das ist genau so eine Beschreibung wie "sah ihn zufrieden an". Okay, es ist kein Blick. Die anderen Formulierungen passen aber alle nicht zu Britta. Vielleicht ein wenig zu viele Blicke... Damit hast du recht, aber die vorgeschlagenen Formulierungen gefallen mir nicht. Mal schauen, wie ich das umändern kann.

Das finde ich ehrlich gesagt ein wenig realitätsfern. Als ob im Radio tatsächlich so schnell darüber berichtet wird, wo er gerade noch im Stau steht.
Mag sein, aber dann sind z. B. alle Actionfilme auch realitätsfern. Ich finde nicht, dass man in einer Geschichte daran kleben muss, wie es sich in der Realität abspielt.

Das sind ziemlich viele Blicke in dem kurzen Text.
Ich bin aber sowieso der Meinung, dass man versuchen sollte so zu schreiben, dass die Beschreibungen gar nicht notwendig sind. Das die Worte allein schon alles aussagen.
Du meinst also, der Leser könnte sich beim Dialog vorstellen, wie die Figuren schauen? ;) Show, don't tell meint aber nicht das. Sondern z. B., dass man nicht beschreiben soll, wie die Figuren angezogen sind etc. oder welche Augenfarbe sie haben.

Warum hat sie das getan, frage ich mich.
Ist das nicht klar geworden?

LG SilberneDelfine

Wie gruselig, liebe SilberneDelfine.
Wir sollten nicht vergessen: Es gibt nicht nur Brittas! Es gibt auch Brittos! Genauso verführerisch, genauso toxisch.
Dass der Autofahrer hinter dem Mann aussteigt, finde ich persönlich etwas unrealistisch. Könnte der Typ vielleicht selbst Radio hören?
Starke Geschichte.
Viele Grüße
Judith
Vielen Dank, Judith.
Ja, wollte ich zuerst schreiben - dass er selbst Radio hört - dann fand ich den anderen Schluss besser.

LG SilberneDelfine
 
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Hallo SilberneDelfine,

„Du willst mir die Kinder wegnehmen?", war Ellens ganze Reaktion. Danach saß sie zusammengesunken auf ihrem Stuhl und sagte kein Wort mehr, bis er ging.
Ist das nicht klar geworden?
Nein, mir nicht.
Zwischen "die Kinder wegnehmen" und es auch tatsächlich tun steht erst mal vereinfacht gesagt der Staat, das Sorgerecht. Davon steht im Text nichts. Wer hat es denn augenblicklich zu welchen Anteilen? Erst wenn das Schreiben vom Amt kommt, wird es ernst. (Und dieses Schreiben hätte es ja nie gegeben, da es ein "Fake" war.)
Und wie jemand, der die Kinder entführt, erscheint er mir nicht.

Ich kann daher nicht verstehen, warum eine solche "Androhung", leere Worte ohne Folgen, ohne abzuwarten, was tatsächlich passieren mag, Kurzschlusspanik erzeugen sollte. Ich persönlich halte das für genauso unrealistisch wie die Radiodurchsage. Nur meine Meinung, vielleicht gibt es Leser, die das begründet anders sehen.

wieso findest du das besser? Das ist genau so eine Beschreibung wie "sah ihn zufrieden an".
Ich habe nicht "besser" gesagt, dir nur Alternativen zu deinen immer gleichen Formulierungen aufzeigt. Nenn es Stil-Tipps oder Textarbeit. Und zu dem doppelten Gesichtsausdruck hast du dich gar nicht geäußert ...

LG, Frankyln Francis
 
Zwischen "die Kinder wegnehmen" und es auch tatsächlich tun steht erst mal vereinfacht gesagt der Staat, das Sorgerecht. Davon steht im Text nichts. Wer hat es denn augenblicklich zu welchen Anteilen? Erst wenn das Schreiben vom Amt kommt, wird es ernst.
Und du glaubst, jede Mutter, der man androht, die Kinder wegzunehmen, reagiert kühl und rational? Es spielt keine Rolle, ob da schon was Offizielles in Gang gesetzt worden ist oder nicht.

