Hätte ich gewusst, dass meine Entscheidung solche Folgen mit sich bringt, ich hätte sie nicht noch einmal getroffen. Dabei war es nicht einmal meine Entscheidung: Es war die Entscheidung einer Gesellschaft, eines Wahns, an dem ich mich beteiligen musste.
Ich bin inzwischen 75 Jahre alt und Witwe. Gelegentlich sehe ich auch meine pubertierende Tochter, sie ist jetzt 16 Jahre alt. Der Altersunterschied macht uns natürlich zu schaffen, schön ist er nicht. Ich habe solche Angst, dass sie irgendwelche Folgeschäden tragen wird – Folgeschäden, weil sie nie richtige Eltern hatte, nur eine Mutter, die ihre Oma sein könnte, keinen Vater mehr. Niemals würde ich uns als intakte Familie bezeichnen, niemals würde ich meine, es gäbe noch intakte Familien.
Ich war gerade 26 Jahre alt, wie man meinen sollte, in den „besten Jahren“, als man mir empfahl, zu Gunsten meiner Karriere die Eizellen einfrieren zu lassen. Ich sträubte mich anfangs dagegen. Ich fand damals, ich hätte doch wohl noch einen letzten Grad an Privatsphäre, aber dem war nicht so. Niemand hatte es mir damals aufgezwungen, es gab lediglich diese Empfehlung meines Chefs, der sagte: „Fräulein, Sie werden Karriere machen. Sie sind die Beste, die wir haben. Lassen Sie sich nicht durch Ihr Privatgetue abhalten!“
Ich wollte diese Empfehlung ignorieren, rechtlich konnte nichts passieren, auch wenn ich schwanger werden würde – ich war bestens abgesichert.
Das Schlüsselerlebnis, das ich hatte, war ein ganz Anderes. Ich hörte zufällig, wie in der Kantine über mich geredet wurde. Ich stand in einer Schlange, außerhalb der Sichtweite des Tisches meiner Kolleginnen, als eine sagte: „Sie ist so gut, sie könnte soviel erreichen. Aber wenn sie sich nicht Ihre Eizellen einfrieren lässt, dann ist sie selbst schuld. Sie sollte es so machen, wie ich es gemacht habe. Ich werde nie Probleme haben. Und wenn ich dann mit der Karriere fertig bin, kann ich immer noch Kinder kriegen!“
Also war meine Entscheidung doch noch getroffen, letztlich wohl aus der Angst, zu versagen.
Ein Wort noch zu meiner Kollegin: Durch einen tragischen Fehler bei der Firma, die ihre Eizellen lagerte, waren sie unbrauchbar: Sie würde nie wieder Kinder kriegen können.
Tatsächlich hatte ich Karriere gemacht. Ich möchte nicht so narzisstisch sein, diese in allen Einzelheiten aufzuführen, nur kurz: Irgendwann leitete ich meine eigene Firma, wir hatten uns auf IT-Lösungen spezialisiert. Damals gingen die meisten Menschen in diese Richtung, man musste sich also behaupten können. Ich konnte mich behaupten.
Als die große Krise kam, gingen viele Firmen einfach unter: Wir standen. Und dann kam die Zeit, wo wir Marktführer waren. Mit fünfundfünfzig hatte ich ausgesorgt, ich wollte mich nun zurück lehnen können.
Mein Mann war ein äußerst verständnisvoller Mensch. Er wollte, trotz meines Berufsleben immer Kinder haben. Manchmal, beim Abendbrot sagte er: „Schatz, ich könnte mich doch um unser Kind kümmern. Das machen viele heute so!“. Aber ich wollte es nicht und er akzeptierte meine Meinung. Er akzeptierte sie auch, als ich mich mit achtundfünfzig entschloss, nun doch ein Kind kriegen zu wollen. Doch seine Tochter würde er nie richtig mitkriegen: Als sie zwei Jahre alt war, starb er an einem Herzinfarkt.
Was er auch nicht mit erleben sollte, war ihre Sprachstörung. Heute ist bekannt, dass fast alle Kinder, die auf diesem Wege zur Welt kamen, irgendwelche geistigen Einschränkungen haben. Warum dies so ist, ist noch unklar.
Ich wäre so gerne eine Mutter in einer gesunden Familien gewesen. Kinder waren für mich nie „Karrierekiller“, diese Meinung wurde mir aufgezwungen. Ich weiß, dass ich falsche Prioritäten gesetzt habe, Karriere ist nicht alles. Das weiß ich aber erst heute, und nun ist es zu spät.
