lietzensee
Mitglied
Die Familie
Natürlich liebe ich meine Tochter. Die Kleine ist mein größter Schatz und ich bin ihr stolzer Papa. Wenn sie mit hohem Stimmchen schreit, höre ich etwas von mir selbst da aus der Wiege schallen. Ihre Windeln wasche ich gerne und wenn sie mir Babybrei in das Gesicht spuckt, dann lachen wir zusammen. So ein bisschen verkleckerter Brei, das macht doch nichts. Sie isst trotz dem mit Appetit, um groß und stark zu werden. Groß und stark, das wird sie sein, meine Kleine, meine Süße, stärker als ihr Papa und all ihre Ahnen.
Sehr talentiert ist meine Kleine. Natürlich sagt das jeder Vater. Doch wer würde mir da widersprechen? Schon jetzt sieht man den Witz in ihren Augen funkeln. Ihre kleinen Äuglein blicken in die große Welt. Im Sandkasten baut sie die größten Burgen, mit Türmchen, Swimmingpools und Garagen für Luxuslimousinen. Dann nimmt sie Anlauf und alles zerstiebt unter ihren Zehen zu Sand.
Ich bin so stolz. Wie schnell sie wächst. Schon greift sie ein in diese Welt, mit mehr Geschick, als sogenannte weise Männer. Hier ein Späßchen, da ein Gerücht, dass sie auf dem Schulhof in die Welt setzt, schon straucheln Banken und Regierungsprogramme. Es ist der alte Familienhumor. Wir amüsieren uns prächtig am Abendbrottisch und mein Mädchen setzt immer noch eine Pointe drauf.
Kinder werden groß. Sie reift so schnell, dass ich ihr dabei zugucken kann. Seuchen, Krieg und Hunger, der Globus brennt und die Menschen rennen umher wie geköpfte Hühner. Meine Kleine ist die Große jetzt! So voller Ungeduld und Pläne, dass sie aus dem Fenster klettert, wenn ich ihr verbiete, Abends noch vor die Tür zu gehen. Soll sie nur, soll sie nur. Das Kind muss sich ausleben. Kaum verstehe ich noch, was mein Sprössling treibt. Doch was immer es ist, sie fängt gerade erst damit an. Armageddon heißt mein Mädchen und ich bin stolz auf sie – wenigstens ich! Gezeugt habe ich sie ja mit der Menschheit. Ist es nicht eine Schande, wie diese Mutter ihr prächtiges Kind verleugnet?