Lieber Béla,
keine Ahnung, ob ich Dir mit folgenden Gedanken entspreche, widerspreche, beides – oder sogar total am Thema vorbei bin? Wie auch immer, es ging mir beim lesen Deines Gedichtes durch den Kopf ...
Ich glaube, es ist ein häufiges und tragisches Missverständnis, Krieg und Frieden als strengen Dualismus zu begreifen.
Wer Frieden als „Schonung“, als Abwesenheit jeder Störung denkt, erlebt bald jeden Schmerz, jede Verletzung als unerträglichen Bruch. Diese Logik kann nur in einer atomisierten Gesellschaft verfangen – eine Zweiteilung, die Ursache und Wirkung der Vereinzelung ist.
Denn selbst Atmen, jeder Wille, jedes Bedürfnis ist eine Anstrengung, ein Kriegen, eine kriegerische Handlung – eine Aneignung.
Jedes Verbundensein erzeugt Reibung – bis am Endes das Selbst versucht, sich von sich selbst zu lösen.
Der ventilierte, kanalisierte Konflikt – Stabilität, Schonung durch kontrollierte Anstrengung haltbar zu machen – schafft den Raum, in dem Freiheit überhaupt erst möglich wird. Der Frieden wird von außen, aus einer dialektischen Bewegung, geformt. Und umgekehrt wird der ideale Frieden in der Dichotomie von Krieg und Frieden, selbst zum Ventil des totalen Krieges.
Darin liegt die Tragik von Krieg und Frieden: Der absolute Frieden verlangt den absoluten Krieg.
Dahingehend würde ich behaupten: „Frieden kriegen“ ist keine Uneindeutigkeit der deutschen Sprache, sondern ihre Präzision. Etymologisch könnte es kaum klarer benannt sein:
Frieden als Schonung – und kriegen als sich bemühen, kämpfen, sich etwas aneignen. Das zeigt, dass es kein Dualismus, kein Entweder-oder ist, sondern die beiden Pole eines Spektrums.
Liebe Grüße
Rufus