Ach Herr, verzeih mir meinen Weg! Ich habe mich mitschuldig gemacht.
Ich bin inzwischen 75 Jahre alt und Witwe. Gelegentlich sehe ich auch meine pubertierende Tochter, sie ist jetzt 16 Jahre alt. Der Altersunterschied macht uns natürlich zu schaffen, schön ist er nicht. Ich habe solche Angst, dass sie irgendwelche Folgeschäden tragen wird – Folgeschäden, weil sie nie richtige Eltern hatte, nur eine Mutter, die ihre Oma sein könnte, keinen Vater mehr. Niemals würde ich uns als intakte Familie bezeichnen, niemals würde ich meine, es gäbe noch intakte Familien.
Ich war gerade 26 Jahre alt, wie man meinen sollte, in den „besten Jahren“, als man mir empfahl, zu Gunsten meiner Karriere die Eizellen einfrieren zu lassen. Ich sträubte mich anfangs dagegen. Ich fand damals, ich hätte doch wohl noch einen letzten Grad an Privatsphäre, aber dem war nicht so. Niemand hatte es mir damals aufgezwungen, es gab lediglich diese Empfehlung meines Chefs, der sagte: „Fräulein, Sie werden Karriere machen. Sie sind die Beste, die wir haben. Lassen Sie sich nicht durch Ihr Privatgetue abhalten!“
Ich wollte diese Empfehlung ignorieren, rechtlich konnte nichts passieren, auch wenn ich schwanger werden würde – ich war bestens abgesichert.
Das Schlüsselerlebnis, das ich hatte, war ein ganz Anderes. Ich hörte zufällig, wie in der Kantine über mich geredet wurde. Ich stand in einer Schlange, außerhalb der Sichtweite des Tisches meiner Kolleginnen, als eine sagte: „Sie ist so gut, sie könnte soviel erreichen. Aber wenn sie sich nicht Ihre Eizellen einfrieren lässt, dann ist sie selbst schuld. Sie sollte es so machen, wie ich es gemacht habe. Ich werde nie Probleme haben. Und wenn ich dann mit der Karriere fertig bin, kann ich immer noch Kinder kriegen!“
Also war meine Entscheidung doch noch getroffen, letztlich wohl aus der Angst, zu versagen.
Ein Wort noch zu meiner Kollegin: Durch einen tragischen Fehler bei der Firma, die ihre Eizellen lagerte, waren sie unbrauchbar: Sie würde nie wieder Kinder kriegen können.
Tatsächlich hatte ich Karriere gemacht. Ich möchte nicht so narzisstisch sein, diese in allen Einzelheiten aufzuführen, nur kurz: Irgendwann leitete ich meine eigene Firma, wir hatten uns auf IT-Lösungen spezialisiert. Damals gingen die meisten Menschen in diese Richtung, man musste sich also behaupten können. Ich konnte mich behaupten.
Als die große Krise kam, gingen viele Firmen einfach unter: Wir standen. Und dann kam die Zeit, wo wir Marktführer waren. Mit fünfundfünfzig hatte ich ausgesorgt, ich wollte mich nun zurück lehnen können.
Mein Mann war ein äußerst verständnisvoller Mensch. Er wollte, trotz meines Berufsleben immer Kinder haben. Manchmal, beim Abendbrot sagte er: „Schatz, ich könnte mich doch um unser Kind kümmern. Das machen viele heute so!“. Aber ich wollte es nicht und er akzeptierte meine Meinung. Er akzeptierte sie auch, als ich mich mit achtundfünfzig entschloss, nun doch ein Kind kriegen zu wollen. Doch seine Tochter würde er nie richtig mitkriegen: Als sie zwei Jahre alt war, starb er an einem Herzinfarkt.
Was er auch nicht mit erleben sollte, war ihre Sprachstörung. Heute ist bekannt, dass fast alle Kinder, die auf diesem Wege zur Welt kamen, irgendwelche geistigen Einschränkungen haben. Warum dies so ist, ist noch unklar.
Ich wäre so gerne eine Mutter in einer gesunden Familien gewesen. Kinder waren für mich nie „Karrierekiller“, diese Meinung wurde mir aufgezwungen. Ich weiß, dass ich falsche Prioritäten gesetzt habe, Karriere ist nicht alles. Das weiß ich aber erst heute, und nun ist es zu spät.
Ach Herr, verzeih mir meinen Weg! Ich habe mich mitschuldig gemacht.