Übrigens hast du den Grund dann ja doch verstanden.
 
Hi,

was ich glaube, ist nicht relevant für die Textarbeit.
Inhaltlich kann man unterschiedlicher Meinung sein. Meine habe ich geäußert. Und bei einer solchen Dramatik möchte ich eigentlich keine Diskussion führen. Das bringt nichts und dafür ist das Thema auch viel zu ernst und traurig.

Hättest du die Frau zuvor als labil o.ä. beschrieben, hätte ich nichts gesagt. So kam das wie aus heiterem Himmel des Effekts für die Geschichte wegen.

LG, Franklyn
 
Hättest du die Frau zuvor als labil o.ä. beschrieben, hätte ich nichts gesagt. So kam das wie aus heiterem Himmel des Effekts für die Geschichte wegen.
Nein, es kam aus heiterem Himmel für Klaus. Weil er gar nicht darüber nachgedacht hat, was er bei seiner Ex-Frau mit seinen Worten anrichten kann. Und eine Frau muss auch nicht labil sein, um in einer solchen Situation durchzudrehen.
 
was ich glaube, ist nicht relevant für die Textarbeit.
Dann verstehe ich nicht, was solche Aussagen wie

inder wegnehmen" und es auch tatsächlich tun steht erst mal vereinfacht gesagt der Staat, das Sorgerecht. Davon steht im Text nichts. Wer hat es denn augenblicklich zu welchen Anteilen? Erst wenn das Schreiben vom Amt kommt, wird es ernst. (Und dieses Schreiben hätte es ja nie gegeben, da es ein "Fake" war.)
sollen, da es für die Geschichte völlig unwichtig ist, wie das auf dem Amt abgewickelt wird. Nach der Argumentation hätte ich eine ganz andere Geschichte schreiben müssen, nämlich aus Ellens Sicht, wenn sie ein solches Schreiben bekommt. Klar, kann man natürlich auch machen. Aber darum ging es mir nicht. Ich wollte nicht aus Ellens, sondern aus Klaus' Sicht schreiben.

Hättest du die Frau zuvor als labil o.ä. beschrieben, hätte ich nichts gesagt
Ich hätte sie gar nicht als labil oder anderes beschreiben können, da die Geschichte aus der Sicht von Klaus erzählt wird. Und der hat vor lauter Britta ein Brett vorm Kopf. Er sieht nur noch Brittas Wohlbefinden. Wie es Ellen geht, was sie psychisch durchmacht, wenn sie eine solche Androhung hört, das tangiert ihn überhaupt nicht. Er denkt nicht darüber nach, ob sie stark oder labil ist und was es in ihr auslösen kann.

So kam das wie aus heiterem Himmel des Effekts für die Geschichte wegen.
Ich verstehe schon, was du mit dem „Effekt der Geschichte wegen" meinst. Im Prinzip mag ich es auch nicht, wenn Geschichten mit dem Tod einer oder mehrerer der Protagonisten enden, es ist ein relativ einfacher Schluss für den Autor. Aber hier sollte es verdeutlichen, was dahingeworfene Worte auslösen können.

Und zu dem doppelten Gesichtsausdruck hast du dich gar nicht
Das werde ich umändern, aber die Blicke nicht. Leute schauen sich an, wenn sie miteinander reden. Formulierungen wie „trällerte vor sich hin", „verzog die Lippen zu einem dünnen Lächeln" finde ich persönlich dagegen eher bemüht und sie passen auch nicht in die Geschichte.

Dann kannte er aber seine Frau nicht gut genug. Mindestens sieben Jahre kannte er sie und doch nicht. Eigentlich genug Zeit. Schon bitter.
Sie ist ihm eben einfach egal.
 